OGH 8ObA92/21v

OGH8ObA92/21v17.12.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I* Ö*, vertreten durch Dr. Ulrich Schwab und Dr. Georg Schwab, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei T* GmbH, *, vertreten durch Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 8.249,34 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 22. September 2021, GZ 11 Ra 52/21b‑15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 29. April 2021, GZ 10 Cga 87/20f‑11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00092.21V.1217.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger war vom 23. 1. 2017 bis 31. 8. 2020 als Produktionsmitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für Arbeiter in der Metallindustrie.

[2] Vom 1. 4. 2020 bis (zunächst) 30. 6. 2020 und anschließend bis 30. 9. 2020 wurde zwischen den Streitteilen Kurzarbeit auf Grundlage der „Sozialpartnervereinbarung/Einzelvereinbarung“ zur „Corona‑Kurzarbeit“ vereinbart. Dieses Vertragswerk enthält unter anderem folgende Bedingungen:

2. Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes

a) während der Kurzarbeitsbeihilfe Der/die ArbeitgeberIn ist verpflichtet, jenen Beschäftigtenstand im Betrieb aufrecht zu erhalten, der zum Zeitpunkt des Geltungsbeginns der Kurzarbeitsvereinbarung (Punkt 1) bestanden hat (Behaltepflicht). (...)

b) Nach der Kurzarbeit

Die Dauer der Behaltepflicht nach Ende der Kurzarbeit beträgt einen Monat.

(...)

c) die Behaltepflicht nach Kurzarbeit bezieht sich nur auf ArbeitnehmerInnen, die von Kurzarbeit betroffen waren.

Gemeinsame Bestimmungen:

Kündigungen dürfen frühestens nach Ablauf der Behaltepflicht ausgesprochen werden (...). Die Kündigung von Arbeitsverhältnissen aus personenbezogenen Gründen und das Recht zum vorzeitigen Austritt ist unbenommen. In diesen Fällen ist der Beschäftigtenstand aufzufüllen.

[3] Die Beklagte kündigte das Dienstverhältnis des Klägers am 26. 6. 2020 unter Einhaltung einer zweimonatigen Frist zum 31. 8. 2020.

[4] Der Kläger begehrt Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 1. 9. bis  31. 12. 2020. Er hätte nach der geschlossenen Kurzarbeitsvereinbarung frühestens nach Ablauf der Behaltepflicht gekündigt werden dürfen. Persönliche Kündigungsgründe seien nicht vorgelegen.

[5] Die Beklagte wandte ein, die „Sozialpartnervereinbarung/Einzelvereinbarung“ enthalte keinen Verzicht auf das Kündigungsrecht des Arbeitgebers. Der Kläger sei außerdem aus personenbezogenen Gründen, nämlich wegen mangelhafter Arbeitsleistung, gekündigt und die Auffüllverpflichtung erfüllt worden.

[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[7] Aus den Bedingungen der „Sozialpartner/Einzelvereinbarung“ ergebe sich grundsätzlich kein individueller Bestandschutz zugunsten des Arbeitnehmers. Aus welchen Gründen der Kläger gekündigt wurde, sei somit für das Ergebnis nicht relevant.

[8] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil der Auslegung der „Sozialpartner/Einzelvereinbarung“ zur „Corona‑Kurzarbeit“ im Hinblick auf die Frage, ob aus dieser ein besonderer Kündigungsschutz abzuleiten sei bzw ob dem Arbeitnehmer bei Verstoß dagegen ein Anspruch auf Kündigungsentschädigung zustehe, aufgrund der Vielzahl derartiger abgeschlossener Vereinbarungen eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil bereits Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs über die hier maßgeblichen Rechtsfragen vorliegen.

[10] Die Begründung der Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

[11] 1. Zur Frage eines besonderen Kündigungsschutzes aufgrund der Behaltefristklauseln der „Sozialpartner/Einzelvereinbarung“ zur „Corona‑Kurzarbeit“ hat der erkennende Senat in den Rechtssachen 8 ObA 48/21y und 8 ObA 50/21t ausgeführt, dass der Zweck dieser Regelung in der Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes besteht, zumal die Möglichkeiten einer Kündigungsanfechtung nach § 105 ArbVG auch während und nach der Kurzarbeit unberührt bleiben. Aus den Bestimmungen des § 37b AMSG iVm der Regelung des Punktes IV Abs 2 lit a bis c der ersten Sozialpartner/Kurzarbeitsvereinbarung ergibt sich keine Unwirksamkeit einer während der Kurzarbeit oder der anschließenden Behaltefrist ausgesprochenen Kündigung. Ebensowenig resultiert daraus eine Änderung der Kündigungsfristen und -termine.

[12] 2. Auch aus dem Umstand, dass der Kläger die Vereinbarung mitunterfertigt hat und diese für die Konstellation des Fehlens eines Ausnahmefalls anordnet, dass Arbeitgeberkündigungen frühestens nach Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen werden dürfen, ist bei der gebotenen, den Förderungszweck und die Grundlage, Mehrparteienvereinbarung berücksichtigenden Interpretationen nicht die Unwirksamkeit einer dennoch ausgesprochenen Kündigung abzuleiten (8 Ob 50/21t; vgl auch 8 ObA 60/21p).

[13] In der Revision des Klägers werden keine Gründe geltend gemacht, die zu einer Abweichung von dieser rechtlichen Beurteilung Anlass geben könnten. Sie ist daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[14] Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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