European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00125.21T.1021.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die klagende Molkerei kaufte bei der beklagten niederländischen GmbH eine Kontaktbratanlage, die eine Kapazität von ca 6.000 Stück Käse pro Stunde aufweisen sollte, tatsächlich aber nur eine Stundenleistung von 3.333 Stück erbrachte.
[2] Auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen ist materielles niederländisches Recht anzuwenden.
[3] Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe der gelieferten Anlage. Die Beklagte, der bekannt gewesen sei, dass ein Ausstoß von 6.000 Stück pro Stunde Kaufvoraussetzung für die Klägerin gewesen sei, habe die Produktionsmenge der Anlage falsch dargestellt und die Klägerin darüber in Irrtum geführt. Gemäß Art 6:228 Burgerlijk Wetboek (BW) und Art 3:53 BW wirke die Vertragsannullierung auf den Tag des Vertragsabschlusses zurück; die erfüllten vertraglichen Leistungsverpflichtungen seien daher zur Gänze rückabzuwickeln.
[4] Die Beklagte erwiderte, die Klägerin habe sie nach Art 6:81 Abs 1 BW nicht gehörig in Verzug gesetzt, weil sie keine Frist für die geforderte Mängelbehebung gesetzt habe. Im Übrigen liege keine Mangelhaftigkeit vor. Außerdem sei der Anspruch verjährt, weil die Klage mehr als zwei Jahre nach der ersten Mängelrüge eingebracht worden sei. Wegen der mittlerweiligen Verwendung der Anlage durch die Klägerin machte die Beklagte eine Gegenforderung geltend.
[5] Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung und teilweise auch die Gegenforderung als zu Recht bestehend. Die Klägerin sei mit ihrer – auch nicht verjährten – Irrtumsanfechtung im Recht. Diese führe zur wechselseitigen Rückabwicklung der jeweils empfangenen Leistungen.
[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die Beklagte beantragt mit ihrer außerordentlichen Revision die Abweisung der Klage. Sie stützte sich erneut auf Verjährung und bemängelte im Übrigen fehlende Feststellungen zur Voraussetzung der Irrtumsanfechtung. Damit zeigt sie aber keine erheblichen Rechtsfragen auf, weshalb ihre Revision nicht zulässig und somit zurückzuweisen ist.
[8] 1. Im Zusammenhang mit der Anwendung ausländischen Rechts ist das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nur dann denkbar, wenn dieses Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht nicht beachtet wurde (vgl RIS‑Justiz RS0042948 [T3]).
[9] 2.1. Die allgemeine Verjährungsfrist für Ansprüche beträgt im niederländischen Recht 20 Jahre (Art 3:306 BW), in Sonderfällen auch 30 Jahre (Art 3:310 Abs 2 BW). Für einige Ansprüche gilt jedoch eine kürzere Frist von fünf Jahren, beispielsweise für Leistungskonditionen. Anfechtungsrechte verjähren schon nach drei Jahren, so auch das Recht auf Klagserhebung auf Nichtigerklärung eines Rechtsgeschäfts im Falle von Irrtum (siehe Art 3:52 Abs 3 lit c BW). Die Verjährung wird durch gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs unterbrochen (Mincke/Heutger, Niederländisches Recht, Rz 181 ff).
[10] 2.2. Wie bereits vom Berufungsgericht ausgeführt, wird aus Art 7:23 Abs 1 BW eine Rügepflicht abgeleitet, nach der der Käufer innerhalb angemessener Zeit nach Entdecken eines Mangels den Verkäufer hievon in Kenntnis zu setzen hat, widrigenfalls er sich nicht mehr darauf berufen kann, dass das Gelieferte nicht dem Vertrag entspricht. Art 7:23 Abs 2 BW bestimmt, dass solche Ansprüche binnen zwei Jahren nach Anzeige des Mangels verjähren. Dabei genügt es, dass der Käufer innerhalb dieser zweijährigen Verjährungsfrist eine außergerichtliche Aufhebung erklärt (Berufungsgericht Arnhem 17. 7. 2012, AZ 200.092.831, Pkt 4.5; Hagedorn/Tervoot in Niederländisches Wirtschaftsrecht, Kap III, A. Allgemeiner Teil Rz 36).
[11] 2.3. Die Beklagte argumentiert in ihrer Revision, Art 7:23 BW sei eine lex specialis zu den Verjährungsbestimmungen der Irreführung und die kürzere Zwei‑Jahres‑Frist sei immer dann anzuwenden, wenn es – wie hier – um einen Irrtum in Bezug auf die Nichterfüllung eines Vertrags gehe. Dabei übergeht sie jedoch, dass das Berufungsgericht ohnehin von der Geltung der zweijährigen Verjährungsfrist ausging und diese als unterschritten ansah. Wenn die Beklagte ausführt, dass die Klägerin bereits am 20. 5. 2016 Kenntnis des Mangel gehabt habe und daher die Klageerhebung am 15. 10. 2018 verspätet (weil außerhalb der zweijährigen Verjährungsfrist des Art 7:23 BW) sei, übersieht sie die außergerichtliche Aufhebungserklärung der Klägerin: Die Lieferung der Maschine erfolgte am 18. 5. 2016. Mit E‑Mail vom 20. 5. 2016 erhob die Klägerin die erste Beanstandung; weitere Schreiben folgten am 10. 8. 2016 und am 15. 12. 2016. In letzterem setzte die Klägerin der Beklagten eine „letzte Nachfrist bis 23. 12. 2016“ und erklärte, wenn die Klägerin bis dahin keinen akzeptablen Lösungsvorschlag erhalte, wäre sie gezwungen, der Beklagten „gegen Rückzahlung des entrichteten Verkaufspreises die Maschine zur Verfügung zu stellen. Eine Rückabwicklung des Geschäfts wäre dann unvermeidlich!“. Mit E‑Mail vom 3. 7. 2017 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zurücknahme der Maschine auf, was diese ablehnte. Mit E‑Mail vom 16. 8. 2017 erklärte die Klägerin sodann den Rücktritt vom Vertrag wegen der nicht behobenen zu geringen Produktionskapazität der Maschine und berief sie sich hierzu auf Gewährleistung, Irrtumsanfechtung und Schadenersatz. Damit nahm die Klägerin die in Art 3:49 BW angeführte außergerichtliche schriftliche Erklärung vor, mit der die Aufhebung des Kaufvertrags verlangt wurde.
[12] 2.4. Selbst wenn daher die Klägerin bereits im Mai 2016 Kenntnis des Mangels hatte und diesen rügte, liegt die Aufkündigung des Vertrags mit 16. 8. 2017 immer noch innerhalb der zweijährigen Verjährungsfrist ab Anzeige des Mangels.
[13] 3.1. Bei der Irrtumsanfechtung nach Art 6:228 Abs 1 BW muss das Fehlen der richtigen Vorstellung über den Sachverhalt dermaßen gravierend sein, dass die irrende Person den Vertrag nicht geschlossen hätte, wenn sie die Tatsache gekannt hätte, über die sie sich geirrt hat (Art 6:228 Abs 1 BW). Hierbei ist vor allem darauf zu achten, ob eine Vertragspartei von bestimmten Tatsachen weiß und diese Vertragspartei außerdem wusste oder hätte wissen müssen, dass diese Information für die Gegenseite von ausschlaggebender Bedeutung ist (Hagedorn/Tervoot in Niederländisches Wirtschaftsrecht, Kap III, A. Allgemeiner Teil, Rz 22).
[14] 3.2. Die Klägerin teilte der Beklagten schriftlich mit, dass sie eine Maschine mit einer Produktionskapazität von 6.000 Stück pro Stunde erwerben wolle. In ihrer schriftlichen Antwort bestätigte die Beklagte diese Qualifikation. In ihrem Angebot wurde unter der Überschrift „Produkt- und Verarbeitungsinformation“ und dem Unterpunkt „Kapazität Endprodukt“ festgehalten, dass die Kapazität bei „ca. 6.000 Stk./St* (390 kg/St)“ liegt. Der Irrtum der Klägerin beruht daher auf der Auskunft der Beklagten. Da keine Umstände vorliegen, die darauf hinweisen, der Beklagten wäre nicht bewusst gewesen, dass die Klägerin nur unter der genannten Kapazitätsvoraussetzung den Vertrag abschließen wolle, hat das Berufungsgericht vertretbar einen Fall des Art 6:228 Abs 1 lit a BW als gegeben angesehen.
[15] 4. Zusammenfassend ist nicht hervorgekommen, dass die Vorinstanzen das ausländische Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich dieses Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht nicht beachtet hätten.
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