European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00078.21F.0527.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Rechtsmittelwerberin ist die erwachsene Tochter der Betroffenen und war bis Mitte 2020 ihre gewählte Erwachsenenvertreterin.
[2] Wegen gesundheitlicher Probleme der Tochter beendete das Erstgericht die gewählte Erwachsenenvertretung und bestellte einen außenstehenden Dritten mit Erfahrung in diesem Bereich zum Rechtsbeistand und einstweiligen Erwachsenenvertreter für die Betroffene. Mit fünf Folgebeschlüssen erweiterte das Erstgericht jeweils um weitere dringende Angelegenheiten den Wirkungskreis des einstweiligen Erwachsenenvertreters.
[3] Gegen den Bestellungsbeschluss sowie die ersten beiden Folgebeschlüsse erhoben die Tochter und der Enkelsohn der Betroffenen Rekurs und beantragten, den einstweiligen Erwachsenenvertreter zu entheben und einen anderen Erwachsenenvertreter, nämlich einen Erwachsenenschutzverein oder einen Notar/Rechtsanwalt zu bestellen. Der bestellte einstweilige Erwachsenenvertreter gehöre keinem der in §§ 274 f ABGB genannten Personenkreise an, sei tatsächlich nicht für diese Aufgabe geeignet und überschreite seinen Wirkungskreis. Außerdem sollten die Anträge auf Erweiterung des Wirkungskreises abgewiesen werden. Die Beendigung der gewählten Erwachsenenvertretung ließ die Tochter dagegen unbekämpft.
[4] Das Rekursgericht wies die Rekurse als unzulässig zurück. Angehörige der Betroffenen hätten nach § 127 Abs 3 AußStrG zwar ein Rekursrecht im Hinblick auf die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters. Dieses Recht bestehe aber nur bei Bestellung des endgültigen, nicht auch des einstweiligen Erwachsenenvertreters. Auch aus ihrer Stellung als bisherige gewählte Erwachsenenvertreterin könne die Tochter keine Rekurslegitimation ableiten, weil in diese rechtlich geschützte Stellung erst durch die Bestellung eines endgültigen Erwachsenenvertreters eingegriffen werden würde.
[5] Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Tochter ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Wem im Verfahren die Parteistellung oder die Rechtsmittellegitimation abgesprochen wird und dessen Rechtsmittel dementsprechend zurückgewiesen wurde, der ist grundsätzlich legitimiert, die Überprüfung dieser Rechtsansicht im Rechtsmittelweg zu verlangen (RIS‑Justiz RS0006793 [T6]). Der Revisionsrekurs der Tochter ist daher nicht etwa schon mangels Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen (4 Ob 115/19v).
[7] 2. Im Verfahren außer Streitsachen steht ein Rechtsmittel grundsätzlich nur demjenigen zu, der durch die Entscheidung in seinem eigenen rechtlich geschützten Interesse beeinträchtigt ist (RS0006641). Die Tochter sucht ihre Rekurslegitimation nun damit zu begründen, dass der erste der drei Beschlüsse ihre Funktion als gewählte Erwachsenenvertreterin beende und damit in ihre Rechtsstellung eingreife. Dabei übersieht sie jedoch, dass sie diesen Spruchpunkt ausdrücklich unbekämpft ließ.
[8] 3.1. Gemäß § 127 Abs 3 AußStrG steht den in Abs 1 genannten Angehörigen – zu denen die volljährige Tochter der Betroffenen zählt – gegen den Beschluss über die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters ein eingeschränktes Rekursrecht nur im Hinblick auf die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters zu (vgl auch 1 Ob 204/18h).
[9] 3.2. Diese Bestimmung bezieht sich nach ihrem klaren Wortlaut nur auf die Bestellung des endgültigen (gerichtlichen) Erwachsenenvertreters und ist bei der Bestellung eines Rechtsbeistands nach § 119 AußStrG oder eines einstweiligen Erwachsenenvertreters nach § 120 AußStrG nicht anzuwenden, zumal § 120 Abs 3 AußStrG nur die sinngemäße Anordnung der verfahrensrechtlichen Regeln der § 123 und § 126 AußStrG, nicht aber des § 127 AußStrG anordnet (ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 69). Auch im einhelligen Schrifttum wird die Norm nur in dieser Weise verstanden ( Deixler-Hübner in Deixler-Hübner/Schauer , Handbuch Erwachsenenschutzrecht [2018] Rz 5.108; Schauer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I 2 § 120 [Stand 1. 6. 2019, rdb.at] Rz 4, 21; Zierl/Schweighofer/Wimberger , Erwachsenenschutzrecht 2 [2018] Rz 514).
[10] 3.3. Da diese Rechtsfrage damit aufgrund des Gesetzes und seiner Materialien zweifelsfrei zu lösen ist, bildet auch sie keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (vgl RS0042656 [T54]).
[11] 4. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs nicht zulässig und daher ohne weitere Begründung zurückzuweisen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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