OGH 15Os146/21s

OGH15Os146/21s27.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. April 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des OKontr. Bodinger als Schriftführer in der Strafsache gegen * V* und andere Angeklagte wegen Verbrechen nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * V* sowie die Berufung des Angeklagten * R* gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Geschworenengericht vom 22. September 2021, GZ 17 Hv 49/21d‑41, weiters über die (implizite) Beschwerde des Angeklagten R* gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00146.21S.0427.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten V* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche von Mitangeklagten enthält, wurde * V* mehrerer Verbrechen nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, was geeignet war, in anderen Personen eine nationalsozialistische Einstellung zu erwecken oder andere Personen in einer bereits vorhandenen nationalsozialistischen Einstellung zu bestärken und derart nationalsozialistisches Gedankengut zu propagieren, indem er in I*

I./ am 13. November 2019 an * H* eine Facebooknachricht mit dem Inhalt „Heil“ sendete, worauf H* mit „Sieg“ und V* seinerseits mit „Heil“ antwortete;

II./ am 15. Dezember 2019 auf die von * R* gesendete Facebooknachricht „Heil heil“ mit „Sieg sieg“ antwortete;

III./ am 22. Dezember 2019 an * R* eine Facebooknachricht mit dem Inhalt „Heil“ sendete, woraufhin R* mit „Heil heil“ antwortete;

IV./ am 24. Dezember 2019 eine Audiodatei eines Grußes mit der Stimme von Adolf Hitler oder deren wirklichkeitsnaher Imitation mit dem Wortlaut: „Kameraden ich wünsche euch fröhliche und friedliche Weihnachten im Kreise eurer deutschen Familien“ an vier Personen aus seinem Freundes‑ oder Bekanntenkreis über die im Urteil unter A/ bis D/ angeführten Kontakte via WhatsApp versendete;

V./ am 31. Dezember 2019 ein Bild von Adolf Hitler mit der Aufschrift: „Der Führer wünscht einen guten Rutsch“ an fünfzehn Personen aus seinem Freundes‑ oder Bekanntenkreis über die im Urteil unter A/ bis O/ angeführten Kontakte via WhatsApp versendete;

VI./ am 11. Jänner 2020 an * W* eine SMS‑Nachricht mit dem Inhalt „Heil“ sendete, woraufhin W* mit einer SMS‑Nachricht, zeigend ein Hakenkreuz entgegnete.

[3] Die Geschworenen hatten die Hauptfragen I–VI in Richtung von Verbrechen nach § 3g VerbotsG bejaht.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 6 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten V* verfehlt ihr Ziel.

[5] Die Fragenrüge (Z 6) bemängelt unter Hinweis auf die Verantwortung des Beschwerdeführers, er sei davon ausgegangen, nichtöffentliche private Kommunikation im inkriminierten Sinn sei erlaubt (ON 40 S 6, 8, 11), das Unterlassen einer Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach dem Schuldausschließungsgrund des Rechtsirrtums (§ 9 StGB). Sie geht allerdings daran vorbei, dass ein – hier der Sache nach behaupteter – Irrtum über ein normatives Tatbestandsmerkmal (nämlich Betätigung im nationalsozialistischen Sinn) den Vorsatz ausschließt und solcherart nicht Gegenstand einer Zusatzfrage ist (vgl RIS‑Justiz RS0100567; Lässig in WK² Vor VerbotsG Rz 2; Lässig in WK² VerbotsG § 3g Rz 10; Lässig WK‑StPO § 313 Rz 15, 18; zur Tatbestandsmäßigkeit „privater“ Kommunikation im nationalsozialistischen Sinn, etwa via Telefon, SMS oder WhatsApp, vgl im Übrigen [implizit] 13 Os 63/18s; 12 Os 12/19k).

[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (implizite) Beschwerde folgt (§§ 285i, 344, 498 Abs 3 StPO).

[7] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte