European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00219.21V.1214.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Antragsteller anerkannte am 11. 7. 1994 die Vaterschaft zum Antragsgegner, obwohl ihm bekannt war, dass die Mutter im empfängniskritischen Zeitraum auch mit einem anderen Mann Geschlechtsverkehr hatte. Sie wusste selbst nicht, wer der Vater des Antragsgegners ist, und teilte dies dem Antragsteller schon damals mit.
[2] Aufgrund einer 2019 eingeholten DNA-Analyse, die den Antragsteller als Vater des Antragsgegners ausschließe, beantragte dieser die Unwirksamerklärungseines Vaterschaftsanerkenntnisses.
[3] Das Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung, mit der der Antrag als verfristet abgewiesen worden war, und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
[4] In seinem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Antragsteller keine solche erhebliche Rechtsfrage auf.
[5] 1. Gemäß § 154 Abs 1 Z 3 lit b ABGB hat das Gericht ein Vaterschaftsanerkenntnis auf Antrag des Anerkennenden für rechtsunwirksam zu erklären, wenn er beweist, dass das Kind nicht von ihm abstammt und er erst nachträglich von Umständen Kenntnis erlangt hat, die für die Nichtabstammung des Kindes sprechen. Gemäß Abs 2 leg cit kann der Antrag längstens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Entdeckung der genannten Umstände erhoben werden. Diese Rechtslage entspricht im Wesentlichen jener des § 164 ABGB vor dem KindNamRÄG 2013.
[6] 2. Der Oberste Gerichtshof hatte bereits wiederholt Fälle zu beurteilen, bei denen der Anerkennende schon bei Geburt des Kindes davon Kenntnis hatte, dass die Vaterschaft eines anderen Mannes zumindest gleich wahrscheinlich war, er aber dennoch erst viel später ein DNA‑Gutachten einholte. Es fehle dann einerseits an der Tatbestandsvoraussetzung einer nachträglich eingetretenen Änderung des Kenntnisstands des Antragstellers über die gegen seine Vaterschaft sprechenden Umstände, andererseits beginne die zweijährige Ausschlussfrist zur Einbringung eines Antrags auf Unwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem eine aussichtsreiche Beweisführung für die Vaterschaft eines anderen Mannes durch Einholung eines Gutachtens objektiv möglich war (vgl 2 Ob 182/08s; 7 Ob 85/08p; siehe auch bereits 3 Ob 72/01m).
[7] 3. Der Revisionsrekurswerber hält dem die Rechtsprechung entgegen, wonach weder die Kenntnis des Mannes davon, dass die Mutter im empfängniskritischen Zeitraum auch mit einem anderen Mann Geschlechtsverkehr hatte (RS0048225 [T6]), noch die bloße (stets gegebene) Möglichkeit einer DNA-Analyse (8 Ob 65/10g; 1 Ob 7/12d; in diesen Fällen hatte die Mutter jeweils die Möglichkeit der Abstammung von einem anderen Mann bestritten) die Zweijahresfrist des (nunmehrigen) § 154 Abs 2 ABGB auslöse.
[8] 4. Der Oberste Gerichtshof stellte jedoch bereits zu 8 Ob 65/10g klar, dass die Anfechtungsfrist mit der objektiven Möglichkeit einer eindeutigen Klärung der Abstammung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (DNA-Analyse) zu laufen beginne, sobald gravierende Bedenken an der Vaterschaft bestehen. Zu 1 Ob 7/12d ging er zwar davon aus, dass –wie auch der Revisionsrekurswerber argumentiert –weder die Kenntnis vom Mehrverkehr der Mutter noch die objektive Möglichkeit der Einholung eines DNA-Gutachtens per se (also ohne Vorliegen gewichtiger Verdachtsgründe gegen die Richtigkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses) die Antragsfrist in Gang setzen. Auch zwinge nicht jeder subjektive Zweifel an der Vaterschaft zur Einholung eines solchen Gutachtens. Der Antrag auf Unwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses sei jedoch verfristet, wenn eine längst mögliche DNA-Analyse nur der Erhärtung bereits anfänglich vorhandener Verdachtsgründe diente, weil nachträgliche Umstände im Sinn des § 164 Abs 1 Z 3 ABGB (nunmehr § 154 Abs 2 ABGB) nicht vorlagen (oder behauptet wurden).
[9] 5. Ein solcher Fall ist hier zu beurteilen. Der Antragsteller hatte bereits seit der Geburt des Antragsgegners davon Kenntnis, dass die Vaterschaft eines anderen Mannes zumindest gleich wahrscheinlich war. Dennoch ließ er –obwohl er (wie sich aus den erstinstanzlichen Ausführungen zur Beweiswürdigung ergibt) von der Mutter wiederholt dazu aufgefordert wurde –erst mehr als zwei Jahrzehnte später eine DNA-Analyse erstellen. Dass nach der Geburt des Antragsgegners weitere Umstände hervorkamen, die für seine Nichtabstammung vom Antragsteller gesprochen hätten, wurde weder behauptet noch festgestellt. Das 2019 eingeholte DNA-Gutachten diente somit bloß der Erhärtung der bereits seit jeher bestehenden Verdachtsgründe.
[10] 6. Dass die – auf Grundlage der dargestellten Judikatur ergangenen – Entscheidungen der Vorinstanzen auf Basis dieses Sachverhalts einer Korrektur bedürften, vermag der Revisionsrekurswerber nicht darzulegen.
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