European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00120.21V.1125.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Beklagte ist Studienbetreiberin einer Fachhochschule. Auf ihre Angestellten ist kein Kollektivvertrag anwendbar. Ihr Lehrpersonal besteht aus etwa 310 Personen, von denen etwa 280 L2‑Dienstverträge (Fachhochschulprofessoren) und etwa 30 L1‑Dienstverträge (Assistenten der Lehre und Assistenzprofessoren) haben. Die Klägerin ist seit 1. 6. 2013 bei der Beklagten als Assistentin in der Lehre für einen Fachhochschulstudiengang mit der Einstufung L1/1 beschäftigt.
[2] Unstrittig ist, dass zwischen den Streitteilen eine Dienstverwendung der Klägerin mit 420 Lehreinheiten pro Jahr bei Vollzeitbeschäftigung vereinbart wurde, dies der Vereinbarung von 420 Lehreinheiten pro Jahr im Arbeitsvertrag einer FH‑Professorin entspricht, FH‑ProfessorInnen in die Verwendungsgruppe L2 eingestuft sind, auf das Arbeitsverhältnis, soweit nicht anderes einzelvertraglich vereinbart wurde, die Dienstordnung vom 12. 12. 2002 zur Anwendung kommt, nach dem Wortlaut des Schemas L dieser Dienstordnung wissenschaftliche MitarbeiterInnen, die überwiegend in der Forschung tätig sind, in L1 eingestuft sind und Angestellte des wissenschaftlichen Personals, die überwiegend in der Lehre tätig sind, unter L2 fallen und die Klägerin überwiegend in der Lehre tätig gewesen ist (Außerstreitstellung der Beklagten, ON 5).
[3] Im vom Angestelltenbetriebsrat der Beklagten gegen diese geführten Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG wurde festgestellt, dass die Assistenten der Lehre und Assistenzprofessoren der Beklagten in die Verwendungsgruppe L2 der Dienstordnung vom 12. 12. 2002 einzustufen sind (9 ObA 89/20h).
[4] Im vorliegenden Verfahren gaben die Vorinstanzen dem Begehren der Klägerin auf Zahlung der Entgeltdifferenz, die sich aus einer Einstufung in die Verwendungsgruppe L2 ergibt, dem Grunde nach statt.
Rechtliche Beurteilung
[5] In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
[6] 1. Das über die Feststellungsklage iSd § 54 Abs 1 ASGG ergehende Urteil wirkt nur zwischen den Prozessparteien, also zwischen den parteifähigen Organen der Arbeitnehmerschaft und dem Arbeitgeber; es wirkt hingegen nicht (auch) zum Vorteil oder zum Nachteil der berechtigten Arbeitnehmer (keine erweiterte Rechtskraftwirkung). Diese erwerben daher aufgrund des über die Feststellungsklage ergehenden Urteils keinen Anspruch und verlieren auch allfällige Ansprüche nicht. Ein solches Urteil hat für die berechtigten Arbeitnehmer nur insofern faktische Wirkung, als der Arbeitgeber meistens das Urteil, vor allem wenn eine Rechtsmittelentscheidung ergangen ist, in Bezug auf die berechtigten Arbeitnehmer beachten wird (RS0085545). Dass dieses Feststellungsverfahren gegen dieselbe Beklagte geführt wurde und die Auslegung solcher Dienstverträge wie jenen des vorliegenden Falls betraf, ist für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision daher unschädlich.
[7] 2. Der Umstand, dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten, bewirkt ebenso wenig wie der Umstand, dass mehrere Dienstnehmer gleichartige Arbeitsverträge abgeschlossen haben, das Vorliegen einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO. Dass weitere Gerichtsverfahren in der selben Rechtsfrage anhängig sind, bewirkt für sich allein ebenfalls noch nicht ihre Erheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0042816 [T3, T5]). Alleine aus der Tatsache, dass 22 gleichartige Klagen gegen die Beklagte und 17 außerordentliche Revisionen von ihr eingebracht wurden, lässt sich danach noch keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO ableiten.
[8] 3. Steht die Vertragsauslegung durch die Vorinstanzen mit den Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung im Einklang, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, kommt doch der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (RS0042776). Das ist auch hier nicht der Fall.
[9] Die Beklagte ist zusammengefasst der Ansicht, dass die Dienstordnung eine Vertragsschablone sei, von der einzelvertraglich eine abweichende Vereinbarung (Einstufung in L1) getroffen worden sei. Dies sei nicht rechtswidrig. Das Berufungsgericht verkenne die Bedeutung von Vereinbarungen und Erklärungen vor Unterfertigung eines Dienstvertrags für dessen Auslegung und ebenso, dass der natürliche Konsens bzw die Absicht der Parteien vorginge. Eine Einstufung in L1 sei vor Unterfertigung des Dienstvertrags vereinbart gewesen. Die Klägerin habe auch nur auf eine Einstufung nach L1 vertrauen dürfen. Der Verweis auf die Dienstordnung habe richtigerweise lediglich einen Verweis auf das Gehaltsschema L1 bedeutet, sohin einen Hinweis, wo L1 samt der angeführten Gehaltsstufe stehe, könne aber nicht dazu führen, dass damit entgegen der mündlich getroffenen Vereinbarung einer Einstufung in L1 eine Einstufung in L2 vereinbart worden wäre.
Darin kann ihr nicht gefolgt werden:
[10] Nach den Feststellungen hat sich die Klägerin auf ein Inserat der Beklagten, mit der diese eine Assistenz in der Lehre suchte, beworben. In der Stellenausschreibung war ein Gehalt „ab 2.516,99 EUR brutto/Monat in Abhängigkeit vom Qualifikationsprofil“ angegeben. Zur Bedeutung einer solchen Bewerbung wurde in 9 ObA 89/20h ausgeführt, der Bewerbung auf eine mit einer bestimmten Einstufung verbundene Stelle müsse kein solcher Erklärungswert beigemessen werden, dass damit ein im schriftlichen Dienstvertrag deutlich zum Ausdruck gebrachter Erklärungswert unbeachtlich würde. Dem entgegenstehende Gründe sind auch hier nicht ersichtlich. Feststellungen zu einer mündlich getroffenen Vereinbarung gibt es nicht und werden auch nicht eingefordert. Im Besonderen steht auch nicht fest, dass mit der Klägerin für die Übernahme einer Lehrverpflichtung im Ausmaß von 420 Einheiten, wie sie nach der FH‑DO jener von L2‑FH-ProfessorInnen entspricht, mündlich eine Einstufung in L1 vereinbart worden wäre.
[11] Diesbezüglich bedarf es hier aber auch keiner weiteren Feststellungen: Der Beklagten kann zugestanden werden, dass der Klägerin mündlich stets nur eine Einstufung in die Verwendungsgruppe L1 kommuniziert wurde. Das entspricht ohnehin auch der im schriftlichen Dienstvertrag angeführten Verwendungsgruppe. Für den Standpunkt der Beklagten wäre aber nur dann etwas gewonnen, wenn in der mündlichen Abrede der Streitteile ein natürlicher Konsens dahin bestanden hätte, dass die Einstufung der Klägerin in die Verwendungsgruppe L1 unabhängig von den Einstufungsvorgaben der FH‑DO für eine Lehrverpflichtung für 420 Einheiten vorgenommen werden und die FH‑DO dafür nicht gelten sollte. Die Beklagte hat diesbezüglich vorgebracht, dass die KandidatInnen bereits in der Berufungskommission darauf hingewiesen worden seien, dass es sich „um eine L1‑Stelle nach unserem Gehaltsschema“ handle. Dass dieses Teil der FH‑DO ist, ist nicht weiter zweifelhaft. Ein redlicher Erklärungsempfänger hatte danach aber keinen Grund zur Annahme, dass seine Einstufung zu seinen Lasten von den Vorgaben der FH-DO abweichen sollte. Selbst wenn man aber annehmen wollte, dass mündlich eine von der FH-DO abweichende Einstufung vereinbart worden wäre, würde Pkt II.1. des Dienstvertrags, nach dem schon die Einstufung (und nicht nur die Vorrückung) des/der DienstnehmerIn „entsprechend den Bestimmungen der FH-DO in die Verwendungsgruppe L1“ vorzunehmen ist, gerade jene Unklarheit – Einstufung entsprechend den Bestimmungen der FH-DO oder nach Maßgabe der Verwendungsgruppe L1 – hervorrufen, zu der bereits in der Entscheidung 9 ObA 89/20h Stellung genommen wurde. Bloß deklarative Bedeutung des bereits mündlich Vereinbarten könnte diesem Vertragspunkt dann ohnedies nicht beigemessen werden.
[12] Das Erstgericht stellte auch den Inhalt einer Richtlinie und Bedingungen für den Ausbau von L1-Stellen im Studienbetrieb der Beklagten vom 7. 7. 2015 und einer Richtlinie zur Unterscheidung der Aufgaben von L1- und L2‑Stellen im Studienbetrieb vom 1. 1. 2018 fest. Es gibt aber auch dazu keine Feststellungen, die den Schluss erlauben würden, dass sie zum Vertragsinhalt geworden wären oder der Klägerin überhaupt bekannt (gemacht) gewesen seien. Ausreichende Gründe für eine Auslegung des schriftlichen Dienstvertrags der Klägerin, die anders als in dem 9 ObA 89/20h zugrunde liegenden Verfahren vorzunehmen wäre, liegen danach nicht vor.
[13] 4. Aus diesem bleibt hervorzuheben, dass ein redlicher Erklärungsempfänger den Umstand, dass in den Dienstverträgen ausdrücklich eine Einordnung in die Verwendungsgruppe L1 vorgesehen ist, primär als Ausdruck der korrekten Einstufung entsprechend den Vorgaben der FH‑DO verstehen kann. Zur Öffnungsklausel (hier Pkt XIII.2. des Vertrags: „Als Bestandteil dieses Dienstvertrages gelten die Bestimmungen der FH-DO in der jeweils gültigen Fassung. Diese sind, sofern der Dienstvertrag nichts anderes regelt, in der jeweils gültigen Fassung auf diesen Vertrag anwendbar.“) wurde dahin Stellung genommen, dass die Dienstvertragsparteien einvernehmlich von Regelungen der freien Betriebsvereinbarung abgehen können. Eine solche Abänderung wird aber nicht schon dadurch erreicht, dass in den Verträgen auch eine Einstufung „in die Verwendungsgruppe L1“ angeführt wird. Es wäre unlogisch, im Vertragstext zunächst eine Einstufung „entsprechend den Bestimmungen der FH-DO“ festzulegen, um diese im selben Satz wieder abzubedingen. Nicht zuletzt wurde auf die – hier zu Lasten der Beklagten greifende – Unklarheitenregel des § 915 2. HS ABGB verwiesen.
[14] 5. Da insgesamt keine korrekturbedürftige Vertragsauslegung durch die Vorinstanzen aufgezeigt wird, ist die außerordentliche Revision der Beklagten mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
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