OGH 8ObA7/22w

OGH8ObA7/22w22.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Mag. Klaus Hanten, Mag. Clemens Kurz, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei E* GmbH, *, vertreten durch Mag. Manfred Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 30.443,37 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. August 2021, GZ 7 Ra 77/21a‑18, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21. Dezember 2021, GZ 7 Ra 77/21a‑23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00007.22W.0222.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] 1. Nach den Feststellungen unterfertigten Anfang 2003 alle damals in einem aufrechten Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehenden Mitarbeiter, darunter der Kläger, sowie die Beklagte eineschriftliche – mit „betriebliche Mitarbeitervorsorge, Vereinbarung über einen Vollübertritt ('Übertragung') titulierte – Übertrittsvereinbarung im Sinn des § 47 Abs 3 BMSVG. Dem Kläger war bei der Unterfertigung dieser Vereinbarung bewusst, dass er Ansprüche nach dem System „Abfertigung Neu“ erwirbt und keine Abfertigungsansprüche nach dem „alten“ System hat.

[2] Davon ausgehend wiesen die Vorinstanzen das auf die Zahlung einer „Abfertigung Alt“ gerichtete Klagebegehren übereinstimmend ab.

[3] 2. In seiner außerordentlichen Revision behauptet der Kläger unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, die Vorinstanzen hätten die Beweislastverteilung falsch angewendet, weil die Beklagte die Beweislast für die Echtheit seiner Unterschrift auf der Übertrittsvereinbarung zu tragen habe.

Rechtliche Beurteilung

[4] Bereits das Berufungsgericht hat dem Kläger entgegengehalten, dass die Beweislastverteilung erst und nur dann zum Tragen kommt, wenn ein Beweis für die strittige, entscheidungswesentliche Tatsache nicht erbracht werden kann (RIS‑Justiz RS0039875). Bei Vorliegen entsprechender Sachverhaltsfeststellungen – wie hier – bedarf es nicht der Anwendung von Beweislastregeln (RS0039875 [T4]).

[5] 3. Im Übrigen richten sich die Ausführungen des Klägersausschließlich gegen die Beweiswürdigung derTatsacheninstanzen, die im Revisionsverfahren nicht mehr angefochten werden kann. Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RS0043150 [T8]; RS0043371 [T28]).

[6] Der Revisionswerber meint, die Grundsätze eines fair trial im Sinn des Art 6 Abs 1 EMRK seien zu seinen Lasten negiert worden, weil die Vorinstanzen vom Abschluss einer schriftlichen Übertrittsvereinbarung zwischen ihm und der Beklagten ausgegangen seien, obgleich diese Vereinbarung im Verfahren von der Beklagten nicht mehr vorgelegt werden konnte. Ihm sei – mangels Vorliegens der Urkunde – auch verwehrt gewesen, die Echtheit seiner angeblichen Unterschrift einer sachverständigen Prüfung zu unterziehen.

[7] Mit dem Argument, dass ein Urteil nicht ausschließlich auf ein Beweismittel gestützt werden dürfe, welches weder vom Gericht geprüft noch ihm als Verfahrenspartei zugänglich gemacht worden sei, übersieht der Kläger, dass die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen nicht auf der nicht mehr vorhandenen schriftlichen Vereinbarung aus dem Jahr 2003 fußt, sondern auf den Aussagen von Zeugen und anderen Urkunden, zu denen der Kläger sehr wohl gehört wurde und die auf die Existenz dieser Vereinbarung schließen lassen. Das Erstgericht hat eingehend begründet, warum es – trotz des Umstands, dass die Beklagte die konkret vom Kläger unterfertigte Urkunde nicht mehr vorzulegen vermochte – diesen Beweismitteln und nicht den Angaben des Klägers Glauben geschenkt hat. Das Berufungsgericht wiederum hat sich mit der Beweisrüge des Klägers befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und in seinem Urteil festgehalten (vgl RS0043150). Allein darin, dass das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung die Beweismittel einer Verfahrenspartei für überzeugender als die der Gegenseite hält, liegt jedenfalls keine Grundrechtsverletzung.

[8] 4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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