OGH 12Os24/21b

OGH12Os24/21b22.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. April 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Csencsits in der Strafsache gegen Jovica K***** wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 18. Dezember 2020, GZ 21 Hv 80/20p‑90, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00024.21B.0422.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jovica K***** – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – des Vergehens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 StGB (I./2./) sowie jeweils mehrerer Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (II./), der Erpressung nach §§ 144 Abs 1 und 15 StGB (III./) sowie der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (IV./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in F***** und anderen Orten

I./2./ den bereits rechtskräftig verurteilten Adis L***** zu strafbaren Handlungen bestimmt oder dies versucht, indem er ihn aufforderte, anderen fremde bewegliche Sachen durch Einbruch in ein Gebäude mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen, und zwar

a./ am 12. Dezember 2010 ihm die im Postamt in F***** zum Verkauf aufgestellten Mobiltelefone zu bringen, wobei Adis L***** aus seiner über dem Postamt gelegenen Wohnung die Umgebung beobachtete und dem bereits rechtskräftig verurteilten Ismet M***** per Telefon mitteilte, dass jetzt alles ruhig sei und dieser den Einbruchsdiebstahl verüben könne, und Ismet M*****, vermummt mit einer Motorradunterziehhaube, mit der Faust ein Fenster der Postamtsfiliale einschlug, darauf vom Tatort wegging und einige Minuten das Objekt beobachtete, wiederum zum Fenster mit der eingeschlagenen Verglasung ging, dieses öffnete und in das Objekt einstieg, worauf er zwei Lagerräume durchsuchte, jedoch für ihn kein brauchbares Diebesgut fand und das Tatobjekt wieder verließ,

b./ am 21. Dezember 2010 ihm das im Sportwettenlokal „C*****“ in G***** befindliche Bargeld zu bringen und sich zunächst mit dem bereits rechtskräftig verurteilten Ismet M***** im Untergeschoss des Lokals zu verstecken und zu warten, bis die Angestellten das Lokal verlassen haben, wobei Adis L***** und Ismet M***** das Sportwettenlokal aufsuchten und auskundschafteten und schließlich von der Tatausführung absahen,

II./ den bereits rechtskräftig verurteilten Adis L***** zu bestimmen versucht, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe, nämlich einer Gas-Schreckschusspistole, anderen fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abzunötigen, und zwar

1./ Anfang Dezember 2010 und am 21. Dezember 2010 Verfügungsberechtigten des Lokals „T*****“ Sportwetten in G***** durch die Aufforderung, dem Milorad Me***** beim Verlassen des Lokals eine Pistole vorzuhalten und ihn aufzufordern, das gesamte Bargeld herzugeben, was Adis L***** jedoch ablehnte,

2./ am 16. Dezember 2010 Verfügungs-berechtigten des Sportwettlokals „Li*****“ in H***** durch die Aufforderung, eine Angestellte beim Verlassen des Lokals zurück in das Lokal zu drängen, eine Pistole vorzuhalten und sie aufzufordern, das gesamte Bargeld herzugeben, wobei Adis L***** die Ausführung noch vor Erreichen des Versuchsstadiums abbrach,

3./ am 16. Dezember 2010 Verfügungs-berechtigten des Sportwettlokals „Li*****“ in H***** durch die neuerliche Aufforderung, eine Angestellte beim Verlassen des Lokals zurück in das Lokal zu drängen, eine Pistole vorzuhalten und sie aufzufordern, das gesamte Bargeld herzugeben, wobei Adis L***** gemeinsam mit dem bereits rechtskräftig verurteilten Ismet M***** die Tatörtlichkeit besichtigte und Aufpasserdienste leistete und Ismet M***** Jasmina A*****, als sie das Wettlokal kurz verließ, mit einer Motorradunterziehhaube maskiert die Gas-Schreckschusspistole vorhielt, worauf sie in das Wettlokal zurück flüchtete und die Eingangstür zuzuhalten versuchte, die jedoch von Ismet M***** aufgedrückt werden konnte, worauf er im Geschäftslokal seine Waffe auf Jasmina A***** sowie die beiden anwesenden Gäste Christine A***** und Alexandra S***** richtete, worauf alle drei bedrohten Personen laut zu schreien begannen und er das Wettlokal ohne Beute verließ,

III./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz nachgenannte Personen durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, die diese am Vermögen schädigte oder schädigen sollte, genötigt und dies versucht, und zwar,

1./ vom 6. Dezember 2010 bis zum 14. Dezember 2010 Sedzida und Adis L***** durch die wiederholten Mitteilungen, er werde „etwas Schlimmes“ gegen die Familie L***** unternehmen, wenn das von ihm geforderte Geld nicht aufgetrieben werde, am 6. Dezember 2010 zur Übergabe von 300 Euro an ihn und am 14. Dezember 2010 zur Anweisung von 600 Euro an eine gewisse Sandra K***** in Serbien,

2./ Anfang Dezember 2010 Adis L***** durch die Äußerung, er werde ihn und seine Familie mit ein paar Kollegen „besuchen“ kommen, sollte er bis zum nächsten Tag das Geld nicht haben, zur Übergabe von 560 Euro,

3./ am 3. Dezember 2010 Adis L***** durch die Äußerung, er werde seine Mutter und seine kleine Schwester „besuchen“ kommen, sollte er das Geld nicht binnen drei Tagen auftreiben, zur Übergabe von 900 Euro,

4./ am 18. Dezember 2010 Adis L***** durch die Äußerung, er werde jemanden bei seiner Familie vorbeischicken, sollte er nicht bis zum nächsten Tag das Geld auftreiben, zur Übergabe von 1.500 Euro,

5./ am 22. Dezember 2010 Adis L***** durch die Äußerung, dass jetzt Schluss sei und er nun zur Familie des Adis L***** fahren werde, zur Übergabe von 1.500 Euro,

IV./ Adis L***** durch Drohung mit einer Entführung zu einer Handlung genötigt, und zwar

1./ am 6. Dezember 2010 durch die per SMS übermittelte Nachricht, „wenn du nicht zum Auto zurückkommst, nehme ich deine Mutter mit“, zur Rückkehr zum Fahrzeug des Jovica K*****;

2./ am 16. Dezember 2010 durch die Äußerung, die beiden Männer, die zu diesem Zeitpunkt im Eingangsbereich der Firma R***** – dem Arbeitsplatz seiner Mutter Sedzida L***** – standen, würden sonst seine Mutter mitnehmen, zur Durchführung eines schweren Raubes zum Nachteil von Verfügungsberechtigen des Sportwettenlokals „Li*****“ in H*****.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Nach den Urteilsfeststellungen verkaufte der Angeklagte rund 1.000 Gramm Cannabiskraut zum Preis von rund 2.100 Euro. Dabei erhielt er nicht den gesamten vereinbarten Kaufpreis und traf die Vereinbarung, dass der noch fehlende Betrag binnen kurzer Zeit bezahlt werde. Die Tatrichter konnten jedoch nicht feststellen, „ob es sich beim Käufer des Suchgifts um L***** oder [dessen Bekannten] Ko***** handelte“ und ob die nachfolgend geschlossene Vereinbarung „zwischen Ko***** und dem Angeklagten oder zwischen L***** und dem Angeklagten getroffen wurde“. Im Zuge der Forderungen des „noch ausständigen Geldbetrag[s]“ von L***** kam es „zu nachfolgend dargestellten Situationen“ (US 6).

Die Mängelrüge (Z 5) zu den Schuldsprüchen I./2./, II./ und III./ bringt pauschal und undifferenziert vor, das Erstgericht habe „ungeachtet dieser Feststellungen“ „den Bereicherungsvorsatz des Angeklagten [...] zu Unrecht völlig uneingeschränkt bejaht“. Darin sieht die Beschwerde einen inneren Widerspruch (Z 5 dritter Fall), ohne zu erklären, was unter der kritisierten „Uneingeschränktheit“ des Vorsatzes zu verstehen sei, und ohne konkret jene Feststellungen zu nennen, auf die sich der behauptete Begründungsmangel beziehen soll (vgl aber RIS‑Justiz RS0130729 [T1]).

Solcherart entzieht sich die Rüge mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung der Nichtigkeit begründenden Umstände (§ 285a Z 2 StPO) einer inhaltlichen Erwiderung.

Zudem moniert die Beschwerde in diesem Zusammenhang eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der – sich nicht im Urteil findenden – „Annahme eines (uneingeschränkten) Bereicherungsvorsatzes“ (vgl aber RIS‑Justiz RS0128974).

[5] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach auch Z 10) wiederholt den bereits von der Mängelrüge erhobenen Vorwurf, die Tatrichter hätten „das Vorliegen eines (uneingeschränkten) Bereicherungsvorsatzes auf Seiten des Angeklagten zu Unrecht bejaht“. Damit orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht am Urteilssachverhalt (vgl US 13 ff; RIS‑Justiz RS0099724).

[6] Gleiches gilt, soweit die Rüge Feststellungen „zum Vorliegen eines den Vorsatz ausschließenden Irrtums des Angeklagten hinsichtlich der Unrechtmäßigkeit der Bereicherung“ vermisst, die gerade dazu getroffenen Annahmen (US 13 ff) aber übergeht.

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[8] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bleibt hinzuzufügen, dass es sich nach den Konstatierungen des Erstgerichts (US 6 ff, US 14 f) zu III./ um ein längere Zeit hindurch fortgesetztes, von einem einheitlichen Erpressungsvorsatz getragenes Tatgeschehen handelt, weshalb von einer tatbestandlichen Handlungseinheit auszugehen ist (RIS‑Justiz RS0094062 [T1]; Eder‑Rieder in WK2 StGB § 145 Rz 14; zur Rechtsfigur der tatbestandlichen Handlungseinheit 13 Os 1/07g [verstärkter Senat]; RIS‑Justiz RS0122006; Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 89).

[9] Die Annahme mehrerer Verbrechen der Erpressung nach §§ 144 Abs 1 und 15 StGB zu III./1./ bis 5./ ist daher rechtlich verfehlt. Dies wirkte sich jedoch nicht konkret zum Nachteil des Angeklagten aus und bedurfte daher keiner amtswegigen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Korrektur (vgl Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 22 f). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung insoweit nicht an den fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).

 

[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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