OGH 15Os68/21w

OGH15Os68/21w15.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. September 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lampret als Schriftführer in der Strafsache gegen B* K* und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten B* K* und N* N* sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 9. November 2020, GZ 7 Hv 78/18k‑588, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E132690

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden B* K* des Verbrechens des schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (B./) und N* N* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A./1./) und des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (A./2./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben

A./ N* N* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit B* O* und G* Ba* am 11. Juni 2013 in R* Dr. K* W* und Mag. G* W*

1./ durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und im Urteil bezeichnete Gegenstände im Gesamtwert von 565.973 Euro, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem sie diese unter Vorhalt einer Pistole und eines Messers zur Übergabe von Geld und Wertgegenständen aufforderten;

2./ durch Einsperren in ein WC und Verriegeln der Türe von außen für mehr als zwei Stunden [US 15] widerrechtlich die persönliche Freiheit entzogen;

B./ B* K* zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem 11. Juni 2013 zur Ausführung der zu A./1./ genannten strafbaren Handlung dadurch beigetragen, dass er die unmittelbaren Täter über die örtlichen Verhältnisse und Gegebenheiten, insbesondere über den Standort des Safes im Wohnhaus von Dr. K* W* und Mag. G* W* informierte.

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Dagegen richten sich die von B* K* auf § 281 Abs 1 Z  4, 5 und 9 lit a StPO und von N* N* auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, welche ihr Ziel verfehlen.

 

[4] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B* K*:

[5] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnte der in der Hauptverhandlung vom 9. November 2020 zum Beweis dafür, „dass der Erstangeklagte keinen Tatbeitrag geleistet hat“, gestellte Antrag auf Vernehmung des Zeugen G* Ba* (ON 587 S 9 iVm ON 450 S 20 f iVm ON 387 S 82 f) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden (vgl ON 587 S 10), weil dem Antragsvorbringen weder zu entnehmen war, warum die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten ließe (RIS‑Justiz RS0118444), noch aus welchem Grund von einer Durchführbarkeit (§ 55 Abs 2 StPO; RIS‑Justiz RS0099119) der beantragten Beweisaufnahme auszugehen gewesen wäre.

[6] Das in der Rechtsmittelschrift zur ergänzenden Antragsfundierung erstattete Vorbringen ist prozessual verspätet und damit unbeachtlich, weil bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrags und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen ist (RIS‑Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0099618&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ).

[7] Die Mängelrüge benennt weder (iSd Z 5 erster Fall) undeutlich (dazu RIS‑Justiz RS0099425) gebliebene oder einander (iSd Z 5 dritter Fall) widersprechende (RIS‑Justiz RS0117402) Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (dazu Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399), solchen Konstatierungen (iSd Z 5 zweiter Fall) entgegenstehende Verfahrensergebnisse (vgl RIS‑Justiz RS0118316) oder eine (iSd Z 5 vierter Fall) offenbar unzureichende Begründung (RIS‑Justiz RS0118317) solcher Sachverhaltsannahmen und verfehlt damit eine am Gesetz ausgerichtete Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

[8] Indem sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt, einzelne (beweiswürdigende) Erwägungen der Tatrichter zu kritisieren und deren eingehenden Schlussfolgerungen (US 20 ff) eine eigenständige Bewertung von jeweils isoliert hervorgehobenen Beweisergebnissen und für sich günstigere Schlussfolgerungen gegenüberzustellen, bekämpft er bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen Schuld die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

[9] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich nicht an den Feststellungen zum geleisteten Tatbeitrag des Angeklagten (US 7 f) und verfehlt damit den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

[10] Indem der Beschwerdeführer wiederum eigenständige Erwägungen zum Wissen und zu den vor Ort gemachten Beobachtungen der unmittelbaren Täter anstellt und daraus für sich günstigere Schlussfolgerungen reklamiert, beschränkt er sich auf einen weiteren unzulässigen Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung.

 

[11] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten N* N*:

[12] Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) pauschal das Fehlen einer hinreichenden Begründung für die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen (US 10 ff) behauptet, orientiert sie sich nicht an den Erwägungen der Tatrichter (US 27 ff, insb 32 ff und 43 ff).

[13] Der Rechtsmittelwerber bringt vor (Z 5 vierter Fall), das Schöffengericht hätte die (für die Bewilligung der Wiederaufnahme als maßgeblich erachteten) Angaben des Zeugen Z* Z* als nicht hinreichend verlässlich (vgl US 60 bis 67) eingestuft und sei für ihn nachteilig von der „vollkommen anderen Würdigung“ der Beweise im Urteil vom 15. Dezember 2014 (ON 272), mit welchem er freigesprochen worden war, abgegangen. Damit verkennt der Beschwerdeführer, dass die – im wiederaufgenommenen Verfahren im Übrigen nicht mehr zu prüfende (RIS‑Justiz RS0099878, RS0101132; Lewisch, WK‑StPO § 358 Rz 14) – Bewilligung der Wiederaufnahme in ein neues, vom früheren völlig unabhängiges Verfahren überleitet, in welchem der prozessuale Rechtsbestand aus dem rechtskräftig abgeschlossenen Primärverfahren nicht fortwirkt (RIS‑Justiz RS0112938; Lewisch, WK‑StPO § 358 Rz 52). Eine Bindung des erkennenden Gerichts an die Feststellungen des aufgehobenen Urteils (sowie an deren Begründung) besteht demnach ebenso wenig (Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 358 Rz 5 mwN) wie eine Bindung an die Begründung des Wiederaufnahme-Beschlusses und dort als relevant erachtete Beweise (Lewisch, WK‑StPO § 358 Rz 15).

[14] Die Tatsachenrüge (Z 5a) verfehlt mit dem wiederholten Vorbringen, die Tatrichter hätten die Angaben des Zeugen Z* Z* als nicht verlässlich erachtet und wären zum Nachteil des Beschwerdeführers von der im Urteil vom 15. Dezember 2014 (ON 272) erfolgten Würdigung der Beweise abgewichen, die am Gesetz ausgerichtete Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (vgl RIS‑Justiz RS0117425).

[15] Die – neuerlich auf die Bewertung der Angaben des Zeugen Z* Z* als unverlässlich (US 67) – verweisende Rechtsrüge (Z 9 lit b) legt nicht dar, weshalb auf Basis der – im wiederaufgenommenen Verfahren nicht mehr zu prüfenden (vgl abermals RIS‑Justiz RS0099878, RS0101132) – Bewilligung der Wiederaufnahme das Verfolgungshindernis der bestandskräftig erledigten Tat bestehen sollte (§ 17 Abs 2 StPO; vgl RIS‑Justiz RS0129011 [T3]; Lewisch, WK‑StPO § 358 Rz 14 mwN). Die wiederholte Forderung nach einer Bindung der Tatrichter an die Feststellungen des aufgehobenen Urteils entbehrt methodengerechter Ableitung aus dem Gesetz (RIS‑Justiz RS0116565; vgl dazu abermals Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 358 Rz 5 mwN).

 

[16] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft folgt (§ 285i StPO).

[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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