OGH 1Ob171/21k

OGH1Ob171/21k12.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. (FH) T*****, vertreten durch die Celar Senoner Weber‑Wilfert Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 18.714,99 EUR sowie Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. August 2021, GZ 4 R 88/21w‑30, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. März 2021, GZ 31 Cg 10/20m‑23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00171.21K.1012.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Behauptete erstinstanzliche Verfahrensfehler, die bereits vom Berufungsgericht verneint wurden, können in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963). Dies gilt umso mehr für solche, die in der Berufung nicht gerügt wurden (RS0042963 [T30]).

[2] 2. Der Kläger steht auch im Revisionsverfahren auf dem Standpunkt, die bei ihm durchgeführte Hausdurchsuchung, aus der er Amtshaftungsansprüche ableitet, sei mangels begründeten Anfangsverdachts (des Verbrechens der Bestimmung zum Amtsmissbrauch sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung) rechtlich unvertretbar gewesen. Er behauptet dazu bloß, dass kein Motiv für die ihm angelasteten Straftaten bestanden habe, wobei er sich nur auf den Verdacht bezieht, er habe mehrere Gerichtsorgane per Mail – im Namen des Vorstehers eines Bezirksgerichts, der ein den Kläger betreffendes Sachwalterschaftsverfahren geführt hatte – zur Durchführung rechtswidriger Amtshandlungen veranlassen wollen. Auf den der Bewilligung der Hausdurchsuchung ebenfalls zugrundeliegenden Verdacht, er habe zwei Polizeibeamte bzw deren nahe Angehörige in anonymen Drohschreiben mit einer Verstümmelung bzw Verunstaltung sowie dem Tod bedroht, geht der Revisionswerber ebensowenig ein, wie auf die Begründung des konkreten Tatverdachts damit, dass er sich dem Gerichtsvorsteher sowie den beiden Polizisten gegenüber in vorangegangenen Verfahren äußerst aggressiv und beleidigend gezeigt habe und dass bei den anonymen Drohbriefen eine vergleichbare Schreibweise verwendet worden sei wie bei von ihm zuvor im eigenen Namen versandten (Droh‑)Schreiben. Damit zeigt er keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts auf. Davon, dass in dem gegen den Kläger geführten Strafverfahren kein Verdacht eines strafrechtlich relevanten Verhaltens bestanden habe, kann auf Basis der erstinstanzlichen Feststellungen, mit denen sich der Revisionswerber nicht auseinandersetzt, keine Rede sein. Dass im Amtshaftungsverfahren nur zu prüfen ist, ob die Entscheidung, aus der Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden, rechtlich vertretbar war (vgl RS0049951), erkennt der Revisionswerber ohnehin, eine unvertretbare Rechtsansicht der mit der Bewilligung der Hausdurchsuchung befassten Organe des Anlassverfahrens vermag er aber nicht aufzuzeigen. Ob sich der Verdacht im Nachhinein als richtig herausstellte (das Strafverfahren gegen den Kläger wurde mangels Zurechnungsfähigkeit eingestellt), spielt für die ex ante-Beurteilung der Zulässigkeit der Hausdurchsuchung jedenfalls keine Rolle.

[3] 3. Soweit der Rechtsmittelwerber behauptet, es wären auch „weniger einschneidende Maßnahmen“ zur Verfügung gestanden, legt er nicht dar, welche dies gewesen sein sollten und inwieweit dadurch der Gefahr eines Löschens von Daten begegnet hätte werden können. Er übergeht auch, dass er bereits vor der Hausdurchsuchung einem Polizisten damit drohte, ihn mit einem Pfefferspray zu verletzen, sollte er von diesem noch einmal zu Hause aufgesucht werden. Bei der Hausdurchsuchung selbst widersetzte er sich (physisch) der Sicherstellung seines Telefons. Damit kommt seinem Argument, er wäre – als gelinderes Mittel – vor der Hausdurchsuchung zur freiwilligen Herausgabe der begehrten Beweismittel aufzufordern gewesen, keine Berechtigung zu.

[4] 4. Zu den behaupteten Schäden an den beim Kläger im Zuge der Hausdurchsuchung sichergestellten elektronischen Geräten steht fest, dass die Telefone nach ihrer Rückgabe die Fehlermeldung aufwiesen, dass eine bestimmte „App“ nicht geöffnet werden kann, dass ihre Funktion aber sonst nicht beeinträchtigt war. Gleiches gilt für eine Fehlermeldung an einem sichergestellten Laptop. Dass die Vorinstanzen das auf den Ersatz des Werts dieser Gegenstände gerichtete Begehren auch aus diesem Grund abwiesen, wird vom Revisionswerber nicht releviert. Er setzt sich auch mit der Begründung des Berufungsgerichts, wonach das „Hacken“ der Geräte notwendig – und daher rechtmäßig – gewesen sei, um die darauf gespeicherten Daten auszulesen (was letztlich aufgrund ihrer Verschlüsselung erfolglos blieb), nicht auseinander und zeigt auch dazu keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Auf die (Hilfs-)Begründung des Berufungsgerichts, dass der beweisbelastete Kläger – der seine Beweislast im Rechtsmittel unter Hinweis auf die zu (richtig) Bws 25720/05 ergangene Entscheidung des EGMR bestreitet – die Verursachung des Schadens (also der Fehlermeldung) am Laptop durch Organe der Beklagten nicht nachweisen konnte, muss nicht eingegangen werden. Dass der Kläger der Behörde freiwillig den Zugang zu seinen Daten gewährt oder an deren Entschlüsselung mitgewirkt hätte, hat er in erster Instanz nicht vorgebracht. Er behauptete auch nicht, dass die Sicherstellung als solche rechtswidrig gewesen wäre.

[5] 5. Die Haftung der Beklagten für seine Handverletzung leitete der Kläger nicht aus der Hausdurchsuchung als solcher, sondern aus der dabei gewählten vermeintlich unverhältnismäßigen Vorgehensweise ab. In seiner Revision behauptet er dazu nur, „dass dem Sachverhalt kein Rechtfertigungsgrund zu entnehmen sei“. Auf die Begründung des Berufungsgerichts, wonach das Organ nicht objektiv sorgfaltswidrig gehandelt habe, weil der Kläger das sicherzustellende Telefon nicht freiwillig herausgab, sondern sich dessen Abnahme widersetzte, sodass es zu einem „Gerangel“ mit einem Polizisten kam und ihm dieser das Telefon (auch weil zu befürchten war, dass es der Kläger sperrt) entreißen musste, wobei er sich verletzte, geht er in seinem Rechtsmittel nicht ein. Insoweit überzeugt auch sein Argument, wonach sich die Rechtswidrigkeit des Organhandelns aus der Verletzung seines absolut geschützten Rechts ergebe, nicht, kann das Rechtswidrigkeitsurteil in diesem Fall doch erst aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung getroffen werden (RS0022917). Eine solche nahm das Berufungsgericht nachvollziehbar vor; der Rechtsmittelwerber setzt sich damit aber nicht auseinander. Er zeigt daher auch zu seinem Begehren auf Ersatz des ihm durch die Verletzung entstandenen Schadens keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[6] 6. Auf den begehrten Ersatz für die (nicht festgestellte) Beschädigung seines Tresors sowie „sonstiger Kosten für Reinigung und Schäden an der Wohnung“ kommt der Kläger in dritter Instanz ebensowenig zurück, wie auf den angestrebten Zuspruch von Zinsen aus einem von der Beklagten für die Beschädigung seiner Eingangstüre vorprozessual geleisteten Ersatzbetrag.

[7] 7. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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