OGH 9Ob39/21g

OGH9Ob39/21g28.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing. H***** P*****, vertreten durch Dr. Peter Karlberger ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei M***** eGen, *****, vertreten durch Dr. Frank Riel ua, Rechtsanwälte in Krems, wegen 31.116,38 EUR sA (hier:  wegen Sachverständigengebühren), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 30. März 2021, GZ 30 R 253/20a‑13, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00039.21G.0728.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Über Auftrag des Berufungsgerichts ergänzte die Sachverständige Mag. ***** S***** in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 14. 1. 2021 ihr schon in erster Instanz erstattetes Gutachten. Dafür verzeichnete sie, aufgeschlüsselt in fünf Positionen, Gebühren von 406,27 EUR incl USt.

[2] Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Berufungsgericht die Gebühren mit 406 EUR.

[3] Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Abänderungsantrag, die Gebühren der Sachverständigen mit 0 EUR, in eventu mit 305 EUR zu bestimmen.

[4] Rekursbeantwortung wurde keine erstattet.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Rekurs ist zulässig (§ 41 Abs 1 GebAG; RS0017159 [T1a]), er ist aber nicht berechtigt.

[6] 1. Allfällige behauptete Mängel des Gutachtens sind im Gebührenbemessungsverfahren nicht zu prüfen. Im Rahmen der Gebührenbemessung ist nicht über Schlüssigkeit, Beweiskraft, Tauglichkeit und Nachvollziehbarkeit eines Gutachtens abzusprechen. Das Gutachten ist im Gebührenbemessungsverfahren daher auch nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen. Der Sachverständige hätte sogar den Anspruch auf Gebühren, wenn ihm ein Fehler unterlaufen wäre, sofern das Gutachten nicht völlig unbrauchbar in dem Sinne ist, dass eine Erfüllung des Auftrags des Gerichts gar nicht zu erkennen ist (RS0132211). Nur in dem Fall, dass der Auftrag als nicht erfüllt anzusehen ist, besteht für den Sachverständigen kein Gebührenanspruch. So etwa, wenn die gerichtlichen Fragen nicht beantwortet werden und dem Gutachten für die Beurteilung der zwischen den Parteien strittigen Fragen keinerlei verwertbare Hinweise zu entnehmen sind (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG‑GebAG4 § 54 GebAG E 256).

[7] Dies ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil auf Grundlage des Gutachtens Feststellungen getroffen, dieses also für die Sachentscheidung verwenden können (vgl 1 Ob 234/01w [Pkt II.2.]). Es hat in seiner Beweiswürdigung ausdrücklich angeführt, dass es die Ausführungen der Sachverständigen in der Berufungsverhandlung für nachvollziehbar erachtet, zumal die Sachverständige die in den Rechtsmittelschriften aufgezeigten Ungereimtheiten der Protokollierung in der Verhandlung am 2. 7. 2020 im Verhältnis zu bestimmten Positionen im Ergänzungsgutachten beseitigen habe können.

[8] 2.  § 25 Abs 3 GebAG sieht vor, dass der Gebührenanspruch für Mühewaltung um ein Viertel zu mindern ist, wenn ua das Gutachten aus dem Verschulden des Sachverständigen mangelhaft abgefasst ist und nur deshalb einer Erörterung bedarf. Die Mängel des Gutachtens müssen dazu einzige Ursache für die Gutachtenserörterung sein. Überdies müssen die Mängel offenkundig sein (OLG Wien, 2 R 60/19m, SV 2020/1, 29). Die Mangelhaftigkeit des Gutachtens kann sich aus dem formellen (logischen und sprachlichen) Aufbau und der fehlenden Nachvollziehbarkeit des Gutachtens ergeben bzw wenn der Sachverständige die Grundlagen für die von ihm gezogenen Schlüsse nicht ausreichend darlegt ( Weber , Das Recht der Sachverständigen und Dolmetscher 5 , Rz 28a).

[9] Die Gutachtenserörterung im Berufungsverfahren erfolgte im Wesentlichen deshalb, um Missverständnisse in der Protokollierung der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom 2. 7. 2020 im Zusammenhang mit dem schriftlichen Ergänzungsgutachten der Sachverständigen vom 2. 12. 2019 aufzuklären. Eine den Anspruch mindernde schuldhafte Mangelhaftigkeit der Tätigkeit der Sachverständigen ergibt sich aus dem abgeführten Verfahren nicht.

[10] 3.  Zu Unrecht macht der Rekurswerber auch geltend, dass der Sachverständigen keine Gebühr für das neuerliche Aktenstudium (§ 36 GebAG) vor der mündlichen Berufungsverhandlung zustehe. Ein neuerliches Aktenstudium vor der Verhandlung ist – unter Bedachtnahme auf den geringeren Aufwand für die Wiederauffrischung – grundsätzlich zu honorieren (OLG Wien 9 Rs 23/07d). Unter Berücksichtigung des Aktenumfangs und der Zeit, die seit dem letzten Aktenstudium der Sachverständigen verstrichen ist, ist dem Berufungsgericht auch bei der Bemessung der Gebühr für das Aktenstudium kein Fehler unterlaufen.

[11] Dem Rekurs des Klägers war daher nicht Folge zu geben. Ein Kostenersatz findet im Rekursverfahren über die Gebühren des Sachverständigen in keinem Fall statt (§ 41 Abs 3 letzter Satz GebAG).

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