OGH 9ObA44/21t

OGH9ObA44/21t27.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. DI (FH) E*****, nunmehr vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, wegen Leistung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 13. Mai 2019, GZ 11 Ra 27/19y‑36, mit dem der Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. April 2019, GZ 9 Cga 22/19h‑20, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00044.21T.0527.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen vom 8. 4. 2019 und 13. 5. 2019 werden ersatzlos aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

 

Begründung:

[1] Am 28. 2. 2019 brachte der Kläger beim Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht eine Klage gegen die Beklagte ein.

[2] Mit Beschluss vom 8. 4. 2019 wies das Erstgericht die Klage zurück. Trotz Verbesserungsaufträgen habe der Kläger seine Klage nicht ziffernmäßig bestimmt.

[3] Dagegen erhob der damals unvertretene Kläger rechtzeitig Rekurs. Dem Auftrag des Erstgerichts, den Rekurs durch Unterfertigung einer qualifizierten Person iSd § 40 Abs 1 ASGG zu verbessern, kam der Kläger nicht nach.

[4] Mit dem nun angefochtenen Beschluss vom 13. 5. 2019 wies das Rekursgericht den Rekurs des Klägers als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

[5] Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger fristgerecht einen – zunächst von einem Rechtsanwalt nicht unterfertigten – Revisionsrekurs .

[6] Das Erstgericht verständigte sodann am 24. 6. 2019 gemäß § 6a ZPO das Pflegschaftsgericht (Bezirksgericht Linz) über den von ihm gewonnenen Eindruck der mangelnden Geschäfts‑ bzw Prozessfähigkeit des Klägers.

[7] Mit (mittlerweile rechtskräftigem [5 Ob 209/20a]) Beschluss vom 22. 5. 2020 (GZ 38 P 208/19y-114 des Bezirksgerichts Linz) bestellte das Pflegschaftsgericht Rechtsanwalt Mag. Dr. H***** gemäß § 120 AußStrG zum einstweiligen Erwachsenenvertreter des Klägers, unter anderem zur Vertretung in allen anhängigen und anstehenden gerichtlichen Verfahren (ON 46).

[8] Mit Beschluss vom 3. 12. 2020 (ON 52) trug das Erstgericht dem Erwachsenenvertreter auf, binnen eines Monats bekanntzugeben, ob der Revisionsrekurs und das vorangegangene Verfahren samt Klagsführung genehmigt werden. Für den Fall einer Genehmigung werde dem Erwachsenenvertreter aufgetragen, binnen weiterer zwei Monate den Revisionsrekurs so zu verbessern, dass er der ZPO und der Geo entspreche.

[9] In der Folge teilte der Erwachsenenvertreter dem Erstgericht fristgerecht mit, dass er einen verbesserten Revisionsrekurs einbringen werde. Innerhalb der vom Erstgericht über Antrag des Erwachsenenvertreters erstreckten Frist brachte der einstweilige Erwachsenenvertreter des Klägers schließlich am 13. 4. 2021 einen verbesserten Revisionsrekurs ein. Unter Geltendmachung der Revisionsrekursgründe der Nichtigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beantragt er darin, die angefochtenen Beschlüsse des Rekursgerichts vom 13. 5. 2019 und des Erstgerichts vom 8. 4. 2019 aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, den ergangenen Verbesserungsauftrag hinsichtlich der eingebrachten Klage dem einstweiligen Erwachsenenvertreter zur weiteren Veranlassung zuzustellen. Dabei stützt er sich darauf, dass der Kläger nach den im Erwachsenenschutzverfahren eingeholten Sachverständigengutachten bereits bei Klagseinbringung (28. 2. 2019) nicht mehr prozessfähig gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der (verbesserte) Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

[11] 1.  Stellt sich die Frage des allfälligen Mangels der Prozessfähigkeit erst im Rechtsmittelverfahren, so hat das Rechtsmittelgericht von Amts wegen eine entsprechende Prüfung und allfällige Sanierung selbst vorzunehmen (RS0035456). Aufgrund des vom Bezirksgericht Linz im Erwachsenenschutzverfahren zu 38 P 208/19y eingeholten Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Prim. Dr. Christoph Röper, LL.M.,vom 14. 7. 2020 leidet der Kläger bereits seit Juni/Juli 2018 an einer anhaltend wahnhaften Störung bzw einer kombinierten Persönlichkeitsstörung. Wegen seiner krankheitsbedingten psychischen Einschränkungen war er seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, sich adäquat um seine finanziellen Angelegenheiten zu kümmern und sich unter anderem gegenüber Gerichten (insbesondere in den anhängigen Gerichtsverfahren) zu vertreten (vgl 8 ObA 18/21m).

[12] 2.  Der Senat geht daher davon aus, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Klagseinbringung (28. 2. 2019) nicht mehr prozessfähig war. Aus den im verbesserten Revisionsrekurs vom einstweiligen Erwachsenenvertreter gestellten Anträgen ergibt sich (vgl RS0042223), dass der Erwachsenenvertreter die nach Klagseinbringung erfolgte Prozessführung des damals unvertretenen Klägers nicht genehmigte (§ 6 Abs 2, § 477 Abs 2 ZPO). Damit ist das von den Vorinstanzen nach Klagseinbringung durchgeführte Verfahren nichtig (§ 477 Abs 1 Z 5 ZPO).

[13] 3. Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und es waren die angefochtenen Beschlüsse der Vorinstanzen antragsgemäß aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht dem einstweiligen Erwachsenenvertreter die Möglichkeit zu eröffnen haben, die Klage (auch durch Einholung der erforderlichen pflegschaftsbehördlichen Genehmigung) zu verbessern.

Stichworte