OGH 1Ob97/21b

OGH1Ob97/21b21.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI S*****, vertreten durch Dr. Georg Röhsner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F*****, Großbritannien, vertreten durch die Celar Senoner Weber‑Wilfert Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen 983.163,04 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. März 2021, GZ 11 R 33/21k-104, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 4. Februar 2019, GZ 6 Cg 15/17w‑68, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00097.21B.0721.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte erwarb von der Klägerin zwei Wohnungen, in denen noch verschiedene – im Kaufvertrag bzw der diesem angeschlossenen Ausstattungsbeschreibung näher beschriebene – Aus- und Umbauten vorzunehmen waren.

[2] Die Klägerin begehrt von der Beklagten das Entgelt für darüber hinausgehende (in der Ausstattungsbeschreibung nicht enthaltene) Arbeiten, mit deren Vornahme sie von der Beklagten beauftragt worden sei.

[3] Die Beklagte wandte ein, dass auch diese Leistungen vom Kaufpreis für die beiden Wohnungen umfasst seien. Die Klägerin habe die von ihr erbrachten Leistungen auch nicht „der Vereinbarung entsprechend“ abgerechnet, weshalb die Entgeltforderung nicht fällig sei. Sie hält der Klageforderung auch eine aus behaupteten Mängeln der von ihr erworbenen Wohnungen abgeleitete Gegenforderung entgegen.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts und ging ebenso wie dieses davon aus, dass die Klage insoweit unschlüssig geblieben sei, als nicht nachvollziehbar behauptet wurde, für welche – nicht in der Ausstattungsbeschreibung enthaltenen und daher vom Kaufpreis für die beiden Wohnungen umfassten – zusätzlichen Leistungen der Klägerin welches Entgelt zustehe. Dem Klagevorbringen könne auch nicht entnommen werden, dass die Klägerin eine „der vertraglichen Vereinbarung entsprechende“ Abrechnung ihrer Leistungen vorgenommen habe. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[5] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch zulässig, weil das Berufungsgericht die Klage zu Unrecht als unschlüssig ansah; sie ist mit ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[6] 1. Die Behandlung des Rechtsmittels kann sich

auf die Rechtsrüge beschränken, weil sich schon daraus die Notwendigkeit einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen ergibt.

[7] 2. Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den von ihm zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS‑Justiz RS0037516). Die Schlüssigkeit verlangt nicht, dass der gesamte „Tatbestand“ vorgetragen wird, sondern es genügt, wenn die rechtserzeugenden Tatsachen vollständig und knapp angeführt werden (RS0036973 [T15]). Setzt sich ein Anspruch aus zahlreichen Einzelforderungen zusammen, kommt es (auch) auf die Zumutbarkeit einer Aufgliederung an (vgl 1 Ob 94/20k). Gegebenenfalls reicht ein Verweis auf dazu vorgelegte Urkunden aus; die einzelnen

Positionen und die ihnen zugeordneten Beträge müssen dann (wie etwa bei ausreichend aufgeschlüsselten Honorarnoten) nicht auch in der Klageerzählung ziffernmäßig angeführt werden (vgl RS0037907 [T14]; RS0037420 [T4]; RS0036973 [T16]; siehe auch 1 Ob 153/19k zur –wie hier –„Weiterverrechnung“ eines der klagenden Partei ihrerseits entstandenen Aufwands).

[8] 3. Nach dem zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz maßgebenden Vorbringen der Klägerin steht ihr für die von der Beklagten beauftragten und von ihr erbrachten zusätzlichen – also über die in der Ausstattungsbeschreibung hinausgehenden – Leistungen ein gesondertes Entgelt zu, wobei die Klägerin nur den von ihr – gegenüber den von ihr beauftragten Subunternehmern – tatsächlich getragenen Aufwand von insgesamt 983.163,04 EUR [wohl richtig: 983.162,04 EUR] brutto geltend macht. Sie konkretisierte ihren Anspruch dahin, dass Mehrkosten insbesondere für die Installation eines Audiosystems, für zusätzliches „Innendesign“ (Errichtung eines Beleuchtungssystems samt Verkabelung) sowie für diverse Abbruch- und Installationsarbeiten angefallen seien. Zur näheren Aufgliederung verwies sie auf eine von ihr als Beilage ./KK vorgelegte tabellarische Übersicht und die darin enthaltene Spalte „Kostenfeststellung = Mehrkosten Umstand H*****“, aus der sich eine Zuordnung der Mehrkosten zu einzelnen (Zusatz‑)Leistungen ergibt. Die Aufstellung enthält Einzelbeträge an Lohn und Material für zehn unterschiedliche Leistungsbereiche samt Anzahl der jeweiligen Arbeitsstunden sowie mehrere Seiten detaillierter Aufschlüsselungen. Dem Einwand der Beklagten, wonach die Mehrkosten für die zusätzlich beauftragten Leistungen nicht entsprechend dem vertraglich vereinbarten „Berechnungsmodus“ abgerechnet worden seien, entgegnete die Klägerin, dass stillschweigend eine Abrechnung auf „Regiebasis“ (also nach Maßgabe der tatsächlich angefallenen Aufwendungen für Material und Arbeitszeit) vereinbart worden sei, wobei sie erkennbar den Standpunkt vertrat, dass jedenfalls mit der im Verfahren erfolgten Urkundenvorlage die Fälligkeit ihrer Forderung eingetreten sei.

[9] 4. Auf Basis dieses Vorbringens kann dem Berufungsgericht, das eine Unschlüssigkeit der Klage annahm, nicht gefolgt werden. Die Klägerin durfte ihre Ansprüche auf Abgeltung der von der Beklagten zusätzlich beauftragten Leistungen zu einem einheitlichen Begehren zusammenfassen und hinsichtlich der näheren Aufgliederung auf die dazu vorgelegte Urkunde verweisen. Auch hinsichtlich der Fälligkeit ihrer Forderung ist keine Unschlüssigkeit zu erkennen.

[10] 5. Bejaht man die ausreichende Schlüssigkeit des Klagevorbringens, fällt aber die wesentliche Begründung für die Abweisung weg. Da die vom Erstgericht (trotz angenommener Unschlüssigkeit)getroffenen Feststellungen eine abschließende Entscheidung über die Klage nicht zulassen, zumal diese vom Berufungsgericht in wesentlichen Teilen nicht übernommen wurden, sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, ohne dass es einer Auseinandersetzung mit den weiteren Rechtsmittelgründen – sowie mit den auf einer unzureichenden Sachverhaltsgrundlage angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts zur Frage der Fälligkeit der Klageforderung – bedürfte. Das Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach umfassender (und ausreichend begründeter) Ergänzung der Sachverhaltsgrundlage zu fällen haben.

[11] 6. Der

Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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