OGH 9Ob4/22m

OGH9Ob4/22m24.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei M* G*, vertreten durch Dr. Andreas König ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei M* Z*, vertreten durch Mag. Gerlach Bachinger, Rechtsanwalt in Traun, wegen 28.186,90 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. November 2021, GZ 2 R 152/21t‑25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts Steyr vom 31. Juli 2021, GZ 9 Cg 22/20k‑21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00004.22M.0324.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile sind seit rund 20 Jahren Mitglieder des Vereins N* Österreich. Der Kläger ist seit 2008 als Hochtouren-, Skitouren- und Skihochtouren-Instruktor tätig und unternimmt und organisiert verschiedene Bergtouren; er unternahm bereits 150 Hochtouren. Der Beklagte absolvierte die Ausbildung zum Übungsleiter Hochtouren und Übungsleiter Klettern I, II und III im Juni 2017, die einschließlich der Abschlussprüfung sechs Tage dauerte. Er unternahm etwas mehr als 10 Hochtouren.

[2] Der Verein N* Österreich veranstaltete für den 16. und 17. Juli 2017 eine Begehung des Großglockners. Der Kläger organisierte diese Bergtour, die Teilnehmer meldeten sich aufgrund der Ausschreibung bei ihm an. Der Beklagte hatte damit nichts zu tun.

[3] Die Streitteile führten im Zuge dieser Bergtour jeweils eine Seilschaft, die aus fünf (jene des Klägers) bzw sechs Personen (jene des Beklagten) bestand. Nach dem problemlosen Aufstieg besprachen die Streitteile den zwischen den Teilnehmern einer Seilschaft einzuhaltenden Abstand. Sie kamen überein, dass ein Seilabstand von 5 bis 6 m ausreichend sei. Diese Abstiegsvariante war vom Kläger vorgeschlagen worden. Der Beklagte folgte diesem Vorschlag, weil er davon ausging, dass es die richtige Variante war.

[4] Beim Abstieg ging die Seilschaft des Klägers voran, die des Beklagten folgte. Die Streitteile waren die jeweils Letzten in ihrer Seilschaft. In der steilen Stirnflanke des Glocknerleitls stürzte das vorletzte Mitglied der Seilschaft des Beklagten, also jener Bergsteiger, der dem Beklagten unmittelbar voranging. Der gestürzte Bergsteiger geriet durch den eingehaltenen Zickzackweg der Seilschaft in eine Pendelbewegung, weshalb der Beklagte trotz Einsatz seines Pickels das Abrutschen der gesamten Seilschaft nicht mehr verhindern konnte. Als die Seilschaft des Beklagten auf jene des Klägers stieß, wurde der Kläger schwer verletzt.

[5] Hätte der Abstand zwischen den Teilnehmern der Seilschaft des Beklagten nur 1,5 bis 2 m und jener zwischen dem Beklagten und dem gestürzten Bergsteiger 2,5 bis maximal 3 m, jeweils bei straffem Seil, betragen, hätte der Unfall durch Abfangen des Sturzes verhindert werden können. Der Unfall hätte aber auch dann vermieden werden können, wenn der Abstieg „gestaffelt“ (Sicherung der Teilnehmer durch eine befestigte Verankerung) durchgeführt worden wäre. Ob zum Zeitpunkt des Sturzes das Seil zwischen dem Beklagten und dem gestürzten Bergsteiger straff gespannt war oder schon den Boden berührt hat, also ein sogenanntes Schlappseil vorgelegen hatte, kann nicht festgestellt werden. Der Unfall wäre aber wegen des eingetretenen Pendeleffekts auch bei straff gespanntem Seil nicht zu verhindern gewesen. Es kann auch nicht festgestellt werden, ob der Beklagte kurz unaufmerksam war. Aber selbst ohne eine kurze Spanne der Unaufmerksamkeit wäre aufgrund der großen Pendelbewegung der Unfall nicht zu verhindern gewesen. Ob ein Warnschrei des Beklagten dazu geführt hätte, dass die Seilschaft des Klägers noch hätte ausweichen und damit eine Verletzung des Klägers hätte verhindert werden können, ist nicht feststellbar.

[6] Über die umfangreichste Ausbildung im alpinen Bereich in Österreich verfügt ein Bergführer, dem folgt der Instruktor, dann erst der Übungsleiter. Die Bergführerausbildung ist eine Berufsausbildung; Instruktoren und Übungsleiter üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus.

[7] Eine grundlegende Führungstechnik im alpinen Fels- und hochalpinen Kombigelände ist „Gehen am kurzen Seil“. Dabei bewegt sich die Seilschaft gleichzeitig am gespannten, unterstützenden, aktiven Seil. Ziel dieser Führungstechnik ist es, durch erhöhte Aufmerksamkeit des Führers und extrem straff gespanntem Seil in der gesamten Seilschaft einen Absturz als Folge von Stolpern, Ausgleiten etc durch ein Mitglied der Seilschaft zu verhindern. Der Abstand zwischen den Mitgliedern einer Seilschaftmuss etwa 1,5 bis 2 m betragen, jener des Führers zum nächsten Mitglied je nach Gelände 2 bis 3 m ohne Handschlingen. Diese Technik wird unter anderem beim Begehen von Firnflanken angewandt. Nur Bergführer und Instruktoren dürfen sie anwenden, wobei die Anwendbarkeit für Instruktoren eingeschränkt ist, weil sie weniger Routine haben als Bergführer, die die Tätigkeit beruflich und nicht ehrenamtlich ausüben. Diese Technik ist nicht Teil der Ausbildung zum Übungsleiter. Immer wenn mehrere Bergsteiger gleichzeitig an einem Seil gehen, handelt es sich um diese Technik, unabhängig von den eingehaltenen Abständen zwischen den Mitgliedern der Seilschaft.

[8] Der Großglockner darf seit Oktober 2014 nur von Bergführern mit maximal drei Gästen begangen werden. Der Beklagte hätte aufgrund seiner Ausbildung die Bergtour nicht alleine führen dürfen. Der Kläger hätte darauf hinwirken müssen, dass jede Seilschaft nur mit zwei Teilnehmern geführt wird oder die Teilnehmer „gestaffelt“ geführt werden. Weiters hätte der Kläger darauf hinweisen müssen, dass der Abstand zwischen den Mitgliedern einer Seilschaft nur 1,5 bis 2 m und zwischen dem Beklagten und dem nächsten Mitglied der Seilschaft nur 2,5 bis 3 m betragen darf. Aufgrund ihrer jeweiligen Ausbildung hätten aber beide Streitteile zum einen wissen müssen, dass der Beklagte die Technik „Gehen am kurzen Seil“ nicht anwenden darf und zum anderen, wie diese Technik definiert und richtig angewandt wird.

[9] Der Klägerbegehrt vom Beklagten Schadenersatz aus Delikt. In der Klage brachte der Kläger vor, dass der Beklagte im Rahmen der Bergtour freiwillig Sorgfaltspflichten übernommen habe, die sich auch gegenüber Dritten, hier dem Kläger, entfaltet hätten. Der Beklagte hätte den Unfall verhindern können, wenn er einerseits die Abstände zwischen den Teilnehmern seiner Seilschaft reduziert hätte und andererseits – und dies sei der Hauptvorwurf – zwischen ihm und dem vor ihm absteigenden B* G* kein Schlappseil zugelassen hätte (ON 1). Vor Schluss der mündlichen Verhandlung (ON 19) behauptete der Kläger, dass der Unfall einzig darauf zurückzuführen sei, dass der Beklagte die notwendige Aufmerksamkeit auf den vor ihm gehenden und dann gestürzten Bergsteiger vermissen habe lassen und dadurch zu spät reagiert habe. Hätte der Beklagte den vor ihm gehenden Bergsteiger am gespannten Seil geführt und auf ihn geachtet, hätte er dessen Sturz noch abfangen können. Zumindest hätte der Beklagte die anderen durch Schreien warnen können.

[10] Der Beklagte wandte zunächst die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil der Kläger vor Klagseinbringung das vereinsinterne Schiedsgericht anrufen hätte müssen und beantragte die Klage zurückzuweisen. Im Übrigen bestritt der Beklagte das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Er habe weder rechtswidrig noch schuldhaft gehandelt. Das Alleinverschulden am Unfall treffe vielmehr den Kläger, der als Führer der Bergtour anzusehen sei und dessen Anweisungen er als Übungsleiter befolgt habe.

[11] Das Erstgericht fällte ein Teil-Zwischenurteil. Es stellte fest, dass das Leistungsbegehren dem Grunde nach mit einem Drittel zu Recht besteht. Das Leistungsmehrbegehren im Umfang von 18.791,27 EUR sA (entsprechend zwei Drittel) und das Feststellungsbegehren, der Beklagte hafte dem Kläger für alle zukünftigen Folgen aus dem gegenständlichen Unfall, wies es im Umfang einer Haftung von zwei Drittel ab. Den Rechtsweg erachtete es für zulässig, weil keine Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis vorliege. Mitglieder einer Bergsteigergruppe seien bei einer Bergtour im Rahmen objektiver Zumutbarkeit zu gegenseitiger Hilfeleistung und Unterstützung bei der Bewältigung alpiner Gefahren verpflichtet, wobei die Intensität der daraus konkret erfließenden Handlungspflichten von der mit der jeweiligen Situation verbundenen Schwierigkeit und Gefahr abhänge. Derartige Pflichten bestünden auch zwischen „gleichrangigen“ Gruppenmitgliedern. Am Unfall treffe beide Parteien ein Verschulden, weil sie die Technik „kurzes Seil“ falsch angewandt hätten. Die Verantwortung des Klägers wiege aufgrund seiner höheren Ausbildung und seiner weit größeren Erfahrung schwerer als jene des Beklagten, weshalb eine Verschuldensteilung von 2 : 1 zu Lasten des Klägers vorzunehmen war.

[12] Das Berufungsgericht verwarf die Berufung des Beklagten wegen Nichtigkeit. Der Rechtsweg sei zulässig, weil keine Streitigkeit im Sinne des § 8 VerG vorliege. Im Übrigen gab es der Berufung des Beklagten Folge und änderte das Teil-Zwischenurteil des Erstgerichts dahin ab, dass es einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teils (der Teilabweisung des Leistungs‑ und des Feststellungsbegehrens zu zwei Drittel) zu lauten habe, dass das Leistungsbegehren in Höhe von 28.186,90 EUR sA zur Gänze und das Begehren, es werde festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger für alle künftigen Folgen hafte, im Umfang von zwei Drittel abgewiesen wird. Dabei vertrat das Berufungsgericht die Rechtsauffassung, dass – wie auch bei der Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter – Voraussetzung dafür, dass überhaupt die Sorgfaltswidrigkeit geprüft werden könne, sei, dass ein Dritter in einen Schutzbereich eingreife und damit eine abstrakte Verhaltenspflicht übertrete, also tatbestandsmäßig handle. Welches konkrete Verhalten sorgfaltswidrig und damit rechtswidrig sei, müsse aber auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung ermittelt werden. Es sei davon auszugehen, dass die Annahme einer Haftung auch nach § 1325 ABGB stets die (vorwerfbare) Verletzung konkreter Schutz- und Sorgfaltspflichten des Verletzers gegenüber dem Verletzten voraussetze, und diese nicht schon deshalb bestünden, weil die Verletzung durch ein bestimmtes Verhalten verhindert hätte werden können. Der Beklagte habe zwar freiwillig Pflichten gegenüber den Mitgliedern seiner Seilschaft übernommen, nicht aber gegenüber dem Kläger, der besser ausgebildet und weit erfahrener sei. Es könne auch nicht angenommen werden, dass der Beklagte dadurch, dass er sich mit der vom Kläger vorgeschlagenen Abstiegsvariante einverstanden erklärt habe, bei diesem das berechtigte Vertrauen erweckt habe, er habe den Vorschlag selbst auf Übereinstimmung mit möglichen Sicherheitsanforderungen überprüft. Aufgrund der konkreten Umstände des Falls könnten die den Beklagten gegenüber den Mitgliedern seiner Seilschaft treffenden Schutz- und Sorgfaltspflichten nicht auf den Kläger erstreckt werden.

[13] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zur weiteren Klärung des Bestehens und der Reichweite von Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit freiwilliger Pflichtenübernahme, im Besonderen im Zuge einer Vereinssportausübung, zugelassen.

[14] Der Kläger wendet sich in seiner Revision gegen die gänzliche Abweisung des Leistungsbegehrens und strebt die Wiederherstellung des Teil‑ bzw Zwischenurteils des Erstgerichts dahingehend an, dass dem Leistungsbegehren, der Beklagte sei schuldig 28.186,90 EUR sA zu zahlen dem Grunde nach im Ausmaß von einem Drittel stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

[15] Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[16] 1. Die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs ist – entgegen der Rechtsansicht des Beklagten in seiner Revisionsbeantwortung – nicht zu prüfen. Die Zulässigkeit des Rechtswegs wurde vom Berufungsgericht ausdrücklich bejaht (RS0035572 [T9]; RS0039799 [T4]).

[17] 2. Die vom Revisionswerber behauptete Aktenwidrigkeit und (in eventu) Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Wenn das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhalts zum Ergebnis kommt, dass der Kläger die Bergtour „führte“ und der Beklagte es nicht übernommen hat, die Mitglieder seiner Seilschaft selbständig und nach seinem Gutdünken zu sichern, sondern dieser aus einem Gefallen bei der Sicherung der vom Kläger als Instruktor geführten Bergsteigergruppe als Übungsleiter mitgeholfen hat, handelt es sich nicht um eine unrichtige Wiedergabe von Feststellungen des Erstgerichts oder einem Abgehen vom festgestellten Sachverhalt, sondern um eine (allenfalls unrichtige) rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts. Ein Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz und damit eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt daher ebenfalls nicht vor.

[18] 3.1.1. Dass sich besondere Sorgfaltspflichten nicht nur aus der Übernahme einer „Führerrolle“, sondern ganz allgemein aus der Übernahme von Pflichten ergeben können, hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 6 Ob 91/12v (Pkt 2.3.) unter Bezugnahme auf Stabentheiner, Zum Tourenführer aus Gefälligkeit, JBl 2000, 273 [284] (EvBl 2013/23 [Denk] = ZVR 2013/123 [Kocholl]) ausgesprochen. Danach entstehen in einer Bergsteigergruppe Schutz- und Sorgfaltspflichten der Gruppenmitglieder füreinander nicht erst durch die Bejahung der Führerqualität bei einem oder mehreren Gruppenmitgliedern. Sie bestehen vielmehr auch unabhängig vom Vorhandensein eines Führers. Die Mitglieder einer Bergsteigergruppe sind demnach bei der Bergtour im Rahmen objektiver Zumutbarkeit zu gegenseitiger Hilfeleistung und Unterstützung bei der Bewältigung alpiner Gefahren verpflichtet, wobei die Intensität der daraus konkret erfließenden Handlungspflicht von der mit der jeweiligen Situation verbundenen Schwierigkeit und Gefahr abhängt. Derartige Pflichten können somit auch zwischen „gleichrangigen“ Gruppenmitgliedern bestehen.

[19] 3.1.2. Im Übrigen werden schon aus der allgemeinen Rechtspflicht, die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum eines anderen nicht zu gefährden, Sorgfaltspflichten und Verkehrssicherungspflichten abgeleitet (RS0023559 [T9]; RS0022946 [T10]).

[20] 3.1.3. Betrachtet man nun die vom Kläger für den Verein N* Österreich organisierte Bergtour in seiner Gesamtheit, dann ist davon auszugehen, dass jeden Teilnehmer der Bergtour gegenüber den anderen Teilnehmern gewisse Sorgfaltspflichten treffen, um einen Schaden an deren Gesundheit zu vermeiden. Dass bei einer Bergtour, die – wie hier – aus mehreren Seilschaften besteht, nicht nur der „Führer“ der Bergtour gegenüber allen Teilnehmern dieser Bergtour eine Verantwortung trägt, sondern darüber hinaus auch dem „Führer“ jeder einzelnen Seilschaft zusätzlich Pflichten gegenüber den Mitgliedern seiner Seilschaft treffen, ist von den Sorgfaltspflichten jedes einzelnen Teilnehmers unabhängig.

[21] 3.2. Diese Grundsätzen werden auch in der Revision des Klägers nicht in Frage gestellt. Die Revision meint jedoch, dass der Beklagte seine ihm objektiv zumutbare Sorgfaltspflicht dadurch verletzt habe, dass er den Kläger nicht auf die Untauglichkeit der gemeinsam besprochenen Abstiegsvariante hingewiesen habe. Gegebenenfalls hätte der Beklagte für seine Seilschaft die Abstiegsvariante ändern müssen. Der Beklagte habe nämlich aufgrund seiner Ausbildung zum Übungsleiter und seiner Erfahrungaus mehr als zehn Hochtouren über Sonderwissen verfügt und er hätte auch wissen müssen, dass die gemeinsam besprochene Abstiegsvariante falsch angewendet worden sei.

[22] 3.3. Damit zeigt der Revisionswerber aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Beurteilung, ob der Schädiger seine ihm objektiv zumutbare Sorgfaltspflicht verletzt hat, hängt regelmäßig von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und schließt eine für zukünftig zu beurteilende Sachverhalte richtungsweisende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus (RS0042742). Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist im Ergebnis nicht korrekturbedürftig.

[23] 3.4. Im Anlassfall sind folgende Umstände maßgebend: Die Führungstechnik „Gehen am kurzen Seil“ war nicht Teil der Ausbildung des Beklagten als Übungsleiter, hingegen jener des Klägers als Instruktor. Der Kläger als Organisator der Bergtour hätte wissen müssen, dass der Großglockner seit Oktober 2014 nur von Bergführern mit maximal drei Teilnehmern begangen werden darf. Richtig ist zwar, dass nach den Feststellungen beide Seilschaftsführer, also sowohl der Kläger als auch der Beklagte, wissen hätten müssen, dass der Beklagte als Übungsleiter die Technik „Gehen am kurzen Seil“ nicht einsetzen hätte dürfen und dass diese Technik beim Abstieg auch falsch angewandt wurde. Von einem „Sonderwissen“ des Beklagten, also ein Wissen, das der Kläger nicht gehabt hat, kann hier aber nicht die Rede sein. Der Vorschlag zur konkreten Abstiegsvariante mit einem Seilabstand zwischen den Teilnehmern von 5 bis 6 m kam vom Kläger selbst, der die Führungstechnik „Gehen am kurzen Seil“ in seiner Ausbildung zum Instruktor erlernt hat. Da der Kläger zudem wusste, dass der Beklagte diese Technik gar nicht einsetzen hätte dürfen, durfte er auch die Zustimmung des Beklagten zu der von ihm vorgeschlagenen Abstiegsvariante nicht als Bestätigung deren Richtigkeit verstehen und darauf vertrauen. Es wäre eine Überspannung der dem Beklagten zumutbaren Sorgfaltspflichten, ginge man davon aus, dass der Beklagte in der konkreten Situation für seine Seilschaft eine andere, als jene vom Kläger als Führer der Bergtour und besser ausgebildeten Bergsteiger vorgeschlagene und auch von diesem für seine Seilschaft angewandte Abstiegsvariante wählen hätte müssen. Letztlich handelte der Kläger auf eigene Gefahr, weil er sich der ihm bekannten, wenn auch vom Beklagten geschaffenen Gefahr, ausgesetzt hat (vgl RS0023006).

[24] Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war daher die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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