OGH 12Os22/22k

OGH12Os22/22k2.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari und Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin OKontr. Kolar in der Strafsache gegen * E* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 31 HR 41/22g des Landegerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 9. Februar 2022, AZ 6 Bs 25/22k, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00022.22K.0302.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Im zu AZ 2 St 23/22m der Staatsanwaltschaft Innsbruck anhängigen Ermittlungsverfahren gegen (unter anderem) * E* fasste die Einzelrichterin des Landesgerichts (§ 31 Abs 1 Z 2 StPO) am 29. Jänner 2022 den Beschluss auf Verhängung der Untersuchungshaft über den Genannten aus dem Haftgrund der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 2 und Z 3 lit a StPO (ON 13).

[2] Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft wegen des dringenden Verdachts (jeweils) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG und des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG aus den vom Erstgericht herangezogenen Haftgründen mit Wirksamkeit bis zum 9. März 2022 fort (ON 23).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten, in der eine Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit durch die vom Beschwerdegericht „ausgesprochene“ Haftfrist geltend gemacht wird (ON 24).

[4] Die Beschwerde übersieht dabei aber, dass der Mitteilung über den Tag des Endes der aktuell laufenden Haftfrist bloß deklarative Bedeutung zukommt. Denn das Ende dieser Frist ergibt sich aus dem Gesetz und wird nicht durch die Entscheidung des Beschwerdegerichts konstitutiv festgelegt (RIS‑Justiz RS0097630). Hier gar nicht vorliegende Fehler in dessen Bezeichnung weisen demnach keine Grundrechtsrelevanz auf (RIS‑Justiz RS0109708; Kier in WK² GRBG § 2 Rz 108).

[5] Aus Gründen der Vollständigkeit sei zum Einwand, aufgrund der durch § 35 Abs 3a erster Satz JGG ausgeschlossenen Anwendung der §§ 174 Abs 4 und 175 Abs 5 StPO löse die Beschwerdeentscheidung keine Haftfrist aus, festgehalten, dass das Oberlandesgericht (auch) im Fall von Beschwerden gegen die Verhängung der Untersuchungshaft stets in der Sache zu entscheiden hat (§ 89 Abs 2b erster Satz StPO; vgl Tipold, WK-StPO § 89 Rz 8 ff [im gegebenen Zusammenhang insbes Rz 9]). Zufolge Verzichts auf eine § 179 Abs 6 StPO idF vor BGBl I 2004/19 entsprechende Regelung ist Prozessgegenstand von Entscheidung in der Sache bei erfolgter Verhängung der Untersuchungshaft deren Fortsetzung (vgl RIS‑Justiz RS0116421, RS0110146 [T12, T18]; Nimmervoll, Haftrecht³Rz 1306 ff). Dieses dem Haftsystem insgesamt zugrundeliegende Verständnis (vgl in Bezug [auch] auf die Verhängung der Untersuchungshaft ErläutRV 981 BlgNR 24. GP  92) wird nicht durch § 174 Abs 4 StPO angeordnet, sondern knüpft diese Bestimmung daran an.

[6] Demnach hat sich das Oberlandesgericht im Fall der Beschwerde gegen die Verhängung der Untersuchungshaft über einen jugendlichen Beschuldigten nicht bloß auf eine Gesetzmäßigkeitsprüfung zu beschränken (aA Jesionek/Edwards/Schmitzberger, JGG5 § 35 Rz 60.2), sondern hat es in der Sache selbst über die Fortsetzung der Untersuchungshaft (maW über die Haft) zu entscheiden. Da die (gegenüber § 175 Abs 2 StPO spezielle) Regelung des § 174 Abs 4 StPO gemäß § 35 Abs 3a erster Satz JGG (auch im Ermittlungsverfahren [Schroll in WK² JGG § 35 Rz 22 mwN]) nicht anzuwenden ist, löst ein auf Fortsetzung der Untersuchungshaft lautender Beschluss des Beschwerdegerichts die jeweilige Haftfrist des § 175 Abs 2 StPO aus, hier also jene der Z 2 leg cit (vgl 12 Os 139/16g; Nimmervoll, Zu den Haftfristen im Kontext erhobener Haftbeschwerden, JSt 2018, 364 [368];aA Schroll in WK² JGG § 35 Rz 22 f, wonach bei einer für den Beschuldigten negativen Beschwerdeentscheidung keine neue Frist beginnt, sondern die zuletzt [gemeint offenbar durch die Beschlussfassung des Erstgerichts] gesetzlich ausgelöste Frist weiterläuft; in diesem Sinne auch Jesionek/Edwards/Schmitzberger, JGG5 § 35 Rz 60.2, die aber im Fall der Beschwerde gegen die Fortsetzung der Untersuchungshaft die Anwendung des § 174 Abs 4 zweiter Satz StPO für zulässig erachten).

[7] Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

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