OGH 12Os12/19k

OGH12Os12/19k4.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2019 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Fabian K***** wegen Verbrechen nach § 3g VG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 17. Oktober 2018, GZ 37 Hv 71/18b‑14, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00012.19K.0304.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, welches auch einen (rechtskräftigen) Freispruch enthält, wurde Fabian K***** der Verbrechen nach § 3g VG schuldig erkannt.

Danach hat er sich in Z*****, K***** und andernorts auf andere als die in §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er nachangeführte – den Nationalsozialismus und Adolf Hitler verherrlichende – WhatsApp-Nachrichten an nachgenannte Personen versendete, und zwar:

1./ am 19. November 2016 an Noah B***** und am 1. April 2017 an Franz S***** ein Bild von Adolf Hitler mit erhobenem Daumen und der Aufschrift „Gefällt mir!“;

2./ am 20. November 2016 an Noah B***** und die WhatsApp Gruppe „G*****“ mit sechs Mitgliedern sowie am 1. April 2017 an Franz S***** ein dreigeteiltes Bild, von dem das erste zahlreiche Kinder zeigt, welche den Arm nach oben strecken, auf dem zweiten ist ein vergrößerter Ausschnitt des ersten Bildes ersichtlich, wobei ein Junge seinen rechten Arm zum „Hitlergruß“ hebt, das dritte Bild zeigt einen lächelnden Adolf Hitler, der diese Vorgänge wohlwollend zur Kenntnis nimmt;

3./ am 1. Jänner 2017 an Noah B***** ein Bild von Adolf Hitler auf einer Rodel mit der Aufschrift „GUTEN RUTSCH FROINDE!“;

4./ am 8. Jänner 2017 an Noah B***** und am 1. April 2017 an Franz S***** ein Bild von einer Fahrzeugschaltkonsole, wobei der Schalthebel in einem Hakenkreuz steckt, mit der Aufschrift „Der Zubehör-Handel der Autoindustrie hat sich schon auf die geänderte politische Situation eingestellt.“;

5./ am 22. Jänner 2017 an Noah B***** und die WhatsApp Gruppe „G*****“ ein Bild von einem lächelnden Adolf Hitler als „eingehender WhatsApp-Anruf“;

6./ am 20. April 2017 an die WhatsApp Gruppe „G*****“ ein Bild, auf dem zwei Mädchen vor einem Portraitbild von Adolf Hitler Blumen hinstellen samt der Aufschrift „Alles Gute“;

7./ am 21. April 2017 an die WhatsApp Gruppe „G*****“ ein Bild von einem Schwein, auf dessen Haut ein Hakenkreuz und die SS‑Runen aufgezeichnet wurden, samt der Überschrift „Islam-Abwehr Extrem“;

8./ am 27. Mai 2017 an die WhatsApp Gruppe „G*****“ ein Bild von zwei Personen, eine davon ist ein lachender Adolf Hitler, zwischen denen ein „Witz“ mit nachfolgendem Inhalt erzählt wird: „Warum sind auf Türkischen Beerdigungen nur zwei Sargträger? weil Mülltonnen nur zwei Griffe haben...“;

9./ am 27. Juni 2017 an die WhatsApp Gruppe „G*****“ ein Bild, auf dem eine Person ersichtlich ist, die Adolf Hitler darstellen soll, und dem Untertitel „Flüchtlingskrise wird Chefsache“;

10./ am 1. April 2017 an Franz S***** ein Bild von Adolf Hitler, der die linke Hand zum Gruß erhoben hat und der Aufschrift „Ich grüße die WhatsApp Gruppe!“;

11./ am 5. April 2017 an Franz S***** ein Bild von einer Torte, deren Teigschichten so arrangiert wurden, dass der Kuchenteig beim Anschneiden der Torte ein Hakenkreuz darstellt, samt der Aufschrift „Traditionelle Spezialität: Nazipantorte, Mit echtem Nazipan und deutscher Panzerschokolade, Kann Spuren von Rassismus enthalten“;

12./ am 14. April 2017 an Franz S***** ein Bild von einem Mädchen in Uniform, welches den rechten Arm zum „Hitlergruß“ erhebt, in dem anderen Arm einen Hasen trägt und neben dem ein Korb steht, in dem sich Ostereier und Fahnen mit Hakenkreuzsymbolen befinden, samt der Aufschrift „Frohe Ostern“;

13./ am 20. April 2017 an Franz S***** ein Bild von Adolf Hitler mit einer Geburtstagstorte und der Aufschrift „Happy Birthday Adolf“;

14./ am 20. April 2017 an Franz S***** ein Bild von einem Plakat der Kreisleitung Rothenburg vom 19. April 1937 mit der Aufschrift: „Fahnen heraus zum Geburtstag des Führers! Der Geburtstag des Führers ist ein Freudentag der ganzen Nation! Wehende Fahnen sollen an diesem Tag Ausdruck der Freude und der Verbundenheit des Volkes mit dem Führer und seiner Bewegung sein! Darum, Volksgenossen in Stadt und Kreis Rothenburg: Beflaggt morgen, am Geburstag des Führers, eure Häuser! […] Heil Hitler!“.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 1, 11 lit a und lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Der Besetzungsrüge (Z 1) zuwider begründete der Umstand, dass das Erstgericht mit dem Beginn der Hauptverhandlung nicht bis zum verspäteten Eintreffen der als Hauptgeschworene geladenen Claudia Ke***** zuwartete (und stattdessen einen Ersatzgeschworenen heranzog und vereidigte [ON 13 S 2 f]), keine Nichtigkeit.

Eine solche bewirkt ein Verstoß gegen die in der Geschworenendienstliste vorgegebene Reihenfolge nur dann, wenn vom gesetzlich determinierten Prinzip der nach dem Zufall zu erfolgenden Besetzung willkürlich, somit in sachlich unvertretbarer Weise abgewichen wird (RIS‑Justiz RS0121700). Davon kann beim Übergehen von ordnungsgemäß geladenen, aber nicht (pünktlich) erschienenen Geschworenen allerdings keine Rede sein (12 Os 31/07m; 15 Os 48/06g). Überdies lässt sich fallaktuell dem unbekämpften (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 312) Hauptverhandlungsprotokoll – dem Vorbringen der Rüge zuwider – nicht entnehmen, dass die betroffene Hauptgeschworene ihre verkehrsbedingte Verspätung um wenige Minuten schon vor der Verhandlung bekanntgab und das Erstgericht aus einer ex ante Betrachtung daher von einer zumutbaren Verzögerung des Beginns der Hauptverhandlung ausgehen musste (ON 13 S 2).

Eine Verpflichtung, eine durch berechtigte Hinzuziehung von Ersatzgeschworenen zunächst gesetzmäßig erfolgte Zusammensetzung der Geschworenenbank nachträglich durch Beiziehung eines verspätet doch noch eintreffenden Hauptgeschworenen [und Ausschluss des zwischenzeitlich eingetretenen Ersatzgeschworenen] wieder abzuändern, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen und würde vielmehr dem Ziel der Beiziehung von Ersatzgeschworenen widersprechen, eine Neudurchführung des Verfahrens zu vermeiden (vgl Danek/Mann, WK‑StPO § 221 Rz 28).

Soweit die Rechtsrüge (Z 11 lit a) die Beurteilung der verfahrensgegenständlichen (und in Bezug auf ihren Inhalt im Wahr‑ und Schuldspruch einzeln beschriebenen) Bilder bzw Nachrichten als „den Nationalsozialismus und Adolf Hitler verherrlichend“ mit dem hypothetisch-historischen Argument als verfehlt bezeichnet, es sei nicht davon auszugehen, dass derartige Bilder in einem nationalsozialistischen Regime als förderlich oder NS-treu bewertet worden wären, bekämpft sie im Ergebnis lediglich unzulässig die Beweiswürdigung der Geschworenen zum jeweiligen – der Feststellungsebene zuzuordnenden – Bedeutungsinhalt dieser Bilder oder Nachrichten (14 Os 126/18p; RIS‑Justiz RS0119234; vgl Lässig, WK‑StPO § 312 Rz 22).

Die weitere Rüge (Z 11 lit b) lässt die erforderliche methodengerechte Ableitung der behaupteten rechtlichen Konsequenz vermissen (RIS‑Justiz RS0116565). So bleibt gänzlich im Dunkeln, weshalb die Erfüllung des Tatbestands der Verwaltungsübertretung nach Art III Abs 1 Z 4 EGVG einer gerichtlichen Verfolgung nach § 3g VG entgegenstehen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0049613, RS0049629; Lässig in WK2 Vor Verbotsgesetz Rz 5).

Weiters legt die Beschwerde nicht dar, weshalb der Wahr‑ bzw Schuldspruch in Anbetracht der subintelligierten Unrechtsform des Vorsatzes (vgl 14 Os 126/18p; 12 Os 2/10a; RIS‑Justiz RS0113270; Lässig, WK‑StPO § 312 Rz 10) einen ausdrücklichen Ausspruch über die innere Tatseite enthalten hätte müssen.

Schließlich orientiert sich der Einwand einer unterlassenen Zusatzfrage nach der Verwirklichung des (Verwaltungsstraf-)Tatbestands des Art III Abs 1 Z 4 EGVG (inhaltlich Z 6) nicht am Verfahrensrecht, welches eine Fragestellung nach einer Verwaltungsübertretung nicht vorsieht (15 Os 20/06i; vgl auch Schindler, WK‑StPO [2002] § 317 Rz 8).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Stellungnahme der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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