OGH 9ObA102/21x

OGH9ObA102/21x15.12.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Prof. Dr. Klaus Mayr (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K* A*, vertreten durch Dr. Stephan Rainer und Dr. Michael Rück, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei G* GmbH, *, vertreten durch Dr. Georg Bauer und Mag. Edwin Kerschbaummayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. Juli 2021, GZ 13 Ra 21/21t‑30, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00102.21X.1215.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] 1. Der Kläger war bei der Beklagten ab 2. 7. 2007 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Ab 16. 3. 2020 befanden sich sämtliche Außendienstmitarbeiter der Beklagten in Kurzarbeit. Zur Lösung von Beschäftigungsproblemen durch die COVID-Maßnahmen bestand bei der Beklagten, die (obwohl betriebsratspflichtig) über keinen Betriebsrat verfügt, eine „Sozialpartnervereinbarung – Einzelvereinbarung“ (Formularversion 4.0) über Begleitmaßnahmen während der Kurzarbeit, abgeschlossen zwischen der Wirtschaftskammer und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund und der Beklagten. Der Kläger brachte durch Unterfertigung eines ihm von der Beklagten übermittelten Schriftstücks mit dem Titel „Kurzarbeit A*“ seine Zustimmung zur vorgeschlagenen Kurzarbeit zum Ausdruck. Am 19. 5. 2020 wurde er entlassen.

[2] 2. Die Vorinstanzen wiesen das auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses gerichtete Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu. Zwar liege zu der in der Lehre umstrittenen Rechtsfrage, ob einzelne Arbeitnehmer aus der Corona-Kurzarbeit Sozialpartnervereinbarung ein subjektives Recht ableiten könnten, während der Kurzarbeit bzw innerhalb der Behaltefrist nicht gekündigt zu werden, noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor, allerdings sei die Beantwortung dieser Frage im Hinblick auf die vorliegende Beendigungsart nicht entscheidungswesentlich. Im Schrifttum sei man sich einig, dass im Falle einer Entlassung kein besonderer Bestandsschutz gegeben sei.

Rechtliche Beurteilung

[3] 3. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (vgl RS0112921). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn sie durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt wurde (RS0112921 [T5]).

[4] 4.1. In der – nach Fällung des Berufungsurteils ergangenen – Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 8 ObA 48/21y, die eine ab 23. 3. 2020 von der Arbeitgeberin während des ersten Covid-19-Lockdowns mit 15 ihrer Mitarbeitern (nicht dem dortigen Kläger) abgeschlossene „Sozialpartnervereinbarung – Einzelvereinbarung“ über Corona-Kurzarbeit betraf, hat sich der Oberste Gerichtshof ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Kündigungsbeschränkungen der Sozialpartnervereinbarung bloß den Beschäftigungsstand in den Unternehmen oder auch die individuellen Arbeitnehmer schützen sollen und einen individuellen Kündigungsschutz gewähren. Er gelangte dabei zum Ergebnis, dass sich aus den Bestimmungen des § 37b AMSG iVm der Regelung des Punktes IV Abs 2 lit a bis c der Sozialpartner-Kurzarbeitsvereinbarung keine Unwirksamkeit einer während der Kurzarbeit oder der anschließenden Behaltefrist ausgesprochenen Kündigung ergibt.

[5] 4.2. Diesem Ergebnis ist der Oberste Gerichtshof auch in der jüngst ergangenen Entscheidung 8 ObA 50/21t gefolgt, in der die beider Arbeitgeberin bestandene „Sozialpartnervereinbarung – Einzelvereinbarung“ (Formularversion 7.0) über Begleitmaßnahmen während der Kurzarbeit von sämtlichen ihren Arbeitnehmern, darunter der Klägerin, mitunterfertigt worden war. In dieser Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, wurde ausführlich dargelegt, weshalb sich aus dem Umstand, dass die dortige Klägerin die Vereinbarung mitunterfertigt hat und diese für die Konstellation des Fehlens eines Ausnahmefalls anordnet, dass Arbeitgeberkündigungen frühestens nach Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen werden dürfen, nicht die Unwirksamkeit einer dennoch ausgesprochenen Kündigung ergibt.

[6] 5. Dieser Rechtsauffassung schließt sich auch der erkennende Fachsenat an. Gegen diese Ansicht trägt auch die außerordentliche Revision des Klägers keine Argumente vor, die nicht schon in den beiden genannten Entscheidungen des Senats 8 behandelt worden wären. Die im vorliegenden Fall anwendbare Sozialpartner-Kurzarbeitsvereinbarung (Formularversion 4.0) weist in ihrem Punkt IV Abs 2 lit a bis c denselben Inhalt auf wie jene der Entscheidung 8 ObA 48/21y und einen vergleichbaren Inhalt, wie jene, die der Entscheidung 8 ObA 50/21t zugrunde lag (Formularversion 7.0, Stand 1. 6. 2020).

[7] 6. Da mit der Sozialpartner-Kurzarbeitsvereinbarung in der hier anzuwendenden Fassung somit kein individueller oder besonderer Kündigungsschutz für die Arbeitnehmer während der Kurzarbeit eingeführt wurde, kann der Kläger umso weniger daraus einen Entlassungsschutz für sich ableiten. Die hier anwendbare Sozialpartner-Kurzarbeitsvereinbarung erklärt zudem explizit – in der hier anzuwendenden Formularversion 4.0 sogar ohne Auffüllverpflichtung – die Entlassung für zulässig (Punkt IV Abs 2 lit c). Die Entlassung des Klägers durch die Beklagte, mag sie auch unberechtigt erfolgt sein, löste daher das Arbeitsverhältnis auf (vgl RS0031773; RS0029163).

[8] 7. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, im E-Mail der Beklagten an den Kläger vom 17. 3. 2020, womit diesem und allen anderen Außendienstmitarbeitern das Angebot der Kurzarbeit gemacht wurde, könne kein Kündigungsverzicht der Beklagten erkannt werden, ist im konkreten Fall nicht zu beanstanden (vgl RS0044298).

[9] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte