OGH 4Ob160/21i

OGH4Ob160/21i21.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden unddie Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und Dr. Parzmayr sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH, *, vertreten durch Pepelnik & Karl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Alfred Feitsch, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei S* GmbH, *, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 195.137,20 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 29. Juli 2021, GZ 2 R 8/21t‑45, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E133416

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

[1] Die Klägerin, die an Kunden im In- und Ausland Mobiltelefone, Tablets, Speicherkarten und Smartwatches vertreibt (darunter auch Produkte der Nebenintervenientin), macht gegenüber der beklagten Verwertungsgesellschaft nach § 42b Abs 6 UrhG die Rückzahlung der Speichermedienvergütung für den Zeitraum 2012 bis September 2015 geltend. Sie habe bestimmte Speichermedien vor der Veräußerung an den Letztverbraucher ins Ausland exportiert.

[2] Die Vorinstanzen wiesen die Klage wegen Unschlüssigkeit ab.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Klägerin zeigt in ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[4] 1. Der Frage, ob eine Klage schlüssig ist, kommt im Allgemeinen – abgesehen von Fällen auffallender Fehlbeurteilung – keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0116144). Die Schlüssigkeit von Prozessbehauptungen kann nämlich nur anhand des konkreten Vorbringens im Einzelfall geprüft werden (RS0116144 [T2]; RS0037780).

[5] 2. Das Gesetz verlangt zwar nicht, dass der Kläger den gesamten Tatbestand vorträgt; es fordert vom Kläger jedoch, die rechtserzeugenden Tatsachen vollständig und knapp vorzubringen. Werden für den eingeklagten Anspruch schlüssige rechtserzeugende Tatsachen überhaupt nicht angegeben und lässt sich auch durch richterliche Anleitung (§ 182 ZPO) eine solche Angabe nicht erreichen, dann muss die Klage wegen Unschlüssigkeit ohne jegliches Beweisverfahren abgewiesen werden (RS0039622 [T1]; RS0036973). Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell‑rechtlich aus den von ihm zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516). Nach dem klaren Wortlaut geht das Gesetz davon aus, dass der Kläger in Erfüllung seiner Substantiierungslast konkrete Tatsachen vorzubringen hat (§ 226 Abs 1 ZPO).

[6] 3.1 § 42b Abs 6 UrhG idF der UrhG‑Novelle 2015 macht den Rückzahlungsanspruch des Exporteurs bezüglich der Speichermedienvergütung wegen des Exports vor der Veräußerung an den Letztverbraucher ebenso wie die Vorgängerbestimmung zur Leerkassettenvergütung davon abhängig, dass die Vergütung an die Verwertungsgesellschaft gezahlt wurde.

[7] 3.2 Die Frage, welche Fassung des § 42b Abs 6 UrhG hier anzuwenden ist, ist nicht relevant, sodass die Zulässigkeit des Rechtsmittels darauf nicht gestützt werden kann. Unabhängig davon, welche Fassung dieser Bestimmung im Anlassfall anzuwenden ist, muss der Rückzahlungsanspruch des Exporteurs nach dem eindeutigen Wortlaut beider Fassungen umfangmäßig mit der bezahlten Vergütung korrespondieren. Auch von der Klägerin wird der Standpunkt vertreten, dass sie keine Rückzahlung begehren könne, soweit gar keine Vergütung bezahlt worden sei.

[8] 4. Wie die Vorinstanzen leitet die Klägerin im Rechtsmittel aus dem Gesetz ab, sie müsse vorbringen, dass die Vergütung geleistet wurde und die entsprechenden Produkte vor ihrer Veräußerung an den Letztverbraucher exportiert wurden. Die Klage basiert auch auf der Behauptung, dass die Klägerin im Zeitraum 2012 bis 2015 von verschiedenen inländischen Lieferanten bestimmte Speichermedien bezogen und diese Waren noch vor der Veräußerung an den Letztverbraucher wieder in das Ausland ausgeführt habe. Lieferanten bzw Importeure hätten die Vergütung an die Beklagte gezahlt.

[9] 4.1.1 Die klagsrelevante Anzahl der von ihr exportierten Geräte leitete die Klägerin in ihrer dem Begehren zugrundliegenden Berechnung nur pauschal und mittelbar aus der Differenz zwischen der Gesamtzahl der von ihr im Inland bezogenen und der Gesamtzahl aller von ihr im Inland verkauften Produkte ab. Gleichzeitig brachte sie vor, sie habe im Inland Geräte verkauft, die sie aus dem Ausland bezogen habe. Die Anzahl dieser Geräte wurde bei ihrer Berechnung aber nicht ausgewiesen.

[10] Diese Berechnung durch die Klägerin hatte zur Folge, dass die Klagssumme durch „negative Exporte“ vermindert wurde, nämlich dann, wenn die Stückzahlen der Verkäufe im Inland im jeweiligen Zeitraum höher waren als die von der Klägerin im Inland erworbenen Produkte. So wurden letztendlich für mit der Vergütung belastete und exportierte Tablets und Speicherkarten kein Betrag geltend gemacht, sondern vielmehr die sich aus den „negativen Exporten“ ergebenden Summen von -8.670 EUR und ‑205,10 EUR vom Rückvergütungsbetrag betreffend Smartphones (203.820 EUR) und Uhren (219 EUR) abgezogen. Die Vergütung für Smartphones, Tablets, Speicherkarten und Uhren ist unterschiedlich hoch. Nach Ansicht der Klägerin sei die Angabe der im Ausland bezogenen Geräte auch nicht erforderlich, weil diese mit dem Rückerstattungsanspruch nicht zu tun hätten.

[11] 4.1.2 Dass die Vorinstanzen diese pauschale Geltendmachung des Klagsanspruchs als nicht ausreichend erachtet haben, um die Anforderungen an die Schlüssigkeit zu erreichen, ist schon deshalb jedenfalls vertretbar, weil sich die Anzahl der tatsächlich exportierten Geräte, für welche eine Vergütung gezahlt wurde, aus dem Klagsvorbringen nicht ableiten lässt, was dadurch verstärkt wird, dass das klägerische Vorbringen auch von negativen Zahlen geprägt ist und Rückforderungsansprüche mit Abzügen anderer Produkte gemischt werden.

[12] 4.2.1 Das Berufungsgericht schloss aus dem Vorbringen der Klägerin, dass nicht alle Lieferanten der Klägerin die Vergütung erstattet hätten. Es verwies auch auf den unstrittigen Umstand, dass etwa die von der Nebenintervenientin gegenüber der Beklagten abgegebene „Sondermeldung“ (hinsichtlich der für neue Medien abgeführten Vergütungen) gerade die Exportmenge nicht umfasste. Daran anknüpfend vermisste das Berufungsgericht ua daher ein Vorbringen zur Frage, ob und bejahendenfalls welche Lieferanten der Klägerin eine Vergütung für bestimmte Speichermedien an die Beklagte bezahlt hätten.

[13] 4.2.2 In ihrem Rechtsmittel wendet sich die Klägerin nicht gegen diese Schlussfolgerung und bringt auch nicht vor, sie hätte dazu ohnedies ein ausreichendes Vorbringen erstattet. Vielmehr räumte die Klägerin ein, dass ihr als Exporteurin „schlicht die Informationen für ein solches Vorbringen fehlen; es stehen ihr keine wirksame Beweismittel zur Verfügung“.

[14] 4.2.3 Damit versucht die Klägerin den Vorwurf der Unschlüssigkeit in diesem Punkt nicht zu entkräften, sondern bestätigt vielmehr das fehlende Vorbringen durch ihren Hinweis auf ihre Beweisschwierigkeiten. Auf diese Weise kann sie aber keine auffallende Fehlbeurteilung der Schlüssigkeitsprüfung aufzeigen.

[15] 4.3 Ob im Anlassfall tatsächlich (auch) ein „streng stückbezogenes Vorbringen“ erforderlich ist, wie die Klägerin dies aus dem Berufungsurteil kritisch ableitet, musste nicht geklärt werden. Entsprechendes gilt für den Vorwurf der Aktenwidrigkeit zur Frage, ob die Klägerin den Rückzahlungsanspruch auch nach Hersteller und Lieferant aufgeschlüsselt habe. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin Ersteres verneinte und Zweiteres bejahte, läge in der Verneinung der Schlüssigkeit durch die Vorinstanzen wegen der oben aufgezeigten Umstände im Ergebnis keine grobe Fehlbeurteilung vor.

[16] 4.4.1 Schließlich hat das Berufungsgericht die Klagsabweisung auch auf jene Judikatur gestützt, nach der ein geltend gemachter Pauschalbetrag schon deshalb aufgeschlüsselt werden muss, um den Umfang der Rechtskraft einer Teilabweisung des Zahlungsbegehrens zu bestimmen und damit die Frage zu beantworten, über welche der eingeklagten Forderungen (ganz oder teilweise) endgültig negativ abgesprochen worden ist (RS0031014 [T15]). Die referierte Judikatur betrifft insbesondere die Teileinklagung einer Gesamtforderung, bei der einzelne Positionen unterschieden werden können, die ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben. Die klagende Partei hat in einem solchen Fall klarzustellen, welche Teile von ihrem pauschal formulierten Begehren erfasst sein sollen (10 Ob 61/18w mwN). Die Aufteilung des Pauschalbetrags auf die einzelnen Teilpositionen kann nicht dem Gericht überlassen werden (RS0031014 [T22, T25, T26]).

[17] 4.4.2 Nach der in der klägerischen Replik vom 25. Mai 2020 zuletzt vorgenommenen Berechnung übersteigt die „Gesamtforderung“ (wenngleich nur verhältnismäßig geringfügig, aber immerhin) den Klagsbetrag, sodass die Vorinstanzen gegenständlich über eine Teileinklagung zu entscheiden hatten. Die Klagsforderung setzt sich aus einzelnen Ansprüchen zusammen, die auf unterschiedliche Gerätetypen und Zeiträume abstellen (vgl 3 Ob 72/09y), sodass kein einheitlicher Anspruch vorliegt. In einem solchen Fall bedarf eine Teileinklagung der Aufschlüsselung (RS0031014 [T28, T30]), damit offen gelegt wird, welcher Teil der Forderung klagsgegenständlich und von der Rechtskraft des späteren Urteils umfasst wird.

[18] 4.4.3 Mit dieser vom Berufungsgericht aufgeworfenen Rechtskraftproblematik im Zusammenhang einer fehlenden Aufschlüsselung setzt sich das Rechtsmittel nicht näher auseinander, sodass die Klagsabweisung auch aus diesem Grund keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung bedarf.

[19] 5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin daher zurückzuweisen.

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