European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00012.22X.0420.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung der Privatbeteiligten R* werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten * M* und der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Der Privatbeteiligten R* fallen die durch ihr Rechtsmittel verursachten Kosten zur Last.
Im Übrigen fallen dem Angeklagten * M* auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * M* des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 und 15 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er vom 26. Februar 2018 bis zum 19. März 2018 in G* und andernorts in mehreren Angriffen mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, den Geschäftsleiter der R*, * F*, sowie diesem weisungsgebundene Mitarbeiter durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, aufgrund von erteilten Mandaten zur Einziehung von Zahlungen der H* und der C* über SEPA‑Lastschrift von deren Konten auf das Konto der S* berechtigt zu sein, zur Duldung der Abwicklung von Zahlungen mittels SEPA‑Lastschrift und zur Einräumung von Vorabgutschriften aus dem Vermögen der R* auf das Konto der S* sowie zur Freigabe der und zur Duldung des Disponierens über die gutgeschriebenen Beträge durch Überweisung auf andere Konten verleitet, wodurch die R* im insgesamt 300.000 Euro übersteigenden Betrag von 3,356.999 Euro am Vermögen geschädigt wurde und von 62.394 Euro am Vermögen geschädigt werden sollte, wobei der Eintritt eines Vermögensschadens nur infolge der Rückabwicklung der Vorabgutschrift vor der geplanten Überweisung der Geldbeträge auf andere Konten teilweise unterblieb.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * M* und die (angemeldete, aber nicht ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde der Privatbeteiligten R*.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * M*:
[4] Soweit sich die Mängelrüge (Z 5) gegen die Annahme wendet, dass die Einzüge im Wege des SEPA‑Lastschriftverfahrens „ausschließlich einen kriminellen Hintergrund hatten“ und * M* „von Anfang an wusste, dass dem Ganzen kein legaler Geschäftsbetrieb zugrunde lag“, bezieht sie sich auf keinen entscheidenden Aspekt (siehe aber RIS‑Justiz RS0106268).
[5] Mit Erwägungen, wonach * M* in gleicher Weise wie die Mitarbeiter der Bank davon ausgehen konnte, dass die in Rede stehenden Beträge tatsächlich zur freien Verfügung stünden, bekämpft die Rüge die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.
[6] Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet. Soweit die Mängelrüge das eben behandelte Vorbringen „hilfsweise“ auch unter dem Gesichtspunkt des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPOgeltend macht, wird sie diesen Anforderungen nicht gerecht (RIS‑Justiz RS0115902).
[7] Nach den Feststellungen des Erstgerichts fassten * M* und eine weitere Person den in die Tat umgesetzten (US 14) Entschluss, durch die unberechtigte Vornahme von Einzügen im SEPA‑Lastschriftverfahren kurzfristig generierte Bankguthaben „abzudisponieren“ und so an Geld zu gelangen (US 8). Dabei handelte * M* mit dem zumindest bedingten Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, den Geschäftsleiter der R* über seine Berechtigung zur Vornahme von Einzügen im SEPA‑Lastschriftverfahren von entsprechend dotierten Konten der H* und der C* auf das Konto der S* zu täuschen und ihn zur Freigabe (soweit der Betrag 100.000 Euro überstieg) und zur Duldung des Disponierens über die am Konto der S* eingegangenen, von der R* aus eigenem Vermögen vorgestreckten Gutschriften zu verleiten, wodurch die R* in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurde oder geschädigt werden sollte (US 8, 14 ff, 29 f).
[8] Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite leitete das Erstgericht aus dem objektiven Tatgeschehen (US 57), aus dem Inhalt diverser E-Mails (US 61) und Chatnachrichten (US 8 FN 27) sowie aus weiteren, die Verantwortung des * M* widerlegenden Ergebnissen des Beweisverfahrens (siehe dazu insbesondere US 39 f, FN 120 und US 55) ab.
[9] Der insoweit erhobene Vorwurf fehlender und offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) orientiert sich nicht an diesen Entscheidungsgründen. Solcherart ist die Mängelrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0119370).
[10] Die Kritik an den Ausführungen des Erstgerichts, wonach * M* davon ausgegangen sei, dass „* F* in der Folge die von ihm ... geplanten Überweisungen zwecks Verbringung der Gelder ohne jegliche Prüfung freigeben wird, da er * F* auch im Glauben ließ, dass es sich um normale Überweisungen handelt“ (US 14), bezieht sich mit Blick auf die Feststellungen zur betrügerisch erlangten Befugnis, über im Wege des SEPA‑Lastschriftverfahrens lukrierte Gutschriften zu verfügen (US 8 bis 13), sowie unter Berücksichtigung der Strafbarkeit des Versuchs (§ 15 StGB) auf keinen entscheidenden Aspekt (vgl dazu auch RIS‑Justiz RS0133829).
[11] Indem die Mängelrüge aus einem angeblichen „Multiorganversagen“ der R* anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse ableitet, wendet sie sich einmal mehr nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
[12] Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen zum Schädigungsvorsatz und (nominell verfehlt aus Z 5) zur Täuschung vermisst, dabei aber die dazu getroffenen Feststellungen (US 29 f und 56) übergeht, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * M* war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Zur angemeldeten, aber nicht ausgeführten, Nichtigkeitsbeschwerde der Privatbeteiligten:
[14] Diese war ebenfalls bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, weil auch bei ihrer Anmeldung kein Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnet worden war (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 2 StPO).
Zur (nicht ausgeführten) Berufung der Privatbeteiligten:
[15] Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten * M* nach § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von 1.164.293,79 Euro an die Privatbeteiligte R* und verwies diese mit ihren darüber hinausgehenden privatrechtlichen Ansprüchen gemäß § 366 (richtig) Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg (US 3).
[16] * F* wurde mit dem angefochtenen Urteil von der Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (US 3 f). Mit ihren gegen * F* gerichteten Ansprüchen wurde die Privatbeteiligte R* gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen (US 4).
[17] Nach § 366 Abs 3 StPO steht dem Privatbeteiligten die Berufung nur im Fall der Verurteilung und der Verweisung des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg zu. In Ansehung des Angeklagten * F* fehlt es bereits an einem Schuldspruch.
[18] Eine nur gegen die Höhe der Entschädigung gerichtete Berufung des Privatbeteiligten ist im Verfahren vor dem Schöffengericht ebenfalls unzulässig (RIS‑Justiz RS0109956), womit der Privatbeteiligten auch in Ansehung des Ausspruchs betreffend den Angeklagten * M* keine Berufungslegitimation zukommt.
[19] Auch die Berufung der Privatbeteiligten war daher zurückzuweisen (§§ 296 Abs 2, 294 Abs 4 StPO).
[20] Über die Berufungen des Angeklagten * M* und der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).
[21] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 erster und zweiter Satz StPO.
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