European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:010OBS00032.21K.0330.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1 Gemäß § 24c Abs 1 Z 2 KBGG besteht der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld in voller Höhe nur, sofern die zweite bis fünfte Untersuchung des Kindes bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats [...] vorgenommen und spätestens bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes durch Vorlage der entsprechenden Untersuchungsbestätigungen nachgewiesen werden. Werden die in § 24c KBGG vorgesehenen Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchungen nicht bis zu den vorgesehenen Zeitpunkten nachgewiesen, reduziert sich gemäß § 24a Abs 4 KBGG der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens für jeden Elternteil um 1.300 EUR.
[2] 1.2 Ungeachtet dessen besteht Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld in voller Höhe wenn die Vornahme oder der Nachweis der Untersuchungen nur aus Gründen unterbleibt, die nicht von den Eltern zu vertreten sind (§ 24c Abs 2 Z 1 KBGG).
[3] 2. Nach ständiger Rechtsprechung hängt die Frage, ob der das Kinderbetreuungsgeld beziehende Elternteil den nicht rechtzeitigen Nachweis einer Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchung zu vertreten hat, immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0130213 [T2]; 10 ObS 88/16p SSV‑NF 30/53). Sofern keine unvertretbare Beurteilung des Berufungsgerichts vorliegt, bildet diese Frage daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.
[4] 3. Im vorliegenden Fall kontaktierte die Klägerin die Beklagte telefonisch und erhielt die Auskunft, dass sie die Nachweise per E‑Mail an die Adresse „mutterschaftsleistungen‑17@oegk.at “ übermitteln könne. Daraufhin fotografierte die Klägerin die Nachweise mit ihrem Handy und schickte diese Dateien mit E‑Mail vom 11. 3. 2020 an die Beklagte. Eine Mitarbeiterin der Beklagten teilte der Klägerin daraufhin mit, dass dieses Dateiformat nicht geöffnet werden könne und ersuchte um erneute Übermittlungen der Mutter‑Kind‑Pass‑Nachweise. Die Klägerin erstellte und versendete daher am 22. 3. 2020 um 22:51 Uhr ein neuerliches E‑Mail mit dem Betreff „MKP Nachweis erneute Sendung“. Diesem E-Mail waren die Nachweise über die Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchungen als PDF‑Datei angehängt, die Klägerin ersuchte um Rückbestätigung, dass der Anhang nun leserlich sei. Dieses E‑Mail langte bei der Beklagten nicht ein, wovon die Klägerin erstmals bei Erhalt des Rückforderungsbescheids Kenntnis erlangte.
[5] 4. Die Ansicht der Vorinstanzen, der Klägerin sei kein rechtlich relevanter Vorwurf im Sinne des § 24c Abs 2 Z 1 KBGG zu machen, stellt keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar und bildet daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO.
[6] 4.1 § 24c KBGG schreibt keine bestimmte Form vor, in der die Nachweise an die Beklagte zu erbringen sind (vgl 10 ObS 88/16p SSV‑NF 30/53). Die Verwendung eines E‑Mails für die Übermittlung der Untersuchungsbestätigungen findet in § 13 Abs 2 AVG iVm der Kundmachung der Adressen, Amtsstunden und Parteienverkehrszeiten (Erreichbarkeitskundmachung, AVSV Nr 156/2019) eine normative Grundlage (§ 2 Abs 5) und kann daher den das Kinderbetreuungsgeld beziehenden Elternteil nicht vom Ausnahmetatbestand des § 24c Abs 1 Z 1 KBGG generell ausschließen. Rät ein Mitarbeiter der Beklagten dem Kinderbetreuungsgeld beziehenden Elternteil telefonisch die Übermittlung der Nachweise per E‑Mail an und gibt eine E‑Mail‑Adresse bekannt, ist aus der Übermittlungsart jedenfalls kein Vorwurf abzuleiten (10 ObS 140/20s; 10 ObS 2/21y).
[7] 4.2 Dass die Klägerin die von ihr gewünschte Rückbestätigung der Beklagten über die nunmehrige mögliche Lesbarkeit der Nachweise (Öffnung des Anhangs) nicht erhalten hat und dennoch nicht nachgefragt hat, machte das Berufungsgericht der Klägerin deshalb nicht zum Vorwurf, weil die Klägerin aus dem bisher Geschehenen annehmen durfte, dass sich die Mitarbeiterin der Beklagten wieder melden würde, wenn ihr das Öffnen der Anhänge neuerlich misslingen sollte.
[8] 5. Im Hinblick darauf, dass die Beurteilung des Berufungsgerichts angesichts der konkret vorliegenden Umstände des Einzelfalls vertretbar war, muss auch im vorliegenden Fall nicht eine generelle, für alle Fälle geltende Beurteilung der Übermittlung per E‑Mail abgegeben werden (siehe auch 10 ObS 140/20s).
[9] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.
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