OGH 3Ob193/20h

OGH3Ob193/20h24.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Lorenz Edgar Riegler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Riel – Grohmann – Sauer Rechtsanwälte in Krems an der Donau, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems als Berufungsgericht vom 25. September 2020, GZ 1 R 90/20w‑20, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00193.20H.0324.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Der außerordentlichen Revision der Beklagten gegen die von den Vorinstanzen als berechtigt erkannte vorzeitige Beendigung des Unternehmenspachtvertrags durch die klagende Verpächterin gelingt es nicht, eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

[2] 1.1 Als wichtige Gründe, die eine sofortige Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses rechtfertigen, kommen Vertragsverletzungen, der Verlust des Vertrauens in die Person des Vertragspartners oder schwerwiegende Änderungen der Verhältnisse in Betracht, welche die Fortsetzung der vertraglichen Bindungen nicht zumutbar erscheinen lassen (RIS‑Justiz RS0018305 [T57], RS0018377 [T20], RS0027780 [T47]). Welche schwerwiegenden Gründe im Einzelfall die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses bewirken und zu dessen Auflösung berechtigen, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0018305 [T52, T65], RS0042834, RS0111817). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte.

[3] 1.2 Die rechtliche Qualifikation der Vertragsbeziehung der Streitteile als Unternehmenspacht zieht die Beklagte in ihrer Revision (zutreffend) nicht mehr in Zweifel.

[4] 1.3 Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die einen wichtigen Grund für die vorzeitige Auflösung des Unternehmenspachtvertrags im Verhalten der beklagten Pächterin darin erkannten, dass deren Geschäftsführer ausdrücklich erklärte, er werde der Verpächterin das Gebäude ohne Betriebsbewilligung und ohne den wirtschaftlich maßgeblichen Kontingentvertrag zurückstellen, weil er in unmittelbarer Nähe selbst ein Pflegezentrum errichte, in das er mit sämtlichen (schon davon verständigten) Bewohnern und Mitarbeitern ziehen werde, ist nicht korrekturbedürftig.

[5] 1.4 Die Vorinstanzen hatten die Frage zu beurteilen, ob es der Klägerin angesichts der Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Existenz durch die Vorgangsweise der Beklagten (durch die ihr offen gelegten, bereits durch Vorgespräche zur Finanzierung konkretisierten Planungen) zumutbar gewesen wäre, das Dauerschuldverhältnis fortzusetzen, was sie ohne Fehlbeurteilung verneinten. Entgegen ihren Ausführungen in der Revision hat die Beklagte nicht nur „darüber nachgedacht“, nach Beendigung des Pachtverhältnisses ein eigenes Pflegeheim aufzubauen, sondern nach den Feststellungen bereits erfolgreiche Gespräche mit der Gemeinde sowie mit dem Land über den Abschluss eines Kontingentvertrags und Finanzierungsverhandlungen mit einer Bank geführt und die Angehörigen der Heimbewohner von der geplanten Neuerrichtung informiert, wobei das Verhalten der Beklagten auch in den „NÖN“ publik wurde. Der Klägerin teilte die Beklagte schließlich mit, dass sie nicht das gepachtete Unternehmen zurück erhalten werde, sondern „nur das Gebäude“.

[6] 1.5 Dem Argument der beklagten Pächterin, damit werde es ihr unzulässig verwehrt, nach dem Ende des Vertrags selbst ein Pflegeheim aufzubauen, ist zu erwidern, dass die vorzeitige Aufkündigung des Vertrags durch die Klägerin diesen Planungen gerade nicht entgegen steht. Der Beklagten stand es – anders als der Klägerin, die bis zum Jahr 2026 einen Kündigungsverzicht abgab, – jederzeit frei, den Pachtvertrag unter Einhaltung der vereinbarten einjährigen Kündigungsfrist zu kündigen und ein eigenes Pflegeheim an einem anderen Standort zu errichten und in der Folge zu betreiben. Die festgestellte Vorgangsweise der Beklagten dokumentiert jedoch ihre erkennbare Absicht, noch während aufrechter Pachtdauer alle durchaus aufwendigen Vorbereitungshandlungen (kreditfinanzierte Neuerrichtung eines benachbarten Gebäudes, Abschluss eines neuen Kontingentvertrags) für die Inbetriebnahme des zweiten Pflegeheims am Standort zu setzen. Bestünde unter diesen Umständen keine Möglichkeit der Klägerin, den Pachtvertrag vorzeitig zu beenden, wäre sie bei Beendigung des Vertrags im Jahr 2026 (oder zu einem früheren, von der Pächterin frei gewählten Kündigungszeitpunkt) vor die vollendete Tatsache gestellt, dass sie nur über ein „leeres“ Gebäude ohne Möglichkeit des Weiterbetriebs verfügen würde, steht doch fest, dass Verantwortliche des Landes Niederösterreich zwei Pflegezentren am Standort ausschlossen. Hier liegt entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung kein die Beklagte „knebelndes“ Berufsverbot vor, sondern vielmehr eine gravierende Beeinträchtigung der Interessen der klagenden Verpächterin, die das (durch die im Pachtvertrag vereinbarte Betriebspflicht indizierte) Recht darauf hat, nach Ende der Pachtzeit ein lebendes Unternehmen zurückgestellt zu erhalten (vgl 1 Ob 25/08w; RS0020361 [T4]).

[7] 2. Dass entgegen dem festgestellten Inhalt des Pachtvertrags (vgl III.1.) das Inventar bereits abgeschrieben und deshalb nicht mehr Gegenstand des Pachtverhältnisses gewesen wäre (vgl III.4. des Pachtvertrags), hat die Beklagte nicht vorgebracht.

[8] 3. Die Behauptung der Revision, in der erst rund drei Monate nach der schriftlichen Verständigung der Angehörigen der Bewohner des gepachteten Pflegeheims über den in Aussicht genommenen Neubau eines eigenen Pflegezentrums ausgesprochenen Vertragsbeendigung liege ein stillschweigender Verzicht auf die Geltendmachung des Auflösungsgrundes, wurde in erster Instanz nicht vorgebracht und verstößt daher gegen das Neuerungsverbot (RS0042025). Gleiches gilt für das Vorbringen, die Vorinstanzen hätten in einer Interessenabwägung auch berücksichtigen müssen, dass die vorzeitige Auflösung den ungehinderten Weiterbetrieb des Pflegeheims gefährde.

[9] 4. Eine erhebliche Rechtsfrage wird daher in der Revision der Beklagten insgesamt nicht aufgeworfen (§ 510 Abs 3 ZPO).

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