OGH 6Ob550/86

OGH6Ob550/8624.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Hon.Prof.Dr.Griehsler, Dr.Gamerith und Dr.Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ottokar Z***, Hauseigentümer, Nordbahnstraße 30, 1020 Wien, vertreten durch Dr.Gerhard Rieger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Maria F***, Gastwirtin, Fendigasse 40/18, 1050 Wien, vertreten durch Dr.Helmut Michlmayr, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 23.Oktober 1985, GZ 41 R 947/85-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20.Mai 1985, GZ 41 C 503/83-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.493,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 308,85 S Umsatzsteuer und 96 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Juli 1972 mietete die Beklagte vom Kläger die Geschäftsräumlichkeiten in der Ausstellungsstraße 5/2 in Wien-Leopoldstadt. Aus familiären Gründen schloß sie im September 1980 das Unternehmen und suchte einen Käufer. Im April 1981 verkaufte sie schließlich das Unternehmen an die F*** Gesellschaft mbH, an deren Stammkapital sie selbst bloß zu einem, Markus B*** zu fünfzig und dessen Ehegattin Miroslava zu neunundvierzig Prozent beteiligt waren. Die Minimalbeteiligung der Beklagten war vorgesehen worden, damit die Firma der Gesellschaft mit deren Familiennamen gebildet werden konnte. Tatsächlich übergab die Beklagte das Unternehmen an die Eheleute B***, die es fortan führten. Im Oktober 1982 gab Markus B*** das Unternehmen namens der Gesellschaft als deren allein vertretungsbefugter Geschäftsführer Anton P*** in Bestand. Am 23.März 1983 lösten die Beklagte und die F*** Gesellschaft mbH den Kaufvertrag über das Unternehmen einvernehmlich auf, weil der Kaufpreis zum größten Teil noch immer nicht bezahlt war. Mit diesem Vertrag wurde gleichzeitig auch der zwischen der F*** Gesellschaft mbH und Anton P*** geschlossene Pachtvertrag aufgehoben. Am selben Tag verkaufte die Beklagte schließlich das Unternehmen an Anton P*** um den Preis von 300.000 S; dieser veräußerte das Unternehmen in der Folge an die P*** Gesellschaft mbH. Der öffentliche Notar Dr.Hans L*** gab im Auftrag des Anton P*** dem Kläger mit Schreiben vom 21.Juli 1983 bekannt, das Unternehmen sei von Anton P*** gekauft und in die P*** Gesellschaft mbH eingebracht worden, die deshalb nunmehr Mieterin der Räumlichkeiten sei. Der Mietzins für die Geschäftsräumlichkeiten wurde bis zuletzt der Beklagten vorgeschrieben.

Der Kläger kündigte der Beklagten die Geschäftsräumlichkeiten zum 31.August 1983 auf und machte den Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 4 MRG geltend.

Die Beklagte wendete vor allem ein, daß die Mietrechte infolge Verkaufes des Unternehmens gemäß § 12 Abs 3 MRG an Anton P*** übergegangen seien.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, die Beklagte sei durch Rückabwicklung des Kaufvertrages wieder Eigentümerin des Unternehmens und Mieterin der Geschäftsräumlichkeiten geworden; sie habe aber, da sie das Unternehmen seit September 1980 nicht betrieben habe, bei der Veräußerung am 23.März 1983 nicht über ein lebendes Unternehmen verfügt, sodaß sie in Wahrheit nur die Mietrechte veräußert habe.

Das Berufungsgericht hob die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf, wies das Räumungsbegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteige. Es führte aus, soweit das Erstgericht vom Unternehmen spreche, sei dem gesamten Akteninhalt nach davon auszugehen, daß die Beklagte bis zur Sperre in den genannten Geschäftsräumlichkeiten ein Kaffeehaus betrieben habe. Damit liege aber die Unternehmensidentität vor und nach den beiden Veräußerungen vor. Unbeachtlich sei, daß das Inventar schon vor der Rückabwicklung des Kaufvertrages vom April 1981 im Eigentum des Unternehmenserwerbers gestanden sei. Auch bei einem lebenden Unternehmen müßten nicht sämtliche in Betracht kommenden Unternehmensbestandteile gegeben sein; das Fehlen des Inventars bzw. Warenlagers oder der Mangel der Gewerbeberechtigung seien daher nicht entscheidend. Auch die Sperre bis zur Wiedereröffnung durch die Eheleute B*** sei nicht als dauernde Stillegung anzusehen, weil sie nur erfolgt sei, um einen Käufer zu suchen. Es könne nicht gesagt werden, daß der wesentlichste Bestandteil eines Unternehmens, der good will, durch die Sperre gänzlich verlorengegangen sei. Da die Beklagte durch die Rückabwicklung des Unternehmenskaufvertrages wieder Eigentümerin des bis dahin von der F*** Gesellschaft mbH geführten Unternehmens geworden und damit die Spaltung des Mietverhältnisses beendet worden sei, sei dem Kaufvertrag der Beklagten mit Anton P*** ein Unternehmen zugrunde gelegen, so daß nicht bloß die Mietrechte Gegenstand der Veräußerung gewesen seien. Daß sich der Kundenstock zwischen erstmaliger und neuerlicher Veräußerung geändert habe und das Inventar im Eigentum des Anton P*** gestanden sei, habe - wie schon ausgeführt - keinerlei Bedeutung, zumal der Kundenstock einem ständigen Wechsel unterliege. Daß das Unternehmen zwischenzeitig nicht von der Beklagten, sondern von der F*** Gesellschaft mbH und von dieser zeitweilig durch einen Pächter geführt worden sei, verhindere die Rechtsfolgen des § 12 Abs 3 MRG deshalb nicht, weil es nicht darauf ankomme, daß das Unternehmen bei der Veräußerung vom Mieter selbst betrieben werde, sondern dem Mieter gehöre und lebend sei. Daß nicht bloß die Mietrechte Gegenstand der Veräußerung gewesen seien, erhelle auch daraus, daß der Verkehrswert des Unternehmens dem Kaufpreis von 300.000 S entspreche. Da in diesem Verkehrswert auch die Mietrechte berücksichtigt sein müßten, sei das Entgelt nicht bloß ein solches für die Mietrechte gewesen. Lägen aber die Voraussetzungen des § 12 Abs 3 MRG vor, sei die Beklagte für die Aufkündigung passiv nicht mehr legitimiert.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nach Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, daß die vorübergehende Schließung des Kaffeehauses (Espressos) vor der Veräußerung an die F*** Gesellschaft mbH der Annahme eines lebenden Unternehmens nicht entgegensteht (MietSlg. 36.276/45 u.a.). Tatsächlich hat die Gesellschaft das Espresso zur Weiterführung übernommen und in der Folge zunächst selbst und später durch einen Pächter weiterbetrieben. Auch am Erfordernis der Unternehmensidentität kann deshalb nicht gezweifelt werden, selbst wenn das Unternehmen mit einer neuen Gewerbeberechtigung, neu angeschafften Waren (gleicher Art) und einer eigenen Einrichtung weiterbetrieben wurde (vgl. Würth in Rummel, ABGB, Rdz 23 zu § 30 MRG). Es bedarf deshalb keiner Verbreiterung des Sachverhaltes in bezug auf das Eigentum am Inventar und die Gewerbeberechtigung, weil auch die vom Kläger gewünschten Feststellungen kein anderes rechtliches Ergebnis zeitigen könnten. Da das Unternehmen von der Beklagten an die F*** Gesellschaft allerdings schon vor Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes veräußert worden war und dieses Gesetz nicht zurückwirkt, ist § 12 Abs 3 MRG auf dieses Veräußerungsgeschäft nicht anzuwenden (EvBl 1983/143 u.a.; Fenyves in Korinek-Krejci, Handbuch zum Mietrechtsgesetz, 325 mwN in FN 259). Es entstand hiedurch ein gespaltenes Mietverhältnis, so daß die Beklagte als Verkäuferin des Unternehmens weiterhin Mieterin der Geschäftsräumlichkeiten blieb.

Mit Vertrag vom 23.März 1983 vereinbarten die Beklagte und die F*** Gesellschaft mbH die Aufhebung des seinerzeitigen Kaufvertrages über das Unternehmen (und - unter Beitritt des Pächters Anton P*** - auch die Aufhebung des Pachtvertrages der Gesellschaft mit diesem). Keine Frage kann es sein, daß damit das von der Gesellschaft (durch den Pächter) betriebene Unternehmen an die Beklagte zurückfiel, womit gleichzeitig auch das gespaltene Mietverhältnis beendet wurde. Daß die Beklagte das von ihr zurückerworbene Unternehmen unverzüglich weiterveräußerte, ändert - entgegen der Auffassung des Revisionswerbers - nichts daran, daß sie ein ihr gehöriges, lebendes Unternehmen verkaufte, das in der Folge unter Wahrung seiner Identität als Kaffeehaus - Espresso vom Käufer fortgeführt und schließlich als Sacheinlage in eine zum Fortbetrieb gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingebracht wurde. Das im § 12 Abs 3 MRG aufgestellte Erfordernis, Gegenstand der zum Eintritt des Erwerbers in das Mietverhältnis führenden Veräußerung müsse das vom Hauptmieter im Mietgegenstand betriebene Unternehmen sein, darf - angesichts des Gesetzeszweckes (Erhaltung des Unternehmens) - nicht zu eng ausgelegt werden; vielmehr genügt für den schon von Rechts wegen eintretenden Übergang des Mietverhältnisses auf den Unternehmenserwerber - so wie schon nach alter Rechtslage für die Begründung eines gespaltenen Mietverhältnisses - das Vorhandensein eines lebenden Unternehmens des Hauptmieters und dessen Weiterführung durch den Erwerber. Gerade das trifft aber auf den vorliegenden Sachverhalt unzweifelhaft zu, zumal es beim Wiedererwerb des Unternehmens und dem anschließenden Weiterverkauf durch die Beklagte zu keiner - jedenfalls meßbaren - Stillegung gekommen ist. Auch daß Anton P*** das Unternehmen - unter Wahrung der Identität - als Sacheinlage in eine Gesellschaft einbrachte, ändert an diesen Schlußfolgerungen nichts, weil auch mehrfache Weiterveräußerungen nicht anders zu beurteilen sind (vgl. zur alten Rechtslage MietSlg. 31.393/25 u.a.). Ist aber infolge der Veräußerung des Unternehmens durch die Beklagte an Anton P*** das Mietverhältnis gemäß § 12 Abs 3 MRG von Gesetzes wegen auf den Erwerber übergegangen, so ist die Beklagte, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, passiv nicht mehr legitimiert.

Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Eingabengebühr für die Revisionsbeantwortung beträgt gemäß den §§ 3 Abs 1 letzter Satz, 15 Z 2 lit b) und Tarifpost 1 lit c) in der Fassung des Artikels X Z 2 und 6 der Zivilverfahrens-Novelle 1983 96 S.

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