OGH 8ObS5/21z

OGH8ObS5/21z22.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Josef Putz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Nusterer & Mayer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei IEF‑Service GmbH, Geschäftsstelle St. Pölten, 3100 St. Pölten, Daniel‑Gran‑Straße 8–12/3, wegen 2.054 EUR netto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. Mai 2021, GZ 7 Rs 12/21 t‑14, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBS00005.21Z.1022.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin war von 20. 9. 2018 bis 9. 11. 2018 bei der späteren Schuldnerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war mit 20. 12. 2018 befristet und endete durch zeitwidrige Kündigung durch den Arbeitgeber am 9. 11. 2018. Die Klägerin machte ihre offenen Ansprüche, darunter Kündigungsentschädigung bis zum Ende der Befristung, gerichtlich geltend, das Verfahren endete mit Vergleich am 11. 6. 2019. Am 16. 8. 2019 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet.

[2] DieKlägerin begehrt die Zahlung von Insolvenz-Entgelt in Höhe von 2.054 EUR netto als Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 17. 11. 2018 bis 20. 12. 2018.

[3] Die Beklagte bestreitet.

[4] Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil Folge und wies das Klagebegehren ab.

[5] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nicht zugelassen, weil keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu beurteilen sei.

[6] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1. Nach § 3 Abs 3 IESG sind der Berechnung des Insolvenz-Entgelts für gesicherte Ansprüche nur die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrunde zu legen. Diese Bestimmung findet auch auf befristete Arbeitsverhältnisse Anwendung, jedoch nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis nicht vorher durch Fristablauf endet.

[8] 2. In der Entscheidung 8 ObS 4/17x hat der Oberste Gerichtshof zu einer dem vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellation ausgeführt, dass der Zweck dieser Bestimmung in der Begrenzung der gesicherten Ansprüche liegt. Nach dieser Begrenzung sollen die gesicherten Ansprüche in Ausmaß und Dauer der Sicherung von Einzelvereinbarungen unabhängig sein. Die Sicherung der Ansprüche soll auf das beschränkt werden, was durch gesetzliche oder kollektivvertragliche Regelungen vorgegeben ist. Das Ausmaß der gesicherten Ansprüche ist demnach für die Zeit bis zum Ablauf der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen und Kündigungstermine beschränkt. Eine einzelvertraglich vereinbarte Verlängerung der Kündigungsfrist kann keine anspruchserhöhende Wirkung haben. Nach dem klaren Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung muss die Bezugnahme auf die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen und ‑termine auch für befristete Dienstverhältnisse Bedeutung haben.

[9] Diese Judikatur steht in Einklang mit früheren Entscheidungen, so der Entscheidung 8 ObS 23/03w, nach der nach dem völlig unzweideutigen Wortlaut diese Gesetzesstelle (§ 3 Abs 3 IESG) der Berechnung des Insolvenzentgelts für gesicherte Ansprüche auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrunde zu legen sind.

[10] Auch in 8 ObS 219/01s billigte der Oberste Gerichtshof den Standpunkt, dass die gesetzliche Anordnung, wonach die Vereinbarung einer längeren Kündigungsfrist oder eines von der gesetzlichen Lage abweichenden Kündigungstermins keine weiteren Ansprüche auf Insolvenzentgelt begründen könne, umso mehr für ein befristetes Arbeitsverhältnis gelten müsse, weshalb in einem solchen Fall das Insolvenzentgelt bloß unter Zugrundelegung der gesetzlichen Kündigungsfrist und des gesetzlichen Kündigungstermins sowie unter Vernachlässigung der Befristung zu berechnen sei.

[11] 3. Das Berufungsgericht hat sich in seiner Entscheidung an dieser Judikatur orientiert, von der abzugehen auch in der Revision kein Grund aufgezeigt wird.

[12] Der Kläger geht davon aus, dass aufgrund der Tatsache, dass die vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geendet habe, es zu keiner „Verlängerung“ der Kündigungsfrist über den Insolvenzeröffnungszeitpunkt hinaus gekommen sei.

[13] Allerdings zeigt die Revision nicht auf, aus welchem besonderen Grund ein vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordener Anspruch hinsichtlich der Entgeltsicherung nach § 3 Abs 3 IESG günstiger zu behandeln wäre als ein Entschädigungsanspruch nach § 25 Abs 2 IO (vgl zum berechtigten vorzeitigen Austritt: 8 ObS 12/10p).

[14] Nach dem Wortlaut des § 3 Abs 3 IESG sind alle gesicherten Ansprüche erfasst, deren Berechnung Kündigungsfristen und -termine zugrunde liegen, ohne nach ihrer Fälligkeit vor oder nach Eintritt des Insolvenztatbestands nach § 1 Abs 1 IESG zu unterscheiden. In der Rechtsprechung wurde die Bestimmung bisher lediglich insofern einschränkend ausgelegt, als – anders als bei den Schadenersatzansprüchen – Ansprüche auf laufendes Entgelt während einer über das gesetzliche Ausmaß hinausgehenden Kündigungsfrist, in welcher der Dienstnehmer tatsächlich noch zur Arbeitsleistung verpflichtet war, nicht der Begrenzung unterliegen. In diesem Fall würde eine unterschiedliche Behandlung des laufenden Entgelts gekündigter und ungekündigter Dienstnehmer zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Schlechterstellung der ersteren führen (8 ObS 121/02f ua).

[15] 4. Aus der vom Kläger herangezogenen Entscheidung 8 ObS 9/14b ist für ihn ebenfalls nichts zu gewinnen. Auch in dieser hat der Oberste Gerichtshof ausdrücklich darauf verwiesen, dass für befristete Arbeitsverhältnisse § 3 Abs 3 letzter Satz IESG gilt. Die Anwendung in der konkret zu beurteilenden Konstellation wurde jedoch verneint, weil der Zweck der Bestimmung, die Sicherung der Ansprüche im Wesentlichen auf das zu beschränken, was schon allgemein durch gesetzliche oder kollektivvertragliche Regelungen vorgegeben sei, nicht zur Geltung komme, weil die Arbeitnehmerin keine sie gegenüber den Regelungen des Angestelltengesetzes besser stellende einzelvertragliche Vereinbarung getroffen hatte.

[16] 5. Die außerordentliche Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Stichworte