OGH 8ObA114/20b

OGH8ObA114/20b25.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. W***** H*****, vertreten durch Metzler & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei Ö***** G*****, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, wegen 92.468,04 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. September 2020, GZ 11 Ra 26/20b‑23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00114.20B.0325.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Die beklagte Partei hat sich bereits in erster Instanz ausdrücklich auch auf die Bereinigungswirkung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vergleichs berufen. Dem Kläger war es daher möglich, seinen Prozessstandpunkt dementsprechend zu überprüfen und allenfalls weitere Konsequenzen zu ziehen. Die Gerichte sind auch nach § 182a ZPO nicht verpflichtet, eine Partei zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RS0120056 [T4; T13]).

[2] In einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten nach § 182a ZPO hat der Rechtsmittelwerber zudem darzulegen, dass der Verfahrensfehler erheblich ist, sich also auf das Ergebnis des Verfahrens auswirken konnte. Dazu hat er jenes Vorbringen nachzuholen, das er, über die relevante Rechtsansicht informiert, erstattet hätte (RIS‑Justiz RS0120056 [T7; T8]). Die Verfahrensrüge der Revision erschöpft sich aber in der Leerformel, der Kläger hätte „die Voraussetzungen für das Nichteintreten der Bereinigungswirkung des streitgegenständlichen Vergleichs unter Beweis stellen können“.

[3] 2. Der allgemeine Vergleich erstreckt sich auch auf Fälle, an die die Parteien nicht gedacht haben, sofern sie zumindest daran denken konnten (RIS‑Justiz RS0032453 [T18]). Ausgenommen sind lediglich Ansprüche, mit deren späterem Entstehen die Parteien trotz Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt nicht rechnen konnten (RS0032453 [T23]). Im Zweifel bezieht sich ein Vergleich auf alle gegenseitigen Forderungen, an die die Parteien denken konnten (RS0032453 [T18]).

[4] Die Beurteilung, wie weit die Bereinigungswirkung eines Vergleichs reicht, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0112292). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte.

[5] Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war die Frage der Nicht- bzw Nachentrichtung von Beiträgen zur Sozialversicherung des Klägers bereits Verhandlungsgegenstand der Streitteile vor dem Abschluss des Vergleichs vom 12. 5. 2010. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass sich die Bereinigungswirkung des auch mit einer Generalklausel versehenen Vergleichs auf die nunmehr geltend gemachten Schadenersatzansprüche erstreckte, hält sich im Rahmen der ständigen Rechtsprechung.

[6] Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die sich aus dem ASVG ergebende Verpflichtung der Beklagten nicht Gegenstand einer privatrechtlichen Disposition sein konnte, macht doch der Kläger einen Schadenersatzanspruch geltend. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass es für den Kläger bereits bei Vergleichsabschluss auf der Hand lag, dass sich aus der unterbliebenen Anmeldung allenfalls Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte ergeben könnten, ist unbedenklich.

[7] Darauf, ob der Kläger damals tatsächlich an die Möglichkeit einer Höherversicherung gedacht hat, kommt es nicht an (RS0032453 [T12]).

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