OGH 6Ob189/21v

OGH6Ob189/21v15.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, geboren ***** 2016, vertreten durch die Eltern C***** und J*****, alle *****, vertreten durch Dr. Thomas Juen, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dr. S*****, vertreten durch Mag. Christof Heel, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 7.855,24 EUR und Feststellung sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 22. September 2021, GZ 8 Nc 17/21a‑3, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00189.21V.1115.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 914 EUR (hierin enthalten 152,40 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Im zugrunde liegenden Zivilprozess erhoben beide Parteien Berufung gegen das erstgerichtliche Urteil. Dem zur Entscheidung über die Berufung zuständigen Senat des Oberlandesgerichts Innsbruck gehört die Richterin Dr. ***** an. Sie zeigte an, dass sie mit dem Beklagten in den Jahren 1979 bis 1983 die selbe Oberstufenklasse des Gymnasiums besucht habe, seither kein Kontakt bestehe und sie sich nicht befangen fühle. Die Anzeige wurde den Parteien mit Mitteilung vom 18. 8. 2021 zur Kenntnis gebracht.

[2] Die Klägerin lehnte die Richterin daraufhin mit Antrag vom 23. 8. 2021 ab. Sie brachte vor, zwischen Klassenkollegen bestehe in aller Regel ein so enger Kontakt, dass die erforderliche Distanz fehle.

[3] Mit dem angefochtenen Beschluss beurteilte der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Innsbruck den Befangenheitsantrag als unberechtigt. Begründend wurde ausgeführt, die mehrere Jahrzehnte zurückliegende gemeinsame Schulzeit rechtfertigte die Befürchtung, die abgelehnte Richterin könnte ihre Aufgaben nicht mit der erforderlichen Objektivität erfüllen, nicht.

[4] Der Rekurs der Klägerin ist gemäß § 24 Abs 2 JN zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Das Wesen der Befangenheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive (RS0045975 [T1]; RS0045961; RS0046024 [T3]; Ballon in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 19 JN Rz 5). Dabei genügt es, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss (RS0045975 [T4]), wobei bereits ein solcher Anschein vermieden werden soll (RS0046052). Im Interesse des Ansehens der Justiz ist jedenfalls ein strenger Maßstab anzuwenden (RS0045949). Ein Richter ist daher dann befangen, wenn bei objektiver Betrachtungsweise ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (RS0046052 [T2, T8];RS0045935 [T12]).

[6] Als Befangenheitsgründe kommen in erster Linie private persönliche Beziehungen zu einer der Prozessparteien in Betracht, die ein Naheverhältnis begründen, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet ist, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen (RS0045935 [T3]). So ist eine Befangenheitsanzeige etwa dann gerechtfertigt, wenn der Richter die Prozesspartei seit Jahren kennt und mit ihr befreundet ist (9 Nc 16/09s; für weitere Beispiele siehe Ballon in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 19 JN Rz 9). Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Allgemeinen ein Befangenheitsgrund anzunehmen ist, wenn ein Richter selbst seine Befangenheit anzeigt (RS0046053).

[7] Hingegen ist die freundschaftlich-kollegiale Beziehung eines Richters zu einem anderen Richter, einem Parteienvertreter oder einem Vertreter der Rechtswissenschaft dann, wenn sich der Richter nicht selbst als befangen erachtet, kein zureichender Befangenheitsgrund (9 Nc 39/12b). Auch der Jahrzehnte zurückliegende Besuch derselben Schulklasse, ohne dass darüber hinausgehende persönliche Beziehungen zwischen dem Richter und der Partei bestanden, wurde nicht als ausreichender Befangenheitsgrund qualifiziert (4 N 526/95).

[8] Diese Wertung trifft auch auf den vorliegenden, gleich gelagerten Fall zu. Der bereits 38 Jahre zurückliegende Besuch der selben Gymnasialklasse ist bei Fehlen darüber hinausgehender persönlicher Beziehungen und eines persönlichen Kontakts nach Abschluss der Schulzeit auch im vorliegenden Fall bei objektiver Betrachtung nicht geeignet, die Besorgnis zu begründen, die abgelehnte Richterin würde sich bei ihrer Entscheidungsfindung durch sachfremde Motive beeinflussen lassen.

[9] Der Rekurs erweist sich daher nicht als berechtigt.

[10] 2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Das Ablehnungsverfahren bildet einen Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (RS0126588).

Stichworte