OGH 26Ds2/21z

OGH26Ds2/21z13.10.2021

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 13. Oktober 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Kalivoda sowie die Anwaltsrichter Dr. Schimik und Dr. Klaar in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 14. Jänner 2021, AZ D 29/14, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Mag. Poppenwimmer, des Kammeranwalt‑Stellvertreters Mag. Steiner und des Beschuldigten * zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133365

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschuldigte im zweiten Rechtsgang (zum ersten Rechtsgang 26 Ds 10/18x) der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt (I.1. und I.2.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

1. am 4. Juni 2012 die von der * bzw in deren Namen handelnden * übernommene Treuhandschaft nicht dem Treuhandbuch der Rechtsanwaltskammer Wien gemeldet noch eine Untersagungserklärung für eine solche Abwicklung eingeholt und dadurch „§§ 9a, 10a Abs 2 und Abs 3 RAO“ verletzt;

2. im April 2013 mit der * für seine Dienste anlässlich der Rückerlangung der von ihm zu Lasten des Treuhanderlags überwiesenen Gelder ein Honorar von acht Prozent der zurückerlangten Summe, zumindest aber in der Höhe von 50.000 US‑Dollar vereinbart und damit ein gegen § 16 Abs 1 RAO verstoßendes pactum de quota litis geschlossen.

[3] Der Beschuldigte wurde unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 27. November 2014, AZ D 41/13, 92/13, rechtskräftig mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 13. Jänner 2017, GZ 26 Os 3/16k‑15, gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer (Zusatz‑)Geldbuße in der Höhe von 2.000 Euro verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen der Aussprüche über die Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen RIS‑Justiz RS0128656) und die Strafe. Sie verfehlt ihr Ziel.

[5] Der erkennbar zum Schuldspruch I.1. erhobenen Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch Nichtentsprechung der in der Disziplinarverhandlung vom 17. Juni 2020 gestellten Anträge, Rechtsanwalt * „zum Beweis dafür, dass die […] übernommene Treuhandschaft über das Treuhandbuch nicht möglich war“, sowie * „zum Beweis dafür, dass das Treuhandbuch eine Treuhandmeldung gar nicht annimmt, wenn die Konten darin nicht angeführt sind“, als Zeugen zu vernehmen (ON 52 S 5), Verteidigungsrechte nicht verletzt, weil das Beweisthema für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage nicht erheblich (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 321) ist.

[6] Bei behaupteter faktischer Undurchführbarkeit der Abwicklung über das eATHB und mangels ausdrücklicher schriftlicher Ablehnung der Abwicklung über die Treuhandeinrichtung seitens der Treugeberin gemäß § 10a Abs 3 RAO (idF BGBl I 2010/58) hätte der Beschuldigte die Treuhandschaft nämlich gar nicht übernehmen dürfen (arg: „ist […] abzuwickeln“; vgl § 10 Abs 2 RAO).

[7] Das in der Beschwerde zwecks weiterer Antragsfundierung nachgetragene Vorbringen ist prozessual verspätet (RIS‑Justiz RS0099618; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 325).

[8] Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall), die eine unterbliebene Erörterung der Beilage ./V‑Z releviert, geht fehl, weil diese Beilage in der Disziplinarverhandlung nicht verlesen, sondern bloß zum Akt genommen wurde (ON 52 S 4; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 421, 427).

[9] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch I.1. leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565), weshalb die gemäß Punkt 3 des am 31. Mai 2012 zwischen der * und dem Beschuldigten abgeschlossenen „Trust Agreement“ getroffene Vereinbarung (ES 5 f), (zusammengefasst) gemäß den Anweisungen des Treugebers oder einer von ihm bevollmächtigten Person vorzugehen, keine „Bedingung“ im Sinn des Punktes 5.3. des Statuts 2010 der Treuhandeinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien betreffend das eATHB sei, sondern behauptet dies bloß unsubstanziiert. Nach jenem Punkt 5.3. erfasst der Begriff „Treuhandschaft“ alle vom Rechtsanwalt übernommenen entgeltlichen oder unentgeltlichen Aufträge, in deren Rahmen er den ausdrücklichen schriftlichen Auftrag zur Verwahrung und späteren Ausfolgung eines bei ihm hinterlegten Geldbetrags für den Fall des Eintritts einer oder mehrerer vorher bestimmter Bedingungen (wie eben zB entsprechender Anweisungen durch den Treugeber) an einen oder mehrere ihm als Begünstigte genannte Dritte übernimmt.

[10] Damit erübrigte sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der Rechtsrüge zur ebenfalls bestrittenen Verpflichtung zur Einholung einer Untersagungserklärung (§ 10a Abs 3 RAO idF BGBl I 2010/58).

[11] Weder die Rechtsanwaltsordnung noch das Treuhandstatut der Rechtsanwaltskammer Wien beschränken übrigens die Regelungen des § 10a RAO auf Treuhandschaften im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften.

[12] Der zum Schuldspruch I.2. ausgeführten Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell Z 5 vierter Fall) ist zu erwidern, dass aus dem in der Begründung des Disziplinarerkenntnisses insgesamt festgestellten Sachverhalt durchaus ein pactum de quota litis hervorgeht (ES 9 mit Bezug auf die Beauftragung des Beschuldigten durch die * sowie ES 13 vorletzter Absatz, wonach sich der Beschuldigte für die Wiedererlangung des Geldes einen Prozentsatz des erlangten Betrags – samt Mindestsumme – versprechen ließ und ebenso ES 14 zweiter Absatz).

[13] Auch der Schuldberufung im engeren Sinn war ein Erfolg zu versagen, weil sich der Disziplinarrat im Rahmen seiner empirisch nachvollziehbaren Beweiswürdigung mit allen entscheidungswesentlichen Umständen der Tat auseinandersetzte und seine Feststellungen überzeugend begründete, sodass gegen die Richtigkeit der Lösung der Schuldfrage keine Bedenken bestehen.

[14] Zu einer Reduktion der Strafe sah sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst. Worin die vom Beschuldigten in der Berufung vorgebrachten beachtenswerten Beweggründe liegen sollen, ist nicht zu ersehen. Die lange Verfahrensdauer hat bereits der Disziplinarrat zutreffend als mildernd veranschlagt.

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