OGH 1Ob204/18h

OGH1Ob204/18h20.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des G*, geboren am *, über die im Namen der betroffenen Person von der V* GmbH, *, und von U*, vertreten durch die Vogl Rechtsanwalt GmbH, Feldkirch, erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurse gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 14. September 2018, GZ 55 R 53/18z‑128, mit dem deren gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 12. Juli 2018, GZ 4 P 14/17a‑108, erhobene Rekurse zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124055

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 15. 5. 2017 wurde ein Rechtsanwalt zum Sachwalter (nun Erwachsenenvertreter) des Betroffenen für alle Angelegenheiten bestellt. Der von diesem selbst unterschriebene und auf Bestellung seiner Ehegattin zur Sachwalterin gerichtete Rekurs gegen diese Entscheidung blieb erfolglos. Auch der im März 2018 von ihm unterfertigte Antrag, die Sachwalterschaft zu beenden, wurde abgewiesen, der gleichlautende Antrag seiner Ehegattin mangels Antragslegitimation zurückgewiesen. Dabei ging das Erstgericht in seiner Begründung unter anderem darauf ein, dass die Ehefrau offenkundig erhebliche Vermögenswerte des Betroffenen seit Anfang des Jahres 2016 nicht geklärten Verwendungszwecken zugeführt habe, ohne dass der Betroffene sichtlich davon profitiert habe. Der Sachwalter sei beauftragt, diese Vorgänge zu klären; die Ehegattin habe bislang jede Bereitschaft, zum Wohl des Betroffenen zur Klärung dieser Umstände beizutragen, vermissen lassen. Mittlerweile hat das Erstgericht die Klagsführung gegen die Ehegattin wegen 369.850 EUR genehmigt.

Am 27. 6. 2018 brachte die V* GmbH bei Gericht einen Schriftsatz ein, mit dem sie bekannt gab, vom Betroffenen „bzw“ seiner Ehegattin in der Pflegschaftssache beauftragt und (laut der beiliegenden Urkunde) bevollmächtigt zu sein. Darin wurde namens beider beantragt, eine Aktenkopie zu übermitteln, den Sachwalter abzuberufen und an dessen Stelle – weil deren Tätigkeit wirtschaftlich weitaus günstiger und auch zweckmäßiger sei – seine Ehefrau zur Sachwalterin zu bestellen; zudem wurden diverse (zum Teil schon zuvor vorgebrachte) Vorwürfe gegen den Erwachsenenvertreter erhoben.

Das Erstgericht wies – ohne auf die Anträge der Ehefrau einzugehen – allein „die für den Betroffenen von der V* GmbH erhobenen Anträge“ mangels wirksam erteilter Vollmacht zurück, weil es (nach dem dazu eingeholten Gutachten) unzweifelhaft sei, dass die betroffene Person an einer mit einer psychischen Erkrankung vergleichbaren Beeinträchtigung leide, aufgrund derer sie den Zweck der „erteilten Vollmacht“ nicht erkennen habe können.

Das Rekursgericht wies die namens der betroffenen Person und seiner Ehegattin erhobenen Rekurse zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Voraussetzung für eine wirksame Vollmachtserteilung sei – auch nach Inkrafttreten des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes (BGBl I 2017/59) –, dass der betroffenen Person nicht völlig die Vernunft fehle und sie bei der Vollmachtserteilung fähig sei, den Zweck der dem Rechtsvertreter erteilten Vollmacht zu erkennen. Es ging auf Sachverhaltsebene davon aus, dass dies der betroffenen Person nicht mehr möglich gewesen sei und erachtete ausgehend davon die Zurückweisung der für den Betroffenen erhobenen Anträge durch das Erstgericht als fehlerfrei. Der Ehefrau stünde ein Rekursrecht gegen diesen Beschluss nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung eines Rekurses durch das Rekursgericht ist mangels einer dem § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vergleichbaren Regelung nicht jedenfalls, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG anfechtbar (RIS‑Justiz RS0120974 [T8, T9]). Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne dieser Bestimmung zeigen die gegen die Entscheidung des Rekursgerichts namens der betroffenen Person und seiner Ehefrau erhobenen Revisionsrekurse aber nicht auf, weswegen sie nicht zulässig sind.

1. Zum namens der betroffenen Person erhobenen Revisionsrekurs:

Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass der (an einer Alkoholdemenz leidenden) betroffenen Person das in der Rechtsprechung geforderte Mindestmaß an Einsichts- bzw Entscheidungsfähigkeit für die Erteilung einer wirksamen Vollmacht fehl(t)e, wird im Revisionsrekurs gar nicht bekämpft. Darin wird vielmehr der Standpunkt vertreten, es sei ein Mindestmaß an Einsichtsfähigkeit für die Bevollmächtigung eines Anwalts aufgrund der mit dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz eingeführten Bestimmung des § 116a Abs 1 AußStrG nicht mehr erforderlich.

Nach dem insoweit völlig klaren Gesetzeswortlaut des § 116a Abs 1 AußStrG kann die betroffene Person in Erwachsenenschutzverfahren unabhängig von ihrer Verfahrensfähigkeit Verfahrenshandlungen vornehmen; stimmen ihre Anträge nicht mit jenen ihres Vertreters überein, so sind bei der Entscheidung alle Anträge inhaltlich zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall sind aber nicht Verfahrenshandlungen der betroffenen Person zu beurteilen, sondern es geht um die Frage, ob sie einen Rechtsvertreter bevollmächtigen konnte. Mit der Frage der (wirksamen) Bevollmächtigung zur Stellvertretung befasst sich aber die Bestimmung des § 116a Abs 1 AußStrG, die die Vorgangsweise bei einem Widerspruch zwischen Verfahrenshandlungen des ([zuvor wirksam] gewählten, gesetzlichen oder bestellten) Vertreters und jenen der betroffenen Person selbst regelt, nicht. Daran, dass die Erteilung einer Vollmacht eine einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung ist (Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen II 244 f), die nur wirksam sein kann, wenn der betroffenen Person nicht völlig die Vernunft fehlt und sie den Zweck der Vollmachtserteilung erkennen kann (vgl RIS‑Justiz RS0008539 [T11]; zuletzt 6 Ob 99/18d), hat das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz nichts geändert. Nach wie vor ist ein Mindestmaß an Befähigung, den Grund und die Bedeutung der vorzunehmenden Rechtshandlung – hier eben der Bevollmächtigung – einzusehen, gefordert.

Die Frage, ob im Einzelfall die Voraussetzungen für eine (wirksame) Bevollmächtigung eines anderen zur Einbringung eines Rechtsmittels vorliegen, ist aber eine solche des Einzelfalls (6 Ob 135/17x mwN), zu der im Revisionsrekurs eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufgeworfen wird. Damit liegt auch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (die in der unterbliebenen inhaltlichen Prüfung des Antrags liegen soll) nicht vor.

2. Zum Revisionsrekurs der Ehefrau:

Das nun in § 127 Abs 3 AußStrG (idF des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes) verankerte Rekursrecht von Angehörigen, auf das sich die Ehefrau (iVm § 128 Abs 1 AußStrG) stützt, sieht einen Rekurs der Angehörigen (nur) gegen „den Beschluss über die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters im Hinblick auf die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters“ vor (vgl auch ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP  69; „nur hinsichtlich der Person des Vertreters“: Deixler-Hübner in Deixler-Hübner/Schauer HB Erwachsenenschutzrecht Rz 5.108). Darüber und über den damit verbundenen Umstand, dass ihr wegen § 127 Abs 3 AußStrG keine umfassende Parteistellung als Angehörige im Bestellungs‑ oder Übertragungsverfahren zusteht, hat sie schon das Rekursgericht aufgeklärt.

Im vorliegenden Fall ist mit der angefochtenen Entscheidung des Erstgerichts kein Beschluss über die Person des Erwachsenenvertreters ergangen; es wurde der auf Umbestellung gerichtete Antrag der betroffenen Person inhaltlich gar nicht behandelt. Ein – in § 128 Abs 1 AußStrG unter anderem erwähntes – Übertragungsverfahren hat nicht stattgefunden. Vielmehr befasste sich das Erstgericht allein mit der Frage einer wirksamen Vollmachtserteilung an die einschreitende Rechtsanwaltsgesellschaft und wies den namens der betroffenen Person gestellten Antrag zurück. Gegen Beschlüsse, die sich mit der Frage des Vorliegens der (formalen) Voraussetzungen für die Behandlung eines Antrags auf Umbestellung (eines Einschreiters) befassen, wird Angehörigen einer betroffenen Person aber kein Rekursrecht eingeräumt. Eine erhebliche Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Beurteilung des Rekursgerichts, dass der Ehefrau kein Rekursrecht gegen den angefochtenen Beschluss des Erstgerichts zusteht, kann die Revisionsrekurswerberin demnach dadurch, dass sie behauptet, es hätte ihrem – im Revisionsrekurs an einigen Stellen als „Anregung“ bezeichneten – Antrag auf Umbestellung stattgegeben werden müssen, nicht aufzeigen.

3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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