European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00060.21S.1115.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.308,14 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 384,69 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Begründung:
[1] Das Genossenschaftsjagdgebiet der klagenden Jagdgenossenschaft besteht aus fünf Teiljagdgebieten. Im Jahr 2013 gab die Klägerin jedes dieser fünf Teiljagdgebiete beginnend vom 1. April 2013 bis 31. März 2023 in Bestand. Das Teiljagdgebiet A (*) verpachtete sie an die Beklagte.
[2] Die Klägerin als Verpächterin und die Beklagte als Pächterin schlossen den „Jagdpachtvertrag 2013“. Nach Punkt 14.2 hat/haben der/die Pächter im Fall der Pachtung durch eine juristische Person oder eine Mehrheit von Personen der Verpächterin binnen einer Woche nach Vertragsabschluss einen Jagdleiter im Sinne des § 11 Tiroler Jagdgesetz 2004 (TJG 2004) idgF namhaft zu machen. Erklärungen jeglicher Art des Jagdleiters sollen gegenüber der Verpächterin verbindlich sein.
[3] Der zwischen der Klägerin und der Beklagten abgeschlossene Jagdpachtvertrag und jene Jagdpachtverträge, welche die Klägerin für die anderen vier Teiljagdgebiete mit anderen Pächtern abgeschlossen hatte, wurden dem Bezirkshauptmann als der zuständigen Jagdbehörde angezeigt und von diesem zur Kenntnis genommen. Für jedes der fünf Teiljagdgebiete wurde der Jagdbehörde auch ein eigener Jagdleiter namhaft gemacht, für das von der Beklagten gepachtete Teiljagdgebiet F* P*.
[4] In einer gemeinsam unterfertigten, am 6. 6. 2017 bei der Bezirkshauptmannschaft eingelangten Eingabe zeigten die fünf Jagdleiter und der damalige Obmann der Klägerin die Bestellung von F* P* zum neuen Berufsjäger für das Genossenschaftsjagdgebiet an. Mit Bescheid vom 19. 9. 2017 versagte der Bezirkshauptmann diese Bestellung. Das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG Tirol) wies mit Erkenntnis vom 30. November 2017 die (Bestellungs‑)Anzeige vom 6. 6. 2017 als unzulässig zurück. F* P* sei als Beschwerdeführer nicht legitimiert gewesen, weil die Pächter der Teiljagdgebiete für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet nur einen einzigen Jagdleiter namhaft zu machen berechtigt seien.
[5] Dieses Erkenntnis des LVwG Tirol erwuchs in Rechtskraft und veranlasste die Bezirkshauptmannschaft, die fünf Jagdleiter der Teiljagdgebiete und den damaligen Obmann der Klägerin darauf hinzuweisen, dass sich die Jagdausübungsberechtigten der Teiljagdgebiete auf einen gemeinsamen Jagdleiter zu verständigen, die Ausübung des Jagdrechts an diesen zu übertragen und dies schriftlich anzuzeigen haben.
[6] Bei einer Besprechung am 1. 2. 2018 erläuterten der Bezirkshauptmann und der Leiter der Abteilung „Jagd und Fischerei“ dem rechtsfreundlichen Vertreter der Beklagten, dem Obmann der Klägerin und den fünf Jagdleitern der Teiljagdgebiete, dass aufgrund des Erkenntnisses des LVwG Tirol die dringende Notwendigkeit bestehe, an Stelle der Jagdleiter für jedes Teiljagdgebiet nur einen gemeinsamen Jagdleiter für das gesamte Jagdgebiet zu bestellen. Andernfalls bestehe eine Art „Handlungsunfähigkeit“, die sich unmittelbar auf die Jagdausübung von der Einreichung des Abschussplans bis hin zur Meldung von Abschüssen und der Ausstellung von Jagdberechtigungen auswirke. Den Jagdpächtern trugen sie auf, bis spätestens 15. 4. 2018 einen den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Jagdleiter zu bestellen, widrigenfalls die Abschusspläne behördlich festgesetzt werden. Der Bezirkshauptmann wies darauf hin, dass es für die Bestellung eines Jagdleiters für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet eines einstimmigen Beschlusses der Jagdpächter der Teiljagdgebiete bedürfe. Der zuständige Leiter der Abteilung „Jagd und Fischerei“ kündigte an, es werde im Fall der Nichtbestellung eines Jagdleiters für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet zu einer amtswegigen Auflösung der Pachtverträge betreffend die Teiljagdgebiete kommen. Beide Organwalter wiesen aber auch darauf hin, dass die zu treffende Jagdleiter-Bestellung nur eine Übergangslösung sei, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit spätestens Ende des Jahres 2018 eine entsprechende Änderung des TJG 2004 in Kraft treten werde, weil die bisherige Verwaltungspraxis, für jedes Teiljagdgebiet einen Jagdleiter namhaft machen zu können, bestens funktioniert habe.
[7] Am 5. 2. 2018 einigten sich die Jagdpächter der Teiljagdgebiete darauf, der Bezirkshauptmannschaft als Jagdleiter für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet I* S* namhaft zu machen. Der Obmann der Klägerin äußerte seine Bedenken, F* P* zum Jagdleiter für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet zu bestellen; dies insbesondere wegen dessen Vorgeschichte und weil die Bezirkshauptmannschaft ihm schon seine Bestellung zum Berufsjäger für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet versagt hatte. Auch der für die Beklagte anwesende, von dieser aber nicht bevollmächtigte F* P* teilte diese Bedenken und war für eine Bestellung von I* S* zum Jagdleiter für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet; dies aber vorbehaltlich der noch vom Geschäftsführer der Beklagten einzuholenden Zustimmung, die dieser aber verweigerte. Er ersuchte vielmehrdie Pächter der übrigen vier Teiljagdgebiete, der Bestellung von F* P* zum Jagdleiter für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet zuzustimmen.
[8] Am 14. 2. 2018 erläuterte I* S* den Pächtern der übrigen vier Teiljagdgebiete und dem Obmann der Klägerin eine von ihm erstellte „Aufgabenverteilung nach Jagdteilgebieten“ für das Jagdjahr 2018/19. Mit dieser Aufgabenverteilung wollte er die bisherige Autonomie und „Souveränität“ der einzelnen Teiljagdgebiete und deren Pächter soweit wie möglich wahren, aber auch verhindern, dass er als für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet zuständiger Jagdleiter für sämtliche Verwaltungsübertretungen hafte, die in den einzelnen Teiljagdgebieten allenfalls begangen werden. Die Anwesenden waren mit dieser Aufgabenverteilung einverstanden.
[9] Am 19. 2. 2018 übermittelte der Obmann der Klägerin diese Aufgabenverteilung dem Geschäftsführer der Beklagten mit dem Ersuchen, der Bestellung von I* S* zum Jagdleiter für die gesamte Genossenschaftsjagd zuzustimmen. Dieser antwortete am 21. 2. 2018, dass er zur Kenntnis nehme, dass sein Wunsch ohne Begründung zurückgewiesen bzw nicht zur Kenntnis genommen worden sei. Er respektiere diese Entscheidung und wolle dieser nicht im Wege stehen, er bitte jedoch auch um Verständnis dafür, dass er wie vertraglich vereinbart (Pkt 14.2 des Pachtvertrags) und bislang geregelt auch weiterhin selbst seinen Jagdleiter bestellen und in seinem Revier über das Jagdausübungsrecht verfügen wolle. Nachdem dies nun leider nicht möglich sei, kündige er seinen Jagdpachtvertrag vom 14. 2. 2013 mit Wirksamkeit zum Ablauf des Jagdjahres 2017/18 aus wichtigem Grund.
[10] Am 5. 3. 2018 erläuterte I* S*die von ihm erstellte Aufgabenverteilung dem Bezirkshauptmann und dem Leiter der Abteilung „Jagd und Fischerei“. Diese akzeptierten die Aufgabenverteilung inhaltlich. Sie rieten der Klägerin im Hinblick auf die oben erwähnte Kündigung der Beklagten zu einer Eigenbewirtschaftung des Teiljagdgebiets. Ob eine solche Eigenbewirtschaftung eine rechtswirksame Auflösung des Jagdpachtverhältnisses mit der Beklagten voraussetzt, wurde nicht erörtert. Der Obmann der Klägerin ging davon aus, dass die Eigenbewirtschaftung nur vorübergehend sein werde, und zwar solange, bis geklärt ist, ob die Beklagte das Jagdpachtverhältnis rechtswirksam aufgelöst hat.
[11] Am 13. 3. 2018 übermittelte I* S* der Bezirkshauptmannschaft seine „Aufgabenverteilung nach Jagdteilgebieten“ und ein Schreiben, wonach „die Pächter der Genossenschaftsjagd“ mit sofortiger Wirkung die Ausübung des Jagdrechts auf ihn als Jagdleiter übertragen. Als Vertreter des von der Beklagten gepachteten Jagdteilgebiets A wurde nicht die Beklagte, sondern der Obmann der Klägerin angeführt. Dieser hatte ebenso unterfertigt wie die Pächter der übrigen vier Teiljagdgebiete. Damit wollte er ausschließlich gegenüber der Jagdbehörde die fehlende Zustimmung der Beklagten zur Bestellung von I* S* zum Jagdleiter für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet ersetzen, aber keineswegs einer vorzeitigen Auflösung des Jagdpachtverhältnisses mit der Beklagten zustimmen.
[12] Am 15. 3. 2018 forderte die Beklagte von der Klägerin unter Bezugnahme auf deren Kündigung des Pachtvertrags vom 21. 2. 2018 die Rückstellung der Kaution und urgierte einen Termin zur Rückstellung der Jagd. Am 22. 3. 2018 erwiderte die Klägerin, dass keine Berechtigung zur Kündigung des Jagdpachtvertrags bestehe. Die Kündigung sei nicht berechtigt und werde von der Klägerin nicht akzeptiert.
[13] Am 22. 3. 2018 gab deren Obmann in der ordentlichen Vollversammlung der Klägerin bekannt, dass die Kündigung der Beklagten noch auf ihre Rechtswirksamkeit überprüft werde und, sollte die Kündigung als rechtskonform befunden werden, die Eigenbewirtschaftung des Teiljagdgebiets anzustreben sei. Diese Eigenbewirtschaftung des Teiljagdgebiets („bei Kündigung der Beklagten“) wurde daraufhin einstimmig beschlossen. I* S* wurde ebenso einstimmig als neuer Jagdleiter für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet bestätigt.
[14] Am 8. 4. 2018 forderte der (neue) Obmann der Klägerin von der Beklagten den für das Pachtjahr 2018/19 zu zahlenden wertgesicherten „Pachteuro“. Am 11. 4. 2018 verwies die Beklagte auf die Kündigung vom 21. 2. 2018 mit Wirksamkeit zum Ablauf des Jagdjahres 2017/18 aus wichtigem Grund.
[15] Die Beklagte zahlte der Klägerin das ihr für die Jagdjahre 2018/19 und 2019/20 vorgeschriebene Entgelt nicht. Die Klägerin stellte die Kaution von 15.000 EUR nicht zurück. Aus der Vergabe von Wildabschusspaketen an Dritte erzielte die Klägerin in den Jagdjahren 2018/19 und 2019/20 Einnahmen von 69.400 EUR. Selbst nach Abzug all jener Aufwendungen, welche der Klägerin durch die von ihr in diesenJahren praktizierte Eigenbewirtschaftung des Teiljagdgebiets A entstanden, übersteigen die von ihr durch den Verkauf von Abschusspaketen erzielten Einnahmen die Entgelte für die Jagdjahre 2018/19 und 2019/20 von insgesamt 32.182,58 EUR.
[16] Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung des Entgelts für das Jagdjahr 2018/19 von 15.945,32 EUR und für das Jagdjahr 2019/20 von 16.237,26 EUR. Sie stellte zudem den Zwischenantrag auf Feststellung, dass der Jagdpachtvertrag noch aufrecht ist und durch die Kündigung der Beklagten per 31. 3. 2018 nicht beendet wurde.
[17] Die Beklagte beantragte die Abweisung sowohl des Zahlungsbegehrens als auch des Zwischenantrags auf Feststellung. Gegenüber einer allenfalls zu Recht bestehenden Klageforderung wandte die Beklagte die Einnahmen der Klägerin aus dem Verkauf von Abschusspaketen in den Jagdjahren 2018/19 und 2019/20 von insgesamt 69.400 EUR als Gegenforderung kompensando ein.
[18] Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit 32.182,58 EUR sowie die Gegenforderung bis zur Höhe der Klageforderung zu Recht bestünden und wies das Zahlungsbegehren ab. Dem Zwischenantrag auf Feststellung gab es statt. Es stellte fest, dass das Jagdpachtverhältnis zwischen den Streitteilen aus deren „Jagdpachtvertrag 2013" aufrecht sei.
[19] Die Jagdbehörde habe von den Pächtern der Teiljagdgebiete die Bestellung und Namhaftmachung eines Jagdleiters für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet verlangt. Erst dadurch sei die Beklagte damit konfrontiert gewesen, dass die Pächter der übrigen vier Teiljagdgebiete den von der Beklagten gewünschten Jagdleiter F* P* für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet nicht akzeptieren.
[20] Durch die in § 11 Abs 6 TJG 2004 normierte Verpflichtung einer juristischen Person zur Bestellung eines Jagdleiters werde das Jagdausübungsrecht zivilrechtlich nicht vom Pächter auf den Jagdleiter übertragen, sondern dieses verbleibe beim Pächter. Pkt 14.2 des Pachtvertrags, wonach die Pächterin einen Jagdleiter namhaft zu machen habe, gebe insofern nur die Rechtslage nach dem TJG 2004 wieder, begründe aber kein privatrechtlich vereinbartes Recht der Beklagten auf Bestellung und Namhaftmachung eines ihr genehmen Jagdleiters. Der Umstand, dass die Beklagte daran gescheitert sei, die von ihr favorisierte Person zum Jagdleiter für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet zu bestellen, sei daher ausschließlich ihrer Sphäre zuzurechnen und damit keinwichtiger Grund zur vorzeitigen Vertragsauflösung im Sinn des § 1117 ABGB. Das „Kündigungsschreiben“ der Beklagten vom 21. 2. 2018 habe das Jagdpachtverhältnis daher nicht beendet.
[21] Ein allfälliges Anbot der Beklagten auf vorzeitige Auflösung des Jagdpachtverhältnisses hätte die Klägerin mit Schreiben vom 22. 3. 2018 unmissverständlich abgelehnt. Auch in den in der Vollversammlung der Klägerin am 22. 3. 2018 gefassten Beschlüssen sei keine konkludente Zustimmung der Klägerin zu einer vorzeitigen (einvernehmlichen) Auflösung des Jagdpachtverhältnisses zu erblicken, weil diese Beschlüsse nur gefasst worden seien, um die von der Jagdbehörde angeregte vorübergehende Eigenbewirtschaftung zu ermöglichen. Das Jagdpachtverhältnis sei also nach wie vor aufrecht.
[22] Die Beklagte habe im Sinn des § 1107 2. Satz ABGB zwar den Bestandzins zu zahlen, die Klägerin müsse sich aber andererseits nach § 1107 3. Satz ABGB alles anrechnen lassen, was sie aus der anderweitigen Verwertung des Bestandobjekts, hier also durch den Verkauf von Wildabschüssen, erworben habe. Da die von der Klägerin in den Jagdjahren 2018/19 und 2019/20 daraus erzielten Einnahmen selbst nach Abzug all jener Aufwendungen, welche der Klägerin durch die in diesen beiden Jagdjahren im Teiljagdgebiet praktizierte Eigenbewirtschaftung entstanden seien, die Entgelte, die die Beklagte für diese beiden Jagdjahre bislang nicht gezahlt habe, noch immer überstiegen, bestehe zwar die Klageforderung mit 32.182,58 EUR zu Recht, jedoch die kompensando eingewandte Gegenforderung zumindest bis zur Höhe der Klageforderung ebenfalls.
[23] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Zahlungsbegehren sowie den Zwischenantrag auf Feststellung ab.
[24] Werde die Ausübung des Jagdrechts an eine juristische Person verpachtet, habe der Pächter die Ausübung des Jagdrechts auf einen Jagdleiter zu übertragen (§ 11 Abs 6 TJG). Dieser Jagdleiter sei gegenüber der Jagdbehörde öffentlich‑rechtlicher Verantwortlicher des Jagdgebiets und habe dementsprechend die vom Gesetz eingeräumten Anordnungsbefugnisse für seinen Verantwortungsbereich. Insbesondere kämen ihm die nach den jagdrechtlichen Vorschriften dem Jagdausübungsberechtigten zugewiesenen Rechte und Pflichten zu (§ 11a Abs 1 TJG). Im Jagdpachtvertrag sei unter Pkt 14.2 ausdrücklich festgehalten, dass die Beklagte als juristische Person einen derartigen Jagdleiter namhaft zu machen habe und dass sämtliche Erklärungen dieses Jagdleiters gegenüber der Verpächterin verbindlich seien. Aus diesen jagdgesetzlichen Bestimmungen und der (zivilrechtlichen) Vereinbarung der Parteien ergebe sich, dass die Person des Jagdleiters für die Beklagte als Jagdpächterin von wesentlicher Bedeutung sei. Dass die Beklagte ein Interesse daran habe, einen Jagdleiter ihres Vertrauens eigenverantwortlich auszuwählen und mit diesen Aufgaben zu beauftragen, sei evident. Der Beklagten sei dieses Recht durch die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts und die darauf folgenden hoheitlichen Tätigkeiten der Bezirkshauptmannschaft verwehrt. In diesem Zusammenhang sei es rechtlich irrelevant, ob der Tiroler Landesgesetzgeber letztlich durch die Novellierung des TJG (LGBl 144/2018) mit der Neufassung der Bestimmung des § 11 Abs 1 TJG die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Problematik beseitigt habe. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs ihrer Kündigung habe die Beklagte keinen von ihr frei gewählten Jagdleiter für ihr Pachtgebiet wirksam bestellen können, was einen außerordentlichen Kündigungsgrund bewirke.
[25] Die Klägerin habe nicht nur die Eigenbewirtschaftung des Jagdpachtgebiets der Beklagten beschlossen und dafür einen Jagdleiter bestellt, sondern auch die Abschüsse in diesem Gebiet im Weg von Wildabschussverträgen verkauft. Dieses Verhalten könne bei verständiger Gesamtwürdigung nur dahin verstanden werden, dass die Klägerin der erklärten Vertragsauflösung der Beklagten (konkludent) zugestimmt habe. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Klägerin zugleich erklärt habe, am Pachtvertrag festhalten zu wollen. Dieses widersprüchliche Verhalten verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und sei gegenüber der Beklagten unwirksam.
[26] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zu den diesem Fall zugrunde liegenden Rechtsfragen keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
[27] Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage vollinhaltlich stattzugeben, in eventu das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
[28] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[29] Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – nicht zulässig und zurückzuweisen, weil sie keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt.
[30] 1.1. Der Bestandnehmer ist nach der ständigen Rechtsprechung zu § 1117 ABGB zur Vertragsauflösung berechtigt, wenn er aus Gründen, die nicht in seiner Sphäre liegen, vom Bestandobjekt nicht den bedungenen Gebrauch machen kann, gleichgültig, ob aus Verschulden des Bestandgebers oder durch Zufall (5 Ob 91/19x; RS0102015). Dieses Recht steht dem Bestandnehmerauch dann zu, wenn er sonstige gewichtige Umstände dartun kann, die es für ihn unzumutbar erscheinen lassen, weiterhin am Bestandvertrag festhalten zu müssen (RS0027780 [T19, T39]).
[31] 1.2. Der Grund für die vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses muss dabei nicht zwingend aus der Sphäre des Bestandgebersstammen. Die vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund kommt nur dann nicht in Betracht, wenn der Bestandnehmer oder die ihm zurechenbaren Personen die Gebrauchsbeeinträchtigung verschuldet haben oder jene Umstände, die die vorzeitige Auflösung des Bestandvertrags begründen sollen, in der Sphäre des Bestandnehmers liegen (vgl RS0102015; RS0117105; Höllwerth in GeKo Wohnrecht I § 1117 ABGB Rz 18 mwN).
[32] 1.3. Der Grundsatz, dass der Bestandnehmer immer dann zur Auflösung berechtigt ist, wenn die Gründe dafür nicht in seiner Sphäre liegen, gilt – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch für einen Jagdpachtvertrag. Auch aus der Entscheidung 1 Ob 108/03v ergibt sich nichts Gegenteiliges. Der Oberste Gerichtshof hobdarinzwar hervor, dass einem Vertragspartner die vorzeitige Auflösung eines Jagdpachtvertrags stets möglich ist, wenn die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses aus beim anderen Vertragspartner liegenden Gründen unzumutbar ist. Damit brachte er aber nicht zum Ausdruck, dass dies die einzige Möglichkeit für eine vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund sei, eine solche also nicht in Betracht komme, wenn dieserin einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse liegt, die keinem der Vertragspartner zuzurechnenist.
[33] 2.1. Die vorzeitige Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses ist nach der ständigen Rechtsprechung nur das „äußerste Notventil“, sodass ein strenger Maßstab an die Qualität der für die Aufhebung des Bestandvertrags nach § 1117 ABGB notwendigen wichtigen Gründe anzulegen ist (5 Ob 91/19x; RS0018813 [T1, T3]; RS0020861 [T4]; RS0020919 [T9]; RS0020907 [T2]).
[34] 2.2. Als wichtige Gründe kommen insbesondere Vertragsverletzungen, der Verlust des Vertrauens in die Person des Vertragspartners oder schwerwiegende Änderungen der Verhältnisse in Betracht, welche die Fortsetzung der vertraglichen Bindungen nicht zumutbar erscheinen lassen (RS0018377 [T20]; RS0027780 [T47]). Dabei ist eine umfassende Abwägung des Bestandsinteresses der einen Seite und des Auflösungsinteresses der anderen Seite vorzunehmen (RS0027780 [T9]).
[35] 2.3. Ob der Bestandnehmer wegen von ihm behaupteter Beeinträchtigungen der Benützung des Bestandobjekts im Sinn des § 1117 ABGB oder Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses aus anderen Gründen zur Auflösung des Bestandverhältnisses aus wichtigem Grund berechtigt ist, hängt von den Umständen des zu beurteilenden Einzelfalls ab und ist daher in der Regel keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0020919 [T4]). Diese Frage könnte daher zur Wahrung der Rechtssicherheit im Rahmen einer Revision nur dann aufgegriffen werden, wenn eine auffallende Fehlbeurteilung des Gewichts der Auflösungsgründe erkennbar wäre (RS0042834).
[36] 3.1. Das Berufungsgericht sah in dem Umstand, dass die Beklagte für das von ihr gepachtete Teiljagdgebiet keinen von ihr frei gewählten Jagdleiter bestellen konnte, einen die außerordentliche Kündigung rechtfertigenden wichtigen Grund. Diese Rechtsansicht ist keine zur Wahrung der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung. Auf die vom Berufungsgericht in seiner Hilfsbegründung bejahte, ebenso von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängige Frage, ob der Jagdpachtvertrag nicht jedenfalls konkludent einvernehmlich vorzeitig aufgelöst wurde, kommt es hier daher nicht mehr an.
[37] 3.2. Der von der Beklagten als Grund für die vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses genannte Umstand stammt nicht aus deren Sphäre. (Erst) Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 30. 11. 2017 veranlasste die Bezirkshauptmannschaft, darauf hinzuwirken, dass die Pächter der Teiljagdgebiete entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet einen einzigen gemeinsamen Jagdleiter namhaft machen. Andernfalls drohe eine Art „Handlungsunfähigkeit“, die behördliche Festsetzung der Abschusspläne und die amtswegige Auflösung der Pachtverträge. Der Wunsch der Beklagten in Entsprechung dieser Aufforderung die von ihr gewählte Person zum Jagdleiter für das gesamte Genossenschaftsjagdgebiet zu machen, fand nicht die Zustimmung der anderen Jagdpächter. Unter aktiver Beteiligung des Obmanns des Klägers bestellten diese vielmehr eine andere Person. Weder die Vorgaben der Jagdbehörde noch die Ablehnung der von ihr favorisierten Person durch die Klägerin und die anderen Jagdpächter lagen im Einflussbereich der Beklagten. Die Umstände, die die Bestellung des von ihr gewählten Jagdleiters für das von ihr gepachtete Teiljagdgebiet verhinderten, sind daher nicht ihrer Sphäre zuzurechnen.
[38] 3.3. Die Klägerin zeigt in ihrer Revision auch keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Schwere der mit der Bestellung eines nicht frei gewählten Jagdleiters verbundenen Beeinträchtigung der Rechtsposition der Beklagten auf. Dass die Bestellung eines der Pächterin genehmen Jagdleiters für das von ihr gepachtete Teiljagdgebiet wesentlich ist, ergibt sich – worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat – nicht nur aus den diesem obliegenden gesetzlichen Aufgaben (§ 11a TJG 2004), sondern auch schon aus dem Jagdpachtvertrag selbst, wonach Erklärungen jeglicher Art des Jagdleiters gegenüber der Verpächterin verbindlich sind (Pkt 14.2 letzter Satz). Damit hat das Berufungsgericht den ihm bei dieser Interessenabwägung eingeräumten Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Daran vermag auch die im Weg einer „Aufgabenverteilung nach Teiljagdgebieten“ angestrebte größtmögliche Wahrung der Souveränität der einzelnen Pächter im Innenverhältnis nichts zu ändern. Gleiches gilt im Hinblick auf die verbliebene Ungewissheit für die bloße Ankündigung einer geplanten Gesetzesänderung und den Verweis auf Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung. Mit dem Vorbringen, die rechtsfreundlich vertretene Beklagte hätte erkennen müssen, dass die Rechtsansicht der Bezirkshauptmannschaft verfehlt sei und deshalb die Bestellung des von ihr favorisierten Jagdleiters im Verwaltungsweg durchsetzen können und müssen, verstößt die Klägerin allerdings gegen das im Revisionsverfahren geltende Neuerungsverbot.
[39] 4.1. Die Revision ist somit mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und zurückzuweisen.
[40] 4.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0112296).
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