OGH 10ObS63/21v

OGH10ObS63/21v27.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Dr. Harald Bisanz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 2021, GZ 7 Rs 102/20 a‑36, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131785

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Im Revisionsverfahren ist strittig, ob die – als Angestellte versicherte – Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Organ der Parkraumüberwachung Berufsschutz nach § 273 Abs 1 ASVG hat und deshalb nicht im Sinn des § 255 Abs 3 ASVG auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden darf. Maßgeblich für die Beurteilung des Berufsschutzes ist nach der Rechtsprechung die tatsächlich verrichtete Tätigkeit (RS0083723 [T1]).

[2] 2. Die Klägerin sieht ihre Tätigkeit als höheren nichtkaufmännischen Dienst an. Die Rechtsprechung verlangt dafür unter anderem die Fähigkeit der Beurteilung der Arbeit anderer und eine Aufsichtsbefugnis (RS0027992). Werden Mischtätigkeiten verrichtet (höhere nichtkaufmännische und nicht in diese Richtung qualifizierte Arbeiten), entscheidet im Allgemeinen das zeitliche Überwiegen, ausgenommen die höher qualifizierte Tätigkeit ist für den Arbeitgeber von ausschlaggebender Bedeutung (RS0028025).

[3] 3. Nicht als Angestellte eingestuft wurden Vorarbeiter im Bereich einer technischen Kontrolle/Visitierung (RS0028051 [T7]), Werkstättenleiter (RS0028051 [T10]), ein Kfz‑Mechanikermeister, der gleichzeitig gewerberechtlicher Geschäftsführer sowie Ausbildner nach § 3 BAG, aber nur untergeordnet an der Führung des Betriebs beteiligt war (RS0028051 [T12]). Ob eine konkrete Tätigkeit einen höheren nichtkaufmännischen Dienst darstellt, ist im konkreten Einzelfall zu beurteilen. Es begründet daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, dass der Oberste Gerichtshof zu einer konkreten Berufstätigkeit noch nicht Stellung genommen hat.

4. Die Beurteilung der Vorinstanzen, welche die Tätigkeit als Organ der Parkraumüberwachung nicht als höheren nichtkaufmännischen Dienst ansahen, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Die Aufgaben der Klägerin umfassten die Überwachung der Kurzparkzonen sowie seit dem Jahr 2012 auch die Überwachung des ruhenden Verkehrs (Überwachung der Einhaltung der maßgeblichen Bestimmungen der StVO sowie der Kurzparkzonenüberwachungsverordnung). Wenn die Klägerin an einem typischen Arbeitstag einen Verstoß gegen diese Regelungen feststellte, hatte sie den Deliktscode in den mitgeführten Personal Digital Assistant (PDA) einzugeben. Die Einschulung für den PDA dauerte etwa einen halben Tag. Überwachungsorgane für Kurzparkzonen und ruhenden Verkehr werden als Vertragsbedienstete nach dreijähriger einschlägiger Tätigkeit entsprechend der Besoldungsordnung 1994 in Schema II, Verwendungs-gruppe B1, eingestuft. Kanzleibeamte (mit Prüfung) werden innerhalb des Schemas II in die höhere Verwendungsgruppe D eingereiht.

[4] 5. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war eine besonders lern‑ oder zeitintensive Ausbildung für die Tätigkeit als Organ der Parkraumüberwachung nicht notwendig. Für eine Kontroll‑ und Aufsichtsfunktion der Klägerin gibt es keinen Hinweis. Die in der Revision zitierte Entscheidung 10 ObS 372/98y zwingt nicht zu einem gegenteiligen Ergebnis. Dort hatte der Oberste Gerichtshof bei einer Tätigkeit als Gerüster ergänzende Feststellungen zur behaupteten eigenverantwortlichen Leitungs‑ und Kontrollfunktion gefordert. Die Angestellteneigenschaft hing davon ab, ob diese Aufsichtsfunktion die manuelle Arbeit zeitlich überstieg oder für den Dienstgeber im Vordergrund stand.

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