OGH 6Ob96/21t

OGH6Ob96/21t23.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* X*, vertreten durch Jeannee Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. O* GmbH in Liquidation, *, vertreten durch Dr. Markus Singer, Rechtsanwalt in Wien, 2. G* Y*, vertreten durch Mag. Nicole Neugebauer-Herl, Rechtsanwältin in Wien, wegen Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlusses, Unterlassung und Wiederherstellung, über die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. März 2021, GZ 2 R 94/20p‑65, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132289

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen erkannten die Erstbeklagte unter anderem schuldig, den vor Abschluss einesKaufvertrags über das von ihr betriebene Gastgewerbeunternehmen mit einem Dritten und vor Übergabe der darin veräußerten Vermögenswerte bestehenden Zustand wiederherzustellen und „darauf hinzuwirken, dass mit allen rechtlich zu Gebote stehenden Mitteln“ der Unternehmenskaufvertrag sowie alle danach erfolgten Übertragungen von zum Unternehmen gehörigen Vermögenswerten an den Dritten, insbesondere Mietrechte, Geschäftsausstattung (Möbel, Anlagen und Geräte), Lagerbestände, Verträge, Kundenstock, behördliche Genehmigungen uä, Software, Namens- und geistige Eigentumsrechte, Forderungen und der zum Unternehmen gehörige „good will“, „rückabgewickelt werden“.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die außerordentliche Revision der Erstbeklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

[3] 1. Unmöglichkeit der Leistung wird von der Rechtsprechung dahingehend definiert, dass dem Schuldner die Bewirkung der Leistung physisch oder rechtlich dauernd (endgültig) unmöglich geworden ist (RS0018391), wobei der sich auf die Unmöglichkeit Berufende die Unmöglichkeit der von ihm verlangten Leistung zu behaupten und zu beweisen hat (2 Ob 219/09h [Wiederherstellungsbegehren]; vgl RS0034223; RS0034226). Der Umstand, dass die Sache sich in dritter Hand befindet, macht die Beschaffung an sich noch nicht unmöglich (RS0016403). Eine Unmöglichkeit kann auch dann nicht angenommen werden, wenn der Beklagte nicht einmal behauptet und zu beweisen versucht hat, dass er alles unternommen habe, den Dritten zu einer die Erfüllung ermöglichenden Handlung zu bewegen (RS0034223 [T1, vgl auch T3]). Vielmehr hat der Schuldner zu beweisen, alles unternommen zu haben, um mögliche Leistungshindernisse aus dem Weg zu räumen (6 Ob 212/12p; RS0034223 [T3]). Zweifel über die Unmöglichkeit der Leistung gehen zu Lasten des Schuldners (6 Ob 212/12p; RS0034104 [T1]).

[4] Die Ansicht des Berufungsgerichts, die bloße Behauptung der Erstbeklagten, eine Rückabwicklung sei unmöglich, weil das an den Dritten veräußerte Gastgewerbeunternehmen mittlerweile auch von diesem weiterverkauft wurde, genüge nicht, um die faktische Unmöglichkeit der Wiederherstellungsverpflichtung darzutun, findet Deckung in der erörterten Rechtsprechung. Gegen die Beurteilung, rechtliche Unmöglichkeit liege aufgrund der Unwirksamkeit des Unternehmenskaufvertrags zwischen der Erstbeklagten und dem Dritten nicht vor, wendet sich die Revision ohnehin nicht.

[5] 2.1. Zwar darf bei offenkundiger Unmöglichkeit nicht zur Leistung verurteilt werden, woran auch der Umstand nichts ändert, dass der Schuldner die Leistung vereitelt hat (RS0016423 [T4]). Die Rechtsprechung ist aber bereits von der Möglichkeit der Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein lebendes Gastgewerbeunternehmen, zu dem auch die Geschäftslage und der Kundenstock als „good will“ gehören, ausgegangen (vgl 1 Ob 550/86; 6 Ob 550/86). Überdies mussdie Wiederherstellung nicht immer eine wirkliche Zurückversetzung in den vorigen Stand sein; sie kann auch in der Herstellung einer im Wesentlichen gleichartigen Lage bestehen, die ohne das schadenbringende Verhalten des Schädigers nach dem natürlichen Ablauf der Dinge derzeit bestünde (6 Ob 70/14h; RS0030523).

[6] Mit dem Hinweis, der Kundenstock des Gastgewerbebetriebs könne erfahrungsgemäß nicht rückübertragen werden, weil das Verhalten der Kunden „kaum beeinflussbar“ sei, zeigt die Revision daher keine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf.

[7] 2.2. Dem steht auch die Entscheidung im vorangegangenen Provisorialverfahren nicht entgegen. Dort war zu beurteilen, ob der (allenfalls auch nur vorübergehende) Verlust des kompletten Gastgewerbeunternehmens als einzigen Unternehmens der Erstbeklagten einen drohenden unwiederbringlichen Nachteil iSd § 42 Abs 4 GmbHG für diese bedeutet (6 Ob 38/18h = GesRZ 2018, 303 [zust Zimmermann] = NZ 2018/103[zust Wimmer, 401]). Im nunmehrigen Hauptverfahren war hingegen darüber zu entscheiden, ob sich die Rückabwicklung des Unternehmenskaufvertrags tatsächlich als faktisch unmöglich erweist.

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