OGH 13Os127/20f

OGH13Os127/20f14.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. April 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Pauritsch in der Finanzstrafsache gegen Anton K***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 16. September 2020, GZ 64 Hv 102/19z ‑ 18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00127.20F.0414.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anton K***** mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er im Bereich des Finanzamts *****

(A) als Geschäftsführer der M***** GmbH vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt und zu bewirken versucht, und zwar

(I) an bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben, nämlich

1) an Umsatzsteuer

a) für das Jahr 2011 um 30.395,25 Euro,

b) für das Jahr 2012 um 77.485,66 Euro,

c) für das Jahr 2013 um 105.348,87 Euro,

d) für das Jahr 2014 um 147.391,17 Euro,

e) für das Jahr 2015 um 146.969,02 Euro,

f) für das Jahr 2016 um 146.552,07 Euro und

g) für das Jahr 2017 um 98.042,04 Euro sowie

2) an Körperschaftsteuer

a) für das Jahr 2014 um 21.831 Euro,

b) für das Jahr 2015 um 5.596 Euro und

c) für das Jahr 2016 um 3.517 Euro sowie

(II) für die Jahre 2011 bis 2017 an (selbst zu berechnender) Kapitalertragsteuer um insgesamt 32.605,75 Euro durch wiederholte Nichtabfuhr an den jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten unter Verletzung der Anmeldungspflicht in Bezug auf verdeckte Gewinnausschüttungen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 (richtig) lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS‑Justiz RS0115902).

[5] Das „aus Z 5 und 5a“ erstattete Vorbringen entspricht somit nicht der Strafprozessordnung.

[6] Soweit einem Nichtigkeitsgrund zuordenbar, sei erwidert:

[7] Die Feststellungen zur Umsatzsteuerpflicht der M***** GmbH stützte das Erstgericht auf die diesbezüglichen Verfahrensergebnisse, insbesondere auf das Ergebnis der Ermittlungen der Steuerfahndung Klagenfurt sowie jenes der Außenprüfung, die Angaben einer Pflegerin sowie die von ihr vorgelegten Unterlagen über die Geschäftsbeziehung zur M***** GmbH und Aussagen von Angehörigen und ehemaligen Mitarbeitern dieses Unternehmens (US 9). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist diese Ableitung nicht zu beanstanden.

[8] Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0118316).

[9] Mit dem Hinweis auf den einem Schriftsatz des Verteidigers angeschlossenen Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 5. Mai 2020 (ON 14 S 7 ff) bezieht sich die Rüge aber gerade nicht auf ein in der Hauptverhandlung (ON 15 und ON 17) vorgekommenes Verfahrensergebnis.

[10] Dem weiteren Vorwurf der Unvollständigkeit zuwider hat das Erstgericht bei den Feststellungen zur Umsatzsteuerpflicht die Zeugenaussage des steuerlichen Beraters Mag. P***** nicht unberücksichtigt gelassen (US 11). Dass es aus dessen Angaben nicht die von der Beschwerde gewünschten Schlüsse zog, begründet keine Nichtigkeit. Ein Eingehen auf sämtliche Details dieser Aussage hätte gegen das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) verstoßen (RIS‑Justiz RS0106642).

[11] Eine Tatsachenrüge (Z 5a) ist grundsätzlich nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie anhand konkreten Verweises auf in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweismaterial (§ 258 Abs 1 StPO) bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswürdigung darlegt, welches von ihr angesprochene Verfahrensergebnis aus welchem Grund erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit welcher Feststellungen über entscheidende Tatsachen wecken soll (RIS‑Justiz RS0117446 [insbesondere T1 und T10]).

[12] Nicht in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweismittel sind nur insoweit Gegenstand der Rüge aus Z 5a, als sie so rechtzeitig zum Akt gekommen sind, dass sie in der Hauptverhandlung noch hätten vorkommen können und rechtens hätten vorkommen dürfen, auch unter dem Gesichtspunkt, dass sie Anlass zur Durchführung von Beweisaufnahmen gegeben hätten. In diesen beiden Fällen steht die Rüge aber nur zu, wenn der Beschwerdeführer an einer auf Vorführung solcher Beweismittel oder auch daran geknüpfte weitere Aufklärung abzielenden Antragstellung gehindert war (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 481; RIS‑Justiz RS0119310 und RS0117749). Die solcherart unter dem Aspekt der Sachverhaltsermittlung bestehende Subsidiarität der Aufklärungsrüge gegenüber der Verfahrensrüge (Z 4; RIS‑Justiz RS0114036 [T11] und RS0115823 [T2, T6 und T10]) verkennt die Beschwerde mit ihrer Kritik, wonach das Erstgericht in Bezug auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom 5. Mai 2020 seine Pflicht zu amtswegiger Wahrheitsforschung (§ 2 Abs 2 StPO) vernachlässigt habe.

[13] Weshalb die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 7 und 8) zur Subsumtion nach § 33 Abs 1 FinStrG nicht genügen sollten (der Sache nach Z 9 lit a), entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (RIS‑Justiz RS0116569).

[14] Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 5. Mai 2020 Bezug nimmt, das zu Z 5 und 5a erstattete Vorbringen wiederholt und auf dieser Basis die Feststellungen zur objektiven und zur subjektiven Tatseite bestreitet, verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099724).

[15] Die „als Teil der NB“ bezeichneten „persönliche[n] Anmerkungen des Angeklagten“ lassen keinen Bezug zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen, mit der darin enthaltenen Behauptung einer Schadensgutmachung im Betrag von 63.549,75 Euro wird ein Berufungsvorbringen erstattet. Dass der hinterzogene Betrag dem Abgabengläubiger endgültig verloren geht, ist nämlich nicht Tatbestandsvoraussetzung ( Lässig in WK 2 FinStrG § 33 Rz 30; RIS‑Justiz RS0086745).

[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[17] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[18] Dabei wird dieses zu beachten haben, dass das angefochtene Urteil an (vom Angeklagten nicht geltend gemachter) Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall leidet (RIS‑Justiz RS0122140), weil das Erstgericht zwar den (gemäß § 23 Abs 2 letzter Satz FinStrG auch im Finanzstrafverfahren zu berücksichtigenden) Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB nicht annahm (US 12), zu den vom Schuldspruch A I umfassten Taten aber keine hinreichenden Feststellungen zur Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung traf (12 Os 119/06a, EvBl 2007/130, 700[verst Senat]; RIS‑Justiz RS0122137 und RS0122138). Mit Blick auf den Vorwurf, der Angeklagte habe Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, konkret Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2017 und Körperschaftsteuer für die Jahre 2014 bis 2016, hinterzogen, sind zur Beurteilung der allfälligen Tatvollendung (§ 33 Abs 3 lit a FinStrG) nämlich Konstatierungen dazu erforderlich, ob der Angeklagte Jahressteuererklärungen abgegeben hat, gegebenenfalls, ob auf der Basis dieser Erklärungen Steuerbescheide ergangen sind und ob (in Ansehung der vor dem Inkrafttreten der Änderung des § 33 Abs 3 lit a FinStrG durch BGBl I 2013/14 begangenen Taten [§ 4 Abs 2 FinStrG]) allenfalls ergangene Bescheide in Rechtskraft erwachsen sind (zum Ganzen Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 31 sowie 33 bis 36 mwN). Solcherart enthält das Urteil insoweit keine tragfähige Basis für die Abgrenzung von versuchter sowie vollendeter Tat und die Nichtannahme des angesprochenen Milderungsumstands. Die Erwähnung im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermag die Feststellung entscheidender Tatsachen nur zu verdeutlichen, nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0114639 [T1]).

[19] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte