OGH 12Os65/21g

OGH12Os65/21g29.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juli 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Casagrande als Schriftführer in der Strafsache gegen David R***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2. Februar 2021, GZ 20 Hv 58/20m‑91a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00065.21G.0729.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde David R***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I.), der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 207a Abs 1 Z 1, Abs 4 Z 3 lit b StGB (II.), des Vergehens der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach §§ 207a Abs 3 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 lit b StGB (III.) und der Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach §§ 207b Abs 3, 15 StGB (IV.) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und überdies gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

[2] Danach hat er

I. in der Nacht vom 11. auf den 12. Jänner 2020 in P***** mit einer unmündigen Person dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er an dem am 27. Mai 2006 geborenen Martin Re***** Hand‑ und Analverkehr vollzog bzw von diesem den Hand‑ und Oralverkehr an sich vollziehen ließ;

II. im Zeitraum Herbst bis Ende Dezember 2019 in R***** und an anderen Orten in zumindest zwei Angriffen Martin Re***** dazu bestimmt, pornographische Darstellungen einer minderjährigen Person, nämlich wirklichkeitsnahe Abbildungen seiner Genitalien, wobei es sich jeweils um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handeln sollte, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen, herzustellen, indem er diesen wiederholt aufforderte, Fotos von seinem erigierten Penis bzw Nacktbilder anzufertigen und diese Bilddateien an ihn zu übermitteln, wobei es beim Versuch blieb, weil Martin Re***** keine derartigen Fotos für ihn herstellte;

III. von 17. Oktober 2019 bis 25. Februar 2020 in R***** und an anderen Orten eine pornographische Darstellung einer unmündigen Person besessen, indem er ein von Martin Re***** übermitteltes Foto, auf welchem der erigierte Penis des Opfers zu sehen war, also eine wirklichkeitsnahe Abbildung der Genitalien und der Schamgegend eines unmündigen Minderjährigen, wobei es sich um eine reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildung handelte, die der sexuellen Erregung des Betrachters diente, auf seinem Mobiltelefon speicherte;

IV. Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, unmittelbar durch ein Entgelt dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an ihm vorzunehmen bzw von ihm an sich vornehmen zu lassen, und zwar

A. den am 28. Februar 2003 geborenen Niclas‑Kilian K***** zum passiven Analverkehr, wobei es aufgrund der Weigerung des Opfers beim Versuch blieb, und zwar

1. Anfang 2020 in zwei Angriffen durch die Übermittlung des Angebots in einem Chatverlauf, er biete ihm Geld für Geschlechtsverkehr an;

2. am 7. und 8. Februar 2020 in zwei Angriffen durch das an Stefan H***** übermittelte Angebot in einem Chatverlauf, er biete Niclas‑Kilian K***** Geld für Geschlechtsverkehr an;

B. den am 23. September 2003 geborenen Dennis Ret***** zur gegenseitigen Vornahme des Oralverkehrs,

1. Mitte Oktober 2019 durch Bezahlung von 150 Euro;

2. Ende Dezember 2019 durch Bezahlung von 50 Euro.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Angeklagten nominell aus Z 4, Z 5 und „Z 11 lit a“ des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, welche sich als nicht berechtigt erweist.

[4] Die Sanktionsrüge (inhaltlich Z 11 iVm Z 4) bezieht sich auf den vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Ladung und Vernehmung des Univ.‑Prof. Dr. Manfred W*****, der DDr. Astrid M***** MBA, des Mag. Helfried S***** und des Christoph P***** als Zeugen zum Beweis dafür, dass „es sich gegenständlich um keine geistige und seelische Abartigkeit höheren Grades handle, keine Kernpädophilie vorliege und die diagnostizierte Anpassungs‑ und Sexualpräferenzstörung laufend und erfolgversprechend therapiert werden könne sowie keine Gefährlichkeit vorliege“ (ON 91 S 19). Durch die Abweisung dieses Antrags wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt. Der Rechtsmittelwerber verkennt nämlich, dass nach Art eines Gutachtens gezogene Schlussfolgerungen nicht Gegenstand einer Zeugenaussage sind (RIS‑Justiz RS0097540).

[5] Die weitere Sanktionsrüge (neuerlich Z 11 iVm Z 4) bezieht sich auf die Abweisung des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Einholung eines Obergutachtens aus dem Fachbereich der Psychiatrie „zur Gefährlichkeits‑ und Rückfallsprognose“ (ON 91 S 18 f). Indem die Beschwerdekritik ausschließlich die Gefährlichkeitsprognose anspricht, erstattet sie jedoch bloß ein Berufungsvorbringen ( Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 21–25 Rz 11).

[6] Soweit der Nichtigkeitswerber behauptet, aus dem Gutachten des vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen Dr. E***** lasse sich die erforderliche Rückfallswahrscheinlichkeit gar nicht ableiten, verkennt er, dass eine Anfechtung der Sachverhaltsfeststellungen zur Gefährlichkeitsprognose aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht möglich ist (RIS‑Justiz RS0118581 [T17]). Im Übrigen nimmt er nicht Maß am Inhalt des Gutachtens, wonach ein neuerlicher Missbrauch von Unmündigen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei (ON 91 S 32).

[7] Das Vorbringen, das Schöffengericht hätte sich mit dem in der Hauptverhandlung verlesenen Befund des im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft beauftragten Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. W***** betreffend „die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 Abs 2 StGB“ nicht auseinandergesetzt (Z 11 iVm Z 5), entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung. Die Rüge macht nämlich nicht klar, ob sie die – nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall iVm Z 5 StPO anfechtbaren – Kriterien für die Anordnung der Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB, die – nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO anfechtbaren – gesetzlichen Kriterien für die Gefährlichkeitsprognose oder die dazu getroffenen Feststellungen, welche nur mit Berufung bekämpft werden können, anspricht (vgl RIS‑Justiz RS0113980; vgl im Übrigen US 14).

[8] Soweit der Rechtsmittelwerber moniert (nominell Z 11), das Erstgericht hätte sich mit dem genannten Befund betreffend die Beurteilung der Strafbemessung nicht auseinandergesetzt, wird lediglich ein Berufungsvorbringen erstattet.

[9] Die weitere Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) behauptet, dem angefochtenen Urteil wären keine über die verba legalia hinausgehenden Feststellungen zur Gefährlichkeitsprognose betreffend den Angeklagten zu entnehmen. Dabei nimmt der Rechtsmittelwerber jedoch nicht Maß an der angefochtenen Entscheidung, wonach eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Angeklagte ohne Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher unter dem Einfluss seiner geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades weitere mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, und zwar insbesondere (schwere) sexuelle Missbrauchshandlungen zum Nachteil von Unmündigen begehen werde (US 12).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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