OGH 4Ob49/21s

OGH4Ob49/21s16.12.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Matzka und die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der Kläger 1. S* S*, 2. H* H*, beide vertreten durch Dr. Gerhard Taufner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die Beklagte R* GmbH, *, vertreten durch Dr. Heinz Häupl Rechtsanwalts GmbH in Nussdorf, wegen (zuletzt) 60.000 EUR sA, über die Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Dezember 2020, GZ 12 R 46/20b‑20, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Februar 2020, GZ 53 Cg 2/19g‑15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00049.21S.1216.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

Begründung:

[1] Die Kläger begehren von der Beklagten die Zahlung von (zuletzt) 60.000 EUR sA. Sie stützten sich auf § 2 UWG (auch iVm § 1295 Abs 1 ABGB bzw § 1311 ABGB) und brachten dazu vor, sie seien Opfer eines Diebstahls in ihrer Privatwohnung geworden, in der sich ein von der Beklagten in Verkehr gebrachter Safe befunden habe. Zum Zeitpunkt des Diebstahls habe sich ein Betrag von mehr als 60.000 EUR an Bargeld im Safe befunden. Für die Kläger sei für den Ankauf gerade dieses Safes wichtig gewesen, dass er die Sicherheitsklasse EN‑1 laut den Bedingungen ihrer Versicherung erfülle, um so auf eine Versicherungssumme von 60.000 EUR für darin verwahrtes Geld bzw Wertgegenstände zu kommen. Auf der vom Zweitkläger konsultierten Website der Beklagten sei der (von den Klägern später im Fachhandel angekaufte) Safe so beschrieben worden, dass er die Sicherheitsstufe EN‑1 nach CSN EN 1 1143‑1 erfülle. Auch seine Verpackung weise die Information auf, dass der Safe auf EN‑1 geprüft sei. Auf dem Safe selbst befinde sich eine Plakette, die unter dem Titel „Resistance Grade“ die Information „1/CSN EN 1 1143‑1: 2013“ enthalte. Die Kläger seien aufgrund dieser Angaben der Beklagten davon ausgegangen, dass der Safe tatsächlich die Sicherheitsklasse EN‑1 aufweise. Die Deckung des den Klägern durch den Einbruch entstandenen Schadens sei von der Haushaltsversicherung aber mit der Begründung abgelehnt worden, der Safe entspreche nicht der Sicherheitsklasse EN‑1. Die Kläger hätten daraufhin ihre Haushaltsversicherung geklagt. Der im Gerichtsverfahren bestellte Sachverständige sei zum Ergebnis gekommen, dass die Plakette, die die Sicherheitsstufe EN‑1 ausweise, zu Unrecht auf dem Safe angebracht worden sei. Die Klage sei daher abgewiesen worden. Tatsächlich erfülle der Safe die Sicherheitsklasse EN‑1 nicht. Die Bezeichnung eines nicht durch den VSÖ zugelassenen Schranks mit einer VSÖ Sicherheitsklasse sei nicht korrekt und irreführend. Darauf sei die Beklagte bereits von mehreren Seiten hingewiesen worden, noch bevor die Kläger überhaupt den klagsgegenständlichen Safe gekauft hätten, sie habe ihre falschen Angaben aber nicht geändert. Die Vorgehensweise der Beklagten sei als irreführende Geschäftspraktik zu qualifizieren. Die Kläger hätten von ihrer Haushaltsversicherung nach dem Diebstahl 60.000 EUR ersetzt erhalten, wenn der Safe tatsächlich der Sicherheitsklasse EN‑1 entsprochen hätte bzw ein entsprechendes Überzertifikat des VSÖ vorgelegen hätte. Den Klägern sei daher durch die falschen Informationen der Beklagten im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen des Safes ein Schaden in Höhe des Klagsbetrags entstanden. Dabei handle es sich um die Deckungssumme für Geld und Geldeswert, die die Kläger von der Haushaltsversicherung lukriert hätten, wenn der Safe der Sicherheitsstufe EN‑1 entsprochen hätte. Da ihr Vertragspartner (Verkäufer des Tresors) nicht mehr existiere, seien den Klägern vertragliche Ansprüche verwehrt.

[2] Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, sie habe den Tresor korrekt beworben, insbesondere habe sie niemals behauptet, der Tresor sei VSÖ‑zertifiziert. Dass die Versicherung den Klägern einen Eintritt in den Schadensfall verweigert habe, habe nichts mit einer unzutreffenden Bewerbung des Tresors durch die Beklagte zu tun, sondern damit, dass diese Versicherung Zertifizierungen fordere, die der Tresor eben nicht aufweise, aber auch nicht aufweisen müsse. Eine VSÖ‑Zertifizierung sei von der Beklagten nie behauptet worden. Die Zertifizierung EN‑1 1143‑1:2013 könne auch durch andere Prüfinstitute erfolgen, so eben durch das von der Beklagten herangezogene tschechische Institut SZU. Unzutreffend sei, dass die Bezeichnung EN 1 zwingend auf eine VSÖ‑Zertifizierung hinweise; EN 1 sei eine gängige Bezeichnung für den Widerstandsgrad 1 des Tresors, unabhängig von dem diesen Widerstandsgrad feststellenden Institut. Tatsächlich sei die Widerstandsfähigkeit nach EN 1143‑1:2013 (europäische Norm) geprüft worden, die Bezeichnung am Tresor sei also korrekt. Die Kläger hätten das Verfahren gegen die Haushaltsversicherung nicht verloren, weil der Tresor nicht VSÖ‑zertifiziert sei, sondern weil die Versicherungsbedingungen verlangten, dass der Tresor über 250 Kilogramm wiege oder ein versperrbarer Mauersafe sei; die Frage der VSÖ‑Zertifizierung sei für den Ausgang des Verfahrens daher völlig irrelevant gewesen. Zudem hätten die Kläger einen bloßen Vermögensschaden erlitten, der im Rahmen einer deliktischen Haftung nicht zu ersetzen sei. Da die Beklagte eine GmbH sei, wäre ein Verschulden ihrer Repräsentanten erforderlich; ein solches liege nicht vor und sei von den Klägern auch nicht behauptet worden.

[3] Das Erstgericht wies die Klage auf Basis des erstatteten Klagsvorbringen aus rechtlichen Gründen ab, ohne Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Im Schrifttum werde die Frage, ob Verbraucher Schadenersatzansprüche aus dem UWG geltend machen könnten, unterschiedlich beurteilt; das Erstgericht schließe sich jenen Lehrmeinungen an, die einen auf § 2 UWG iVm § 1 Abs 1 UWG gestützten Schadenersatzanspruch des Verbrauchers verneinen.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, da es bei der Beurteilung der Frage der Aktivlegitimation des Verbrauchers zur Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs wegen eines Wettbewerbsverstoßes nach § 1 Abs 1 Z 2 iVm § 2 UWG von der Entscheidung 4 Ob 53/98t abgewichen sei.

[5] Gegen diese Entscheidung richtet sich die – von der Beklagten beantwortete – Revision der Kläger mit dem Antrag, der Klage stattzugeben; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Revision ist zulässig; zu klären ist, ob die Rechtsprechung zu 4 Ob 53/98t nach Änderung der Rechtslage durch die UWG‑Nov 2007 (Umsetzung der RL‑UGP) und trotz der daran in Teilen des Schrifttums geübten Kritik aufrecht zu bleiben hat. Das Rechtsmittel ist im Sinne seines Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

[7] 1.1.1. Der Senat hat in der Entscheidung 4 Ob 53/98t = SZ 71/36 zum ersten (und bisher einzigen) Mal die aktive Klagelegitimation eines Verbrauchers bejaht, der infolge einer wettbewerbswidrigen Handlung einen Vermögensschaden erlitten hat.

[8] 1.1.2. Dieser Entscheidung lag ein von der beklagten Versandhändlerin veranstaltetes Gewinnspiel zu Grunde, zu dem die Beklagte einer Verbraucherin (die in der Folge den behaupteten Schadenersatzanspruch an die Klägerin gemäß § 55 Abs 4 JN abgetreten hat) einen Warenkatalog samt Gewinnspielunterlagen zusandte. In diesen wurde der Eindruck erweckt, die Zedentin habe bereits einen BMW Cabrio gewonnen. Nachdem die Beklagte – trotz Beiziehung eines Rechtsanwalts durch die Zedentin – die Herausgabe des Gewinns schriftlich abgelehnt hatte, begehrte die Klägerin von der Beklagten Zahlung von 1.200 ATS sA mit dem Vorbringen, die Zedentin habe diesen Betrag für anwaltlichen Rat im Zusammenhang mit dem ablehnenden Schreiben der Beklagten aufwenden müssen. Diesen Aufwand habe die Beklagte durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten, nämlich die Irreführung dahin, die Zedentin habe den Hauptpreis eines Gewinnspiels gewonnen, verursacht, sodass sie zum Ersatz verpflichtet sei. Der Zedentin und damit auch der Klägerin stünde ein auf die Verletzung der Bestimmungen der §§ 1, 2 UWG gestützter Schadenersatzanspruch deshalb zu, weil das von der Beklagten veranstaltete Gewinnspiel als zur Irreführung geeignet gegen § 2 UWG verstoße und darüber hinaus die Teilnehmer unter psychischen Kaufzwang setze; dies begründe die Rechtswidrigkeit des Handelns der Beklagten. Die Bestimmungen des UWG seien auch Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB zugunsten der Verbraucher. Darüber hinaus ergäbe sich ein Klageanspruch auch aus § 874 ABGB, habe doch die Beklagte im Vorfeld der Aufnahme vertraglicher Beziehungen Schutzpflichten gegenüber potentiellen Vertragspartnern verletzt.

[9] 1.1.3. Der Oberste Gerichtshof gab dem (von den Vorinstanzen abgewiesenen) Klagebegehren statt: Bei Schadenersatzverpflichtungen aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis (culpa in contrahendo) ist der Vertrauensschaden (negatives Vertragsinteresse) zu ersetzen. Die Beklagte hat gegenüber der Zedentin den irreführenden Eindruck erweckt, diese habe den ersten Hauptpreis gewonnen, und deren Irrtum nicht vor Inanspruchnahme anwaltlichen Rates durch die Zedentin aufgeklärt. Auch ein Verstoß der Beklagten gegen das UWG ist zu bejahen und liegt in der Herbeiführung einer Situation, in der die Adressaten der Gewinnspielunterlagen unter psychologischen Kaufzwang gerieten, weil sie den Gewinn mittels einer Anforderungskarte abfordern müssen, die gleichzeitig als Bestellschein für Waren der Beklagten verwendet werden kann.

[10] 1.1.4. Der Senat hielt die Argumente im Schrifttum für überzeugend, dass auch ein Verbraucher, der das Opfer unlauteren Wettbewerbs geworden ist, Schadenersatzansprüche nach dem UWG gegen den unlauteren Wettbewerber besitzt. Diese Auffassung wird vor allem in einer eingehenden Untersuchung von Sack (in Kramer/Mayrhofer ua, Konsumentenschutz im Privat- und Wirtschaftsrecht 99 ff) vertreten, der dabei ansetzt, dass der Gesetzgeber durch die Novellierung des UWG von 1971 (mit der das Verbot täuschender Werbung durch § 2 UWG erweitert wurde) klargestellt hat, dass das UWG auch einen wettbewerbsbezogenen Schutz des Verbrauchers bezweckt; in den Erläuternden Bemerkungen [243 BlgNR 12. GP  3] wird auf die Leitgedanken verwiesen, den Schutz der Mitbewerber vor unlauterem Wettbewerb zu verstärken, eine bessere Transparenz des Marktes zu bewirken und damit auch dem Konsumentenschutz zu dienen. Durch die Zuerkennung der Klagelegitimation an die in § 14 UWG genannten Verbände soll erkennbar gewährleistet werden, dass neben den Interessen der Mitbewerber auch Konsumenteninteressen Berücksichtigung finden. Allein nach dem Wortlaut des UWG kommen Verbraucher-Individualklagen durchaus in Betracht, ist doch darin die Aktivlegitimation (mit Ausnahme des Unterlassungsansprüche betreffenden § 14 UWG) nicht geregelt. Es ist zu bejahen, dass das UWG auch den Schutz des einzelnen Verbrauchers vor rechtswidrigem Wettbewerb bezweckt; damit ist es nur konsequent, ihm als Opfer unlauteren Wettbewerbs auch Individualansprüche nach diesem Gesetz einzuräumen. Koppensteiner (Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 § 34 Rz 56) schließt sich diesem von Sack gewonnenen Ergebnis an. Die Frage, ob die Normen des UWG allenfalls Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB sind, musste der Senat nicht mehr beantworten.

[11] 1.2. Preiss (in MuR 1998, 78) bezeichnet diese Entscheidung als „kleine Sensation“ und stimmt ihr im Ergebnis jedenfalls zu. § 14 UWG, auf den das Erstgericht seine abweisende Entscheidung gestützt habe, sei eine Spezialregelung für Unterlassungsansprüche mit dem Zweck, die Klagebefugnis für den Unterlassungsanspruch wegen bestimmter Wettbewerbsverstöße etwa auf den Mitbewerber ohne konkrete Gefährdung oder auf Verbände auszudehnen. Für Schadenersatzansprüche darin nicht erwähnter Personen sei aus dieser Bestimmung nichts zu gewinnen. Den möglichen Gegenargumenten, das UWG wolle nur das Verhältnis zwischen Konkurrenten regeln, konsumentenschutzrechtliche Zwecke sollten nur die Konsumenten in ihrer Gesamtheit und nicht individuell schützen, und die Einräumung einer Klagebefugnis für den einzelnen Konsumenten führte zu einer unerwünschten Anspruchshäufung gegen wettbewerbswidrig handelnde Unternehmer mit dem vom Gesetzgeber unerwünschten Ergebnis einer Popularklage, hält er entgegen, dass sich das UWG spätestens mit der Novelle 1971 zu einem Konsumentenschutzgesetz gewandelt habe, dass individuelle Schadenersatzansprüche von der Steuerungsfunktion einer Verbandsklage nicht umfasst seien, und dass die Gefahr einer Popularklage angesichts des Erfordernisses eines konkreten Schadens des Anspruchstellers als Filter nicht bestehe.

[12] 1.3. Langer (in ÖBl 1998, 195) verweist in seiner zustimmenden Glosse darauf, dass bereits Kadečka (Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb [1924] 45 f) zum Ergebnis des Obersten Gerichtshofs gelangt sei. Im Anschluss an den von Koppensteiner (Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 § 3 Rz 30f mwN) konstatierten Funktionswandel des UWG von einer rein „individualrechtlichen“ zu einer „sozialrechtlichen“ Zielsetzung zieht er den Größenschluss, wenn schon vor den UWG‑Novellen 1971 und 1980 auf das UWG gestützte Schadenersatzansprüche von Verbrauchern zu bejahen waren, müsse dies umso mehr in einem „konsumentenorientierten“ UWG gelten. § 16 Abs 1 UWG setze die Klagelegitimation bereits voraus. Während Unterlassungsansprüche auch „abstrakt“ (also ohne Beeinträchtigung der Rechtsposition des Klägers) bestehen könnten, liege es schon in der Natur der Sache, dass nur der tatsächlich Geschädigte auf Schadenersatz klagen könne, weshalb bei Schadenersatzansprüchen die Gefahr einer Prozessflut (die gegen die Zulassung der Popularklage für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche spräche) nicht bestehe.

[13] 1.4. Der Mangel an Folgeentscheidungen zu 4 Ob 53/98t lässt sich zum einen damit begründen, dass der mit der KSchG‑Nov 1999 eingeführte § 5j KSchG für irregeführte Verbraucher nunmehr einen gerichtlichen Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsschadens bei Gewinnzusagen eines Unternehmers normiert; in den Materialien wird dabei ausdrücklich auf die genannte Entscheidung Bezug genommen, ohne die Aktivlegitimation des Verbrauchers für den Vertrauensschaden schon auf Basis der bisherigen Regelung im UWG in Frage zu stellen. Zum anderen dürften Verbrauchern im Regelfall aus Wettbewerbsverstößen nur geringfügige Schäden entstehen, deren Geltendmachung in keinem Verhältnis zu möglichen Prozesskosten steht (Krutzler, Schadenersatz im Lauterkeitsrecht, 62).

[14] 1.5. Die Frage, ob aus dem UWG Schadenersatzansprüche des Verbrauchers abgeleitet werden können, blieb in den Entscheidungen 17 Ob 34/08m (mangels Haftung der Beklagten als Täter oder Gehilfe) und 4 Ob 129/12t (mit der Begründung, das UWG hätte als eigenständige Anspruchsgrundlage nur dann Bedeutung, wenn zwischen den Streitteilen – anders als dort – keine schuldrechtliche Sonderbeziehung bestehe) offen.

[15] 2.1. Mit der UWG‑Nov 2007, mit der auch die RL‑UGP umgesetzt wurde, entfiel das Tatbestandselement „Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs“, das zuvor einige Autoren als Hindernis zur Begründung eines Individualanspruchs des Verbrauchers auf Schadenersatz erachteten (Nachweise bei Krutzler, Schadenersatz im Lauterkeitsrecht, 69, FN 329). Die Sanktionenanordnung in § 1 Abs 1 UWG bezieht sich sowohl auf Z 1 (mitbewerberschützendes Lauterkeitsrecht), als auch klar auf Z 2 (verbraucherschützendes Lauterkeitsrecht) und umfasst darüber hinaus gemäß § 1 Abs 3 UWG unmissverständlich §§ 1a und 2 UWG.

[16] 2.2. Der RL‑Gesetzgeber hat die Wahl der Sanktionsmechanismen den Mitgliedstaaten überlassen (ErwGr 9: Diese Richtlinie berührt nicht individuelle Klagen von Personen, die durch eine unlautere Geschäftspraxis geschädigt wurden). Gleichzeitig hat er das Ziel der RL, den Verbraucherschutz zu stärken, betont (ErwGr 8: Diese Richtlinie schützt unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern. ErwGr 11, 23: Ziel der RL ist ein hohes allgemeines Verbraucherschutzniveau).

[17] 3. Der aktuelle Meinungsstand in der Literatur zur Frage der Aktivlegitimation der Verbraucher für Schadenersatzansprüche nach dem UWG lässt sich wie folgt zusammenfassen (siehe dazu ausführlich Görg, Kommentar zum UWG § 16 Rz 28f; vgl auch U. Torggler, Probleme des Schadenersatzes im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, ÖBl 1976, 57 [60]; Augenhofer, Individualrechtliche Ansprüche des Verbrauchers bei unlauterem Wettbewerbsverhalten des Unternehmers, in Krejci/Keßler/Augenhofer, Lauterkeitsrecht im Umbruch. Europa – Deutschland – Österreich [2005] 122 f; Rummel in Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 [1984] 258 f; Ummenberger-Zierler/Wilfing/Stenitzer, ÖBl 2019, 264):

[18] 3.1. Die Befürworter führen insbesondere folgende Argumente ins Treffen:

[19] 3.1.1. Sack (in Kramer/Mayerhofer, Konsumentenschutz, 99) beruft sich im Wesentlichen darauf, dass das UWG auch den Schutz des einzelnen Verbrauchers bezwecke (siehe dazu oben zu 1.1.4.).

[20] 3.1.2. Rüffler (Schadenersatzansprüche von Verbrauchern und der unternehmerischen Marktgegenseite nach UWG, wbl 2011, 531, 533) führt aus, wenn der Gesetzgeber der UWG‑Novelle 2007 sogar noch den Wortlaut der Norm samt Erläuternden Bemerkungen (wonach Z 2 den individuellen Verbraucher schützen soll) eindeutig zugunsten von Schadenersatzansprüchen der Verbraucher „schärfe“, könne ihm nicht eine Absage an solche Ansprüche unterstellt werden. Schließlich spreche auch die Unternehmerhaftungsvorschrift des § 18 UWG eindeutig für einen Schadenersatzanspruch des Verbrauchers. Denn die Haftung des Unternehmers werde gerade auch für die besonders verbraucherschützenden Normen, insbesondere §§ 1a und 2 UWG, angeordnet. Die Zuerkennung von Schadenersatzansprüchen für bloße Vermögensschäden bei leicht fahrlässiger Irreführung auch außerhalb eines (vor-)vertraglichen Schuldverhältnisses sei etwa auch im Falle der Prospekthaftung nach dem KMG gegeben, wonach der Emittent für unrichtige oder unvollständige Prospektangaben schon bei leichter Fahrlässigkeit (seiner Leute) hafte.

[21] 3.1.3. Krutzler (Schadenersatz im Lauterkeitsrecht [2015], 69 f) schließt sich dieser Argumentation an und betont, dass im verbraucherschützenden Bereich des UWG eine unlautere Geschäftspraktik bereits dann vorliege, wenn diese geeignet sei, das Verhalten bloß eines Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 2 UWG).

[22] 3.1.4. Auch Gamerith (Keine Schadenersatzansprüche von Verbrauchern nach dem UWG? ÖBl 2011/69) verweist darauf, dass der RL‑Gesetzgeber die Rechtsstellung des Verbrauchers dadurch stärke, dass vorrangiges Ziel der unmittelbare Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher sei, wodurch sodann mittelbar rechtmäßig handelnde Unternehmer vor Mitbewerbern geschützt würden. Einer Regelung der Aktivlegitimation von geschädigten Verbrauchern im UWG habe es deshalb nicht bedurft, weil sich deren Klagebefugnis bereits aus der materiellen Rechtslage ergebe.

[23] 3.1.5. Duursma-Kepplinger (Zur Aktivlegitimation der Marktgegenseite für Ansprüche auf Unterlassung und Schadenersatz, VbR 2015/107 ff) bejaht bei Vorliegen eines schuldhaften Verstoßes gegen die materiell-rechtlich verbotenen Verhaltensweisen im verbraucherschützenden Bereich einen Schadenersatzanspruch des Verbrauchers. Sie verweist darauf, dass der EuGH bei der Auslegung der Bestimmungen über den verbraucherschützenden Bereich der RL‑UGP ganz offenbar auf den einzelnen Verbraucher abstelle, wenn er ausführe, dass diese Bestimmungen im Wesentlichen aus der Sicht „des Verbrauchers als des Adressaten und Opfers unlauterer Geschäftspraktiken“ konzipiert seien (EuGH C‑388/13 , UPC, Rn 52 unter Berufung auf C‑59/12 , Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, Rn 36 mwN). Es sei jedoch unbedingt auf den Schutzzweck der jeweiligen Norm abzustellen, um eine zu extensive Ausweitung der Ersatzfähigkeit bloßer Vermögensschäden zu verhindern. Es wäre systemfremd, ein- und dasselbe Verhalten (unlautere Geschäftspraktik) gegenüber einem Mitbewerber als rechtswidrig zu sehen, gegenüber dem individuell betroffenen Verbraucher selbiges zu leugnen. Als Rechtsgrundlage für den Schadenersatzanspruch stellt sie auf § 1295 Abs 1 ABGB iVm der verbraucherschützenden Norm des UWG ab.

3.2. Die Ablehner führen insbesondere folgende Argumente ins Treffen:

[24] 3.2.1. Harrer (Die Aktivlegitimation des Verbrauchers im Lauterkeitsrecht, ÖBl 2012, 100) meint unter Hinweis auf § 14 UWG, die restriktive Haltung des Gesetzgebers in Bezug auf Unterlassungsansprüche lasse die Annahme naheliegend erscheinen, dass ein Klagerecht der Verbraucher auf Schadenersatz weiterhin nicht bestehe. Einem Gesetzgeber, der in einer allgemeinen Norm über Unterlassungsansprüche im UWG dem VKI die Klagebefugnis einräume, den unmittelbar betroffenen Verbraucher hingegen nicht anführe, werde man nicht unterstellen können, dass auch dieser klagebefugt sein soll (vgl auch Fehringer/Freund, Die Umsetzung der RL über unlautere Geschäftspraktiken in das UWG, MR 2007, 115 [120]).

[25] 3.2.2. Leupold (Schadenersatzansprüche der Marktgegenseite nach UWG, ÖBl 2010, 164 ff) und Kodek/Leupold (in Wiebe/Kodek, UWG2 § 16 Rz 19) führen Wertungswidersprüche zum allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsregime ins Treffen, wollte man den individuellen Verbrauchern die Aktivlegitimation zugestehen. So bestehe die Haftung für Gehilfen aus culpa in contrahendo oder nach § 1300 ABGB wegen irreführender Werbung nur ausnahmsweise bei Vorliegen qualifizierter Voraussetzungen, nach UWG wäre sie die Regel. Dem Verbraucher stehe die Unterlassungsklage durch Amtsparteien und zivilrechtliches Schutzinstrumentarium zur Verfügung. Dieses Schutzniveau sei bereits sehr hoch und habe kaum Schutzlücken, die einen Rückgriff auf das UWG erforderten. Werde der Verbraucher in die Irre geführt, habe er grundsätzlich einen Schadenersatzanspruch wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten, womit auch die Ersatzfähigkeit bloßer Vermögensschäden einhergehe.

[26] 3.2.3. Auch Eckert (Schadenersatzrechtliche Aktivlegitimation der Marktgegenseite nach UWG? in FS Jud [2012] 73) sieht durch die Neufassung von § 1 UWG durch die UWG‑Nov 2007 keine schadenersatzrechtliche Verantwortlichkeit von Nicht-Vertragsparteien gegenüber dem Verbraucher oder der Marktgegenseite, brächte eine solche doch gravierende zivilrechtliche Änderungen (etwa bei der Gehilfenhaftung) mit sich und würde eine schadenersatzrechtliche Schleuse öffnen (ähnlich schon Kalss/Eckert, Informationsverhalten am Kapitalmarkt [2006] 114).

[27] 3.2.4. Adensamer/Eckert, Vorstandshaftung nach österreichischem Recht in Kalss, Vorstandshaftung in 15 europäischen Ländern (2005), 166, (230 f) meinen, dass das UWG den Verbraucher bzw die Marktgegenseite schützen wolle, bedeute noch nicht, dass dieser Schutz gerade durch einen umfassenden Schadenersatz erreicht werden solle, vielmehr wäre ebenso gut ein bloß reflexartiger Schutz denkbar. Durch die Ausweitung der Haftung für irreführende Informationen auf Nicht-Vertragsparteien würden Personen für Vertrauensschäden haften, die keine Vertrauensträger seien.

[28] 3.2.5. Görg (RdW 2015, 151, 152 ff) weist darauf hin, dass ohnehin Mitbewerber des unlauter Handelnden im Rahmen des § 1 Abs 1 Z 2 UWG auf Schadenersatz klagen können, und zwar ohne dass es dafür einer quantitativen Marktspürbarkeit bedürfte. Außerdem werde auch für Ansprüche nach Z 2 ein Handeln im geschäftlichen Verkehr verlangt – ein Tatbestandsmerkmal, das aus Sicht des Verbrauchers mit dessen Schadenersatzanspruch ebenso wenig in sachlichem Zusammenhang stehe wie ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs. Mache es doch für ihn keinen relevanten Unterschied, ob er von einem Unternehmer im geschäftlichen Verkehr oder von einem privaten Verkäufer in die Irre geführt werde.

[29] 4. Der Senat sieht angesichts der zuvor referierten historischen, systematischen und teleologischen Argumente im bejahenden Schrifttum keinen Anlass, von seiner in der Entscheidung 4 Ob 53/98t vertretenen Rechtsansicht zur Klagelegitimation des Verbrauchers, der durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigt wurde, abzugehen. Als besonders gewichtig hervorzuheben sind folgende Argumente:

4.1. Lauterkeitsrecht und Kartellrecht als einheitliche Gesamtordnung des Wettbewerbs

[30] 4.1.1. Heute besteht weitgehend Einigkeit im Schrifttum und in der Rechtsprechung im Sinn der Konvergenzthese: Schutz des freien und Schutz des lauteren Wettbewerbs sind keine Gegensätze, sondern zwei Aufgabenbereiche einer in ihrem Sinnzusammenhang einheitlichen Gesamtordnung (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb39 UWG Einl 6.11).

[31] 4.1.2. Die Tatbestände des Kartellrechts und des Lauterkeitsrechts schließen einander nicht aus; sie stehen gleichwertig nebeneinander und ergänzen einander trotz unterschiedlicher Regelungsansätze. Sie verfolgen einen einheitlichen Schutzzweck (Schutzzwecktrias). Beide Rechtsgebiete stehen in einem Funktionszusammenhang, weil sie beide auf dasselbe Phänomen „Wettbewerb“ bezogen sind, das sie unter den Aspekten der Sicherung wettbewerblicher Marktstrukturen („Ordnungsprinzip“) bzw der Bekämpfung unlauterer Wettbewerbshandlungen („Lauterkeitsprinzip“) regeln. Die Wettbewerbsfreiheit allein ist nicht in der Lage, unlautere Geschäftspraktiken zu verhindern; andererseits braucht sie einen notwendigen Spielraum, der nicht durch Überspannen des Unlauterkeitsbegriffs über Gebühr eingeengt werden darf. Beide Rechtsgebiete leisten ihren „organisatorischen Beitrag“ für das Funktionieren einer Wettbewerbswirtschaft (so schon Schluep, GRUR Int 1973, 446, 450).

[32] 4.1.3. Das Kartellrecht dient ähnlichen Regelungszwecken wie das Lauterkeitsrecht; der Schutz erfasst in beiden Fällen Mitbewerber, Verbraucher und andere Marktteilnehmer auf der Marktgegenseite sowie die Allgemeinheit. Marktmissbräuchliches und unlauteres Verhalten sind daher am selben Maßstab zu beurteilen, nämlich jenem des sachgerechten Leistungswettbewerbs (RS0123263; 4 Ob 60/09s – Rechtsanwaltssoftware).

4.2. Kartellschadenersatz für alle Geschädigten

[33] 4.2.1. Im Kartellrecht war es die Rechtsprechung des EuGH (C‑453/99 , Courage und Crehan, Rn 26, wiederholt in C‑295/04 , Manfredi, Rn 60), die (unter Hinweis auf den Effektivitätsgrundsatz) jedem Geschädigten die Aktivlegitimation für Schadenersatzansprüche zuerkannt hat („Was die Möglichkeit angeht, Ersatz des Schadens zu verlangen, der durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder ein entsprechendes Verhalten verursacht worden ist, so wären die volle Wirksamkeit des Artikels 81 EG und insbesondere die praktische Wirksamkeit des Verbots des Artikels 81 Abs 1 EG beeinträchtigt, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen solchen Vertrag oder durch ein solches Verhalten entstanden ist.“)

[34] 4.2.2. Der österreichische Gesetzgeber führte deshalb in Umsetzung der Richtlinie 2014/104/EU (vgl § 37a Abs 2 KartG) mit dem KaWeRÄG 2012 § 37a in der erklärten Absicht in das KartG ein, das „Private Enforcement“ nach Wettbewerbsverstößen zu stärken. Er folgte damit einer schon seit 2005 auf europäischer Ebene stark vorangetriebenen Tendenz (Wollmann in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG² § 37a Rz 1 f). Diese Bestimmung stellt kein in sich abgeschlossenes Regelungsgebäude für Schadenersatzansprüche nach Wettbewerbsverstößen bereit, sondern baut auf den §§ 1294 ff ABGB auf und modifiziert diese nur punktuell. Für wesentliche Grundsatzfragen (Kausalität, Haftungszurechnung, Zurechnung des Verhaltens von Erfüllungsgehilfen, Solidarhaftung, Beweismaßstab, Beweiserleichterung uä) kann und muss auf die allgemeinen Regelungen des ABGB zurückgegriffen werden (Wollmann aaO Rz 7).

4.3. Schadenersatz nach unlauterem Verhalten im Wettbewerb für alle Geschädigten

[35] 4.3.1. Der aufgezeigte enge Zusammenhang beider Rechtsgebiete und der Effektivitätsgrundsatz verlangen zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch im Bereich der Sanktionen einen Gleichklang. Diese Lücke im Gemeinschaftsrecht hat der Unionsgesetzgeber mit der „Omnibus-Novelle“ 2019/2161 erkannt und geschlossen.

[36] 4.3.2. Im nationalen Recht besteht kraft der allgemein gefassten Anordnungen in § 1 Abs 1 UWG („… kann … bei Verschulden auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden“) und des § 16 („Wer auf Grund dieses Gesetzes berechtigt ist, einen Anspruch auf Schadenersatz zu stellen …“) keine Lücke (so schon 4 Ob 53/98t).

[37] 4.3.3. Warum (auch bereits de lege lata) nach einem Lauterkeitsverstoß zwar der geschädigte Mitbewerber, nicht aber auch der geschädigte Verbraucher Schadenersatz begehren können soll, ist wertungsmäßig nicht nachvollziehbar.

[38] 4.4. Wenn § 14 UWG die Aktivlegitimation nur für Unterlassungsansprüche regelt, so war dies deshalb erforderlich, weil diese zum Schutz Betroffener auch Institutionen eingeräumt wurde, die nach materiellem Recht nicht klageberechtigt gewesen wären. Auch wollte man (ausweislich der Mat zur UWG‑Novelle 1971) bei Einführung der Unterlassungsklagebefugnis der Verbände sogenannte „Publikumsklagen“ von Verbrauchern hintanhalten. Dabei bezog sich der Gesetzgeber aber nur auf den Unterlassungsanspruch, denn eine Klage auf Schadenersatz ohne Schaden führt ins Leere, weshalb diesbezüglich die Gefahr einer „Publikumsklage“ eo ipso nicht besteht (Krutzler, Schadenersatz im Lauterkeitsrecht [2015], 70). Der Umstand, dass § 14 UWG dem Verbraucher keinen individuellen Unterlassungsanspruch einräumt, spielt daher für die Frage der Aktivlegitimation des Verbrauchers für Schadenersatzklagen keine Rolle, hat doch die Regelung der Aktivlegitimation zum Unterlassungsanspruch mit der Aktivlegitimation zum Schadenersatzanspruch nichts zu tun.

[39] 4.5. Der EuGH stellt bei der Auslegung der Bestimmungen der RL‑UGP (die allein das verbraucherschützende Lauterkeitsrecht regelt) ganz offenbar auf den einzelnen Verbraucher ab, wenn er ausführt, dass diese Bestimmungen im Wesentlichen aus der Sicht „des Verbrauchers als des Adressaten und Opfers unlauterer Geschäftspraktiken“ konzipiert sind (EuGH C-388/13 , Rn 52; C-59/12 , Rn 36).

[40] 4.6. Auch in den Materialien zur UWG‑Novelle 2007 wird ausgeführt, dass § 1 Abs 1 Z 2 UWG ausdrücklich den individuellen Verbraucher schützen will (ErläutRV 144 BlgNR 23. GP  3).

[41] 4.7. Den von den Gegnern der Aktivlegitimation der Verbraucher ins Treffen geführten Wertungswidersprüchen zum allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsregime ist der Wortlaut und der den individuellen Verbraucher umfassende Schutzzweck des UWG (insbesondere verstärkt seit der Novelle 2007) entgegen zu halten. § 1 UWG ist als Sondernorm zu werten, vergleichbar etwa mit jener des § 22 Abs 1 KMG, welche im Rahmen der Prospekthaftung ebenfalls vertragsunabhängige Ansprüche von Verbrauchern (Anlegern) gegen ua Emittenten wegen unrichtiger oder unvollständiger Angaben zuerkennt.

[42] 5. Das mit dieser Entscheidung bestätigte Auslegungsergebnis des Obersten Gerichtshofs wird in seiner Grundwertung im Übrigen mittlerweile auch vom RL‑Gesetzgeber geteilt: Die Richtlinie (EU) 2019/2161 des europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinien 98/6/EG , 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union, ABl L 2019/328, 20, sieht in ihrem Art 11a Abs 1 vor, dass durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigte Verbraucher Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen „einschließlich Ersatz des dem Verbraucher entstandenen Schadens“ haben müssen.

[43] 6.1. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Kläger legitimiert sind, den von ihnen verfolgten Anspruch auf Ersatz eines Vermögensschadens, der ihnen als Verbraucher infolge einer unlauteren Geschäftspraktik eines Unternehmers (Irreführung) entstanden sein soll, gerichtlich geltend zu machen. Die Haftung der Beklagten für Personen im Betrieb ihres Unternehmens ist dabei nicht auf ihre Repräsentanten beschränkt, sondern richtet sich nach § 18 UWG.

[44] 6.2. Der Revision der Kläger ist Folge zu geben. Die Urteile der Vorinstanzen sind aufzuheben und die Rechtssache ist an das Erstgericht zurückzuverweisen, das nach Ermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts über die Berechtigung des Anspruchs zu entscheiden haben wird.

[45] 7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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