OGH 1Ob134/21v

OGH1Ob134/21v21.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** L*****, vertreten durch Dr. Günter Flatz, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Christoph Schneider, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 15. April 2021, GZ 2 R 331/20x‑12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bludenz vom 9. Oktober 2020, GZ 3 C 347/20d‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00134.21V.0721.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.017,90 EUR (darin 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks (auf dem ursprünglich eine Quelle gefasst worden war). Die Beklagte ist Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem eine Quelle entspringt.

[2] Das Erstgericht wies sowohl das Feststellungsbegehren des Klägers, dass er Eigentümer des Wassers der auf dem Grundstück der Beklagten entspringenden Quelle sei, als auch sein Eventualbegehren, dass er an dieser „Quelle und dem Quellwasser Rechte im Sinne des § 3 Abs 1 WRG und somit Nutzungsrechte am Wasser“ habe, ab.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur „Sonderrechtsfähigkeit einer Wasserquelle“ keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe und dieser Rechtsfrage über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung für die Rechtsentwicklung zukomme.

[4] Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – nicht zulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem – wie hier – eine Berufung wegen Nichtigkeit (nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO) verworfen wird, ist zufolge der Rechtsmittelbeschränkung des § 519 Abs 1 ZPO unanfechtbar (RIS‑Justiz RS0042981 [T6]; RS0043405; RS0043796 [T1]). Daran vermag auch die zusätzliche Anfechtung unter dem Gesichtspunkt eines anderen Rechtsmittelgrundes, etwa der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (RS0043405 [T6]) nichts zu ändern.

[6] 2.1. Der Kläger begehrt primär die Feststellung, dass er Eigentümer des Wassers der auf dem Grundstück der Beklagten entspringenden Quelle sei, hilfsweise begehrt er die Feststellung, dass ihm an der „Quelle und dem Quellwasser Rechte im Sinne des § 3 Abs 1 WRG und somit Nutzungsrechte am Wasser“ zustünden. Entgegen den Darlegungen des Berufungsgerichts behauptet der Kläger kein Eigentum an der auf dem Grundstück der Beklagten „zu Tage tretenden Quelle“, sodass sich die Frage einer „Sonderrechtsfähigkeit einer Wasserquelle“ schon aus diesem Grund nicht stellt.

[7] 2.2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können Feststellungsmängel nur vorliegen, wenn bereits im Verfahren erster Instanz ein entsprechendes Tatsachenvorbringen erstattet wurde (RS0053317 [T2, T4]). Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet, dass die Beklagte Wasser aus Quellzuläufen auf seinem Grundstück nutze oder das in seinem Grundstück enthaltene unterirdische Wasser (Grundwasser) durch eine entsprechende Wasserfassung nutze. Vielmehr behauptete er, dass die ursprüngliche Quellfassung auf seinem Grundstück – im Zuge einer Lawinenverbauung – abgebaut und „die Quelle“ auf dem Grundstück der Beklagten bergseits neu gefasst worden sei, womit er offenbar die Erschließung des Wasservorkommens (dort möglicherweise noch als Grundwasser) meint. Soweit er als sekundäre Feststellungsmängel fehlende Feststellungen zur „Umleitung“ des Quellwassers im Rahmen der Baumaßnahmen von seinem Grundstück auf das angrenzende Grundstück der Beklagten und zur „Verlegung“ der „Quelle“ von seinem Grundstück auf das der Beklagten rügt, übergehen seine Ausführungen, dass er zur Verwendung seines Grundstücks durch die Beklagte kein erstinstanzliches Vorbringen erstattet, sondern vielmehr eine „bergseitige“ Inanspruchnahme des Wasservorkommens behauptet hat.

[8] 2.3. Nach § 3 Abs 1 WRG gehören Privatgewässer – etwa aus Quellen gemäß § 3 Abs 1 lit a WRG – dem Grundeigentümer, „wenn nicht von anderen erworbene Rechte vorliegen“ (1 Ob 3/77 = SZ 50/18; 1 Ob 37/87 = RS0082092). Nach § 3 Abs 1 lit a WRG handelt es sich beim Grundwasser um das in einem Grundstück enthaltene unterirdische Wasser. Dieses stellt der Gesetzgeber in dieser Bestimmung dem aus einem Grundstück zutage quellenden Wasser (Tagwasser) gegenüber. Entscheidend für die Unterscheidung ist das Austreten (Zutagequellen) des Wassers aus dem Boden. Bei der Benutzung eines Wasservorkommens bzw bei dessen Erschließung wird zumeist darauf abgestellt, wie die Fassung erfolgt. Je nach technischer Gestaltung der Wasserfassung (oberflächennahe Fassung oder Tiefenfassung durch erhebliches Nachgraben oder durch Bohren) wird demnach entweder Tag‑ oder Grundwasser genutzt (1 Ob 69/18f mwN).

[9] Gemäß § 5 Abs 2 WRG steht die Benutzung der Privatgewässer mit den durch Gesetz oder durch besonderen Rechtstitel begründeten Beschränkungen denjenigen zu, denen sie gehören.

[10] Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (97/07/0072; 2004/07/0071) und der Lehre (Spielbüchler in Rummel 3 § 354 ABGB Rz 4; Winner in Rummel/Lukas 4 § 354 ABGB Rz 4; Oberleitner, Funktion und Bedeutung des Grundeigentums im Wasserrecht, in Rössler/Kerschner, Wasserrecht und Privatrecht2 [2013], 4) sind auch Grund‑ und Quellwasser Bestandteile der Liegenschaft, wenngleich das ungefasste fließende Wasser (die Wasserwelle) ähnlich der freien Luft und wilden Tieren (vgl § 383 ABGB) sich der Herrschaft des Eigentümers als herrenlos entziehe.

[11] 2.4. Die Quelle entspringt nach den Feststellungen auf dem Grundstück der Beklagten. Die vom Kläger wiederholt angesprochene „Verlegung“ der „Quelle“ ist schon rechtlich nicht denkbar, bezeichnet dieser Begriff doch jenen Ort, an dem das Wasser aus dem Boden austritt; allenfalls kann eine Quelle versiegen und eine andere neu entstehen. Das in einem Grundstück enthaltene unterirdische Wasser und das aus einem Grundstück zu Tage quellende Wasser, das hier unstrittig gefasst ist, gehören gemäß § 3 Abs 1 lit a WRG, soweit „nicht von anderen erworbene Rechte vorliegen“, der beklagten Grundeigentümerin. Der Kläger konnte – wovon das Berufungsgericht ohne Fehlbeurteilung ausging – nicht darlegen, dass er daran „erworbene Rechte“ im Sinne des § 3 Abs 1 WRG (vgl dazu Bumberger/Hinterwirth, Wasserrechtsgesetz3 § 3 WRG K3.) hätte. Er vermag auch in der Revision nicht zu begründen, warum ihm in Bezug auf die auf dem Grundstück der Beklagten zutage tretende Quelle ein Eigentumsrecht oder ein sonstiges Nutzungsrecht am Wasser zustehen sollte. Dass er Rechte an der früher auf seinem Grundstück entspringenden Quelle hatte, deren Fassung im Zuge einer behördlich genehmigten Lawinenverbauung abgebaut wurde, führt nicht dazu, dass ihm nunmehr entsprechende Rechte am Wasser der auf dem Grundstück der Beklagten gelegenen Quelle zustünden. Ob ihm allenfalls Ansprüche wegen eines enteignungsgleichen Eingriffs gegen einen Dritten zustehen, ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen.

[12] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

[13] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen hat, steht ihr der Ersatz der Kosten der als zweckentsprechend anzusehenden Revisionsbeantwortung zu (RS0112296).

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