OGH 9Nc39/12b

OGH9Nc39/12b17.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Mag. Ziegelbauer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Österreichischer Gewerkschaftsbund, Johann-Böhm-Platz 1, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Roland Gerlach, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Fachverband der Autobus-, Luftfahrt- und Schifffahrt-Unternehmungen, Wirtschaftskammer Österreich, Wiedner Hauptstraße 63, 1040 Wien, vertreten durch Kunz Schima Wallentin, Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellungsantrag gemäß § 54 Abs 2 ASGG, über die Ablehnung des Hofrats des Obersten Gerichtshofs ***** Dr. ***** den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Hofrat des Obersten Gerichtshofs ***** Dr. ***** ist in der Rechtssache 8 ObA 40/12h nicht befangen.

Text

Begründung

Der Hofrat des Obersten Gerichtshofs ***** Dr. ***** ist Mitglied des 8. Senats, in dessen Zuständigkeit die Entscheidung über die aus dem Spruch ersichtliche Rechtssache fällt.

Der Antragsteller zeigt die Befangenheit dieses Hofrats an. Der Antragsgegner habe ein Rechtsgutachten von Univ.-Prof. Dr. *****, Vorstand des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien, sowie einen von dessen Assistentin und dem Antragsgegnervertreter verfassten Fachartikel vorgelegt, die gegen den Rechtsstandpunkt des Antragstellers sprächen. Auch habe ein anderer Professor dieses Instituts einen Artikel zur verfahrensgegenständlichen Rechtsfrage veröffentlicht, der den Standpunkt des Antragsgegners stütze. Hofrat ***** Dr. ***** sei an dem Institut als externer Lehrbeauftragter und Prüfer in einem freien Dienstverhältnis tätig und stehe mit Univ.-Prof. Dr. ***** in einem guten kollegialen Verhältnis. Er habe überdies an einer für das Verfahren einschlägigen wissenschaftlichen Tagung, die unter der Leitung eines weiteren Institutsprofessors gestanden sei und in der auch der Streitgegenstand ausgiebig erörtert worden sei, teilgenommen und dort ein Impulsreferat, wenn auch zu einem anderen Thema, gehalten.

Hofrat ***** Dr. ***** gibt bekannt, Lehrbeauftragter für dieses Institut zu sein. Abgesehen von der fallweise von ihm besuchten Institutsweihnachtsfeier habe er im Rahmen seiner normalen Lehr- und Prüftätigkeit (ca zwei Tage pro Semester) allerdings regelmäßig keinen persönlichen Kontakt zu Univ.-Prof. Dr. *****. Das gute kollegiale Verhältnis beruhe auf seiner jahrzehntelangen Teilnahme an einem von diesem veranstalteten Seminar für Praktiker. An der genannten Tagung habe er an jenem Tag, an dem die Vorträge zum Rechtsstandpunkt des Antragstellers gehalten worden seien, aus Zeitmangel nicht teilgenommen. Er nehme aber generell an wissenschaftlichen Veranstaltungen teil und erachte dies auch als Teil seiner Fortbildungsverpflichtung. Seine Teilnahme daran und seine eigene Vortragstätigkeit seien nicht auf Veranstaltungen des Universitätsinstituts beschränkt. Aufgrund seiner langen Tätigkeit im Bereich des Arbeitsrechts habe er mit zahlreichen Universitätsprofessoren, Rechtsanwälten und Interessenvertretern gute kollegiale Kontakte. Subjektiv erachte er sich nicht als befangen, weil es zu seinem richterlichen Alltag gehöre, sich mit deren Meinung kritisch auseinanderzusetzen.

Rechtliche Beurteilung

Die Ablehnung ist nicht berechtigt.

Befangenheit liegt vor, wenn ein Richter an eine Rechtssache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt, somit eine Hemmung zu unparteiischer Entscheidung durch sachfremde psychologische Motive gegeben ist. Für die Annahme des Vorliegens einer Befangenheit genügt nach ständiger Rechtsprechung, dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der äußere Anschein der Voreingenommenheit der zur Entscheidung berufenen Richter entstehen könnte (RIS-Justiz RS0045949 [T2, T4]).

Selbst unter Anlegung eines im Interesse des Ansehens der Justiz gebotenen strengen Maßstabs (RIS-Justiz RS0046052 [T12]) wird im vorliegenden Fall ein solcher Anschein der Voreingenommenheit jedoch nicht erreicht:

Regelmäßig ist alleine in einem - oft aufgrund der gemeinsamen Aus- oder Fortbildung - freundschaftlich-kollegialen Kontakt zwischen Richtern und Rechtsanwälten kein Befangenheitsgrund zu sehen, außer der Richter erklärt sich selbst für befangen (s RIS-Justiz RS0046076; zum kollegialen Verhältnis zu einem Richterkollegen vgl auch RIS-Justiz RS0108696). Ein derartiger Kontakt ist bei redlicher Betrachtung in der Regel nicht geeignet, den Anschein der Befangenheit zu begründen. Vielmehr kann von den Beteiligten grundsätzlich eine professionelle Trennung zwischen beruflicher und privater Sphäre erwartet werden (9 Nc 17/12t = RIS-Justiz RS0045970 [T7]), sodass auch bei objektiver Betrachtung eine von sachfremden Motiven geleitete Entscheidung schon dem Anschein nach nicht befürchtet werden muss. In dem Sinn kann auch die gemeinsame Tätigkeit eines Richters und eines Vertreters der Rechtswissenschaft in einer von einem konkreten Verfahren nicht betroffenen Institution im Allgemeinen nicht ausreichen, um eine Befangenheit zu begründen (9 Nc 17/12t mwN). Denn auch dadurch wird in der Regel nur eine kollegiale Beziehung begründet, die als solche aber nicht den Anschein der Voreingenommenheit für einen konkreten Rechtsstreit erwecken kann.

Ist aber schon eine freundschaftlich-kollegiale Beziehung eines Richters zu einem anderen Richter, einem Parteienvertreter oder einem Vertreter der Rechtswissenschaft dann, wenn sich der Richter nicht selbst als befangen erachtet, kein zureichender Befangenheitsgrund, so kann in Hinblick auf einen Privatgutachter einer Streitpartei nichts anderes gelten.

Auch in Zusammenhang mit der Tagungsteilnahme von Hofrat ***** Dr. ***** wird kein relevanter Befangenheitsgrund geltend gemacht. Die Sorge des Antragstellers um eine unparteiische Entscheidung ist somit nur darin begründet, dass Hofrat ***** Dr. ***** jenem Lehrkörper angehört, deren Mitglieder rechtliche Stellungnahmen für den Antragsgegner verfassten und mit denen er teilweise kollegiale Beziehungen unterhält. Nach den dargelegten Grundsätzen genügt dieser Umstand aber nicht, Bedenken an seiner Unbefangenheit zu begründen. Anders als in dem dem Beschluss des Obersten Gerichtshofs 9 Nc 17/12t zugrunde liegenden Sachverhalt besteht im vorliegenden Fall auch keine spezifisch verstärkte öffentliche Wahrnehmung einer gemeinsamen wissenschaftlichen Tätigkeit, die zum Anschein einer besonderen Identifikation des Richters mit dem Standpunkt des (dort:) Parteienvertreters führen könnte. Damit liegen insgesamt keine ausreichenden Gründe dafür vor, Hofrat ***** Dr. ***** in der Rechtssache 8 ObA 40/12k für befangen zu erklären.

Stichworte