OGH 1Ob127/21i

OGH1Ob127/21i21.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch die Ploil Boesch Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei F***** P*****, vertreten durch Mag. Siegfried Berger und Mag. Harald Brandstätter, Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, wegen 100.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. April 2021, GZ 4 R 42/21g‑49, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 3. März 2020, GZ 35 Cg 79/17g‑40, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00127.21I.0721.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem – wie hier – eine Berufung wegen Nichtigkeit (nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO) verworfen wird, ist zufolge der Rechtsmittelbeschränkung des § 519 Abs 1 ZPO unanfechtbar (RIS‑Justiz RS0042981 [T6]; RS0043405; RS0043796 [T1]). Im Übrigen unterliegt die Beklagte erkennbar einer krassen Fehlvorstellung, wenn sie meint, das Unterlassen einer beantragten Beweisaufnahme sei als Gehörentzug zu qualifizieren.

[2] 2. Behauptete Mängel des Verfahrens erster Instanz (hier die unterlassene Einvernahme der Beklagten), die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können in dritter Instanz nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden (RS0042963). Ein Mangel des Berufungsverfahrens läge vor, wenn sich das Berufungsgericht mit der Mängelrüge überhaupt nicht befasst (RS0042963 [T9]) oder diese mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (RS0042963 [T28]). Das ist hier nicht der Fall.

[3] Das Berufungsgericht verneinte eine (entscheidungsrelevante) Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, weil die Beklagte in der Berufung nicht ausreichend darzulegen vermochte, inwiefern ihre Einvernahme (abstrakt) geeignet gewesen wäre, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen. Mit ihrer Behauptung, durch ihre Einvernahme hätte bewiesen werden können, dass die Lieferung des Werks erst mit Abhaltung der Ausstellung fällig werden hätte sollen, damit sei die Fälligkeit der Lieferung nicht eingetreten und ein Rücktritt vom Kaufvertrag sei zu Unrecht erfolgt, vermag sie die Relevanz nicht darzustellen. Sie übergeht die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach der Gläubiger bei ernsthafter Leistungsverweigerung des Schuldners, also dann, wenn dieser erkennen lässt, dass er nicht bereit ist, die Vertragsverbindlichkeit einzuhalten, auch schon vor Fälligkeit gemäß § 918 ABGB vom Vertrag zurücktreten kann (RS0016326 [T8]; RS0018416 [T3]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin nach dem objektiven Erklärungswert des Schreibens der Beklagten vom 5. 5. 2017 davon ausgehen durfte, dass eine Übergabe des angekauften Werks im geschuldeten Zustand nicht mehr in Frage kommt, ist nicht zu beanstanden. Da somit die Beklagte nach ihrer eigenen Darstellung gegenüber ihrer Vertragspartnerin zur Erfüllung des Kaufvertrags „auf die bedungene Weise“ nicht mehr bereit war, war die Klägerin nicht dazu verhalten, bis zu einem allenfalls späteren Fälligkeitszeitpunkt zuzuwarten, sondern dazu berechtigt, den Rücktritt vom Vertrag zu erklären. Auf den Fälligkeitszeitpunkt kommt es daher ebensowenig an wie auf die Frage, ob das Werk gänzlich zerstört wurde oder die Beklagte gegenüber der Klägerin zumindest eine gänzliche Zerstörung behauptet hat.

[4] Wenn sie ihre unterlassene Einvernahme im Hinblick auf die eingewandte Gegenforderung bemängelt, zeigt sie ebenfalls die Relevanz nicht auf, steht doch unbekämpft fest, dass sich die Parteien zu keiner Zeit auf ein konkretes Ausstellungskonzept einigen konnten und letztlich übereingekommen sind, die Ausstellung auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Ausgehend davon kann aber – worauf das Berufungsgericht ohne Fehlbeurteilung hinwies – der Klägerin von vornherein kein haftbar machendes Fehlverhalten angelastet werden. Wenn ihre Einvernahme nur zur Höhe der geltend gemachten Gegenforderung beantragt wird, diese aber bereits dem Grunde nach nicht berechtigt ist, fehlt ihrer Einvernahme die erforderliche Erheblichkeit.

[5] 3. Die Revisionswerberin geht in der Rechtsrüge nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wenn sie im Zusammenhang mit dem als Gegenforderung eingewandten Ersatz ihres Aufwands zur Vorbereitung einer Ausstellung behauptet, sie sei allein mit der Erstellung und Umsetzung des Ausstellungskonzepts betraut gewesen, während die Klägerin lediglich die Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen gehabt hätte. Auf ihre Berechtigung, Aufwendungen zur Vorbereitung der Ausstellung zu tätigen, kommt es nicht an, sondern alleine darauf, ob der Klägerin ein zurechenbares Fehlverhalten ihrer Organe und Mitarbeiter anzulasten ist, das sie in Ansehung der schon vorab getätigten Aufwendungen der Beklagten haftbar macht. Das Berufungsgericht hat dies aus näher genannten Gründen verneint, mit denen sich die Revision nicht auseinandersetzt und somit auch aus diesem Grund keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen vermag.

[6] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte