OGH 5Ob20/21h

OGH5Ob20/21h18.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers H*****, vertreten durch Mag. Norbert Tanzer, Rechtsanwalt in Telfs, gegen die Antragsgegnerin I*****, vertreten durch Dr. Bernhard Waldhof, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen §§ 3, 37 Abs 1 Z 2 sowie §§ 21 f, 37 Abs 1 Z 11 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 5. November 2020, GZ 4 R 122/20z‑25, mit dem der Zwischensachbeschluss des Bezirksgerichts Silz vom 29. Juni 2020, GZ 2 Msch 4/19i‑20, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00020.21H.0318.000

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses werden die Entscheidungen der Vorinstanzen über den Zwischenantrag auf Feststellung aufgehoben. Der Zwischenantrag der Antragsgegnerin auf Feststellung, dass das Mietobjekt des Antragstellers nicht dem MRG unterliegt, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

 

Begründung:

[1] Der Antragsgegnerin wurde im Jahr 2004 von ihrem nunmehrigen Geschäftsführer und Eigentümer von insgesamt 12 Liegenschaften ein Baurecht für jede Liegenschaft eingeräumt. Sie errichtete als Bauberechtigte eine Wohnanlage mit insgesamt 12 Reihenhäusern, die gemeinsam über eine Heizanlage, einen Technikraum, eine Tiefgarage und Besucherparkplätze verfügen. Getrennte Stromanschlüsse gibt es nicht. Der Antragsteller ist seit Ende 2007 Mieter eines Objekts in dieser Anlage.

[2] Im vorliegenden Verfahren begehrte der Antragsteller die Durchführung von Erhaltungsarbeiten nach § 3 MRG sowie die Überprüfung der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2018. Strittig ist, ob der Vollausnahmetatbestand nach § 1 Abs 2 Z 5 MRG („Zwei‑Objekt‑Haus“) vorliegt, weil jedes Haus auf einer eigenen EZ errichtet wurde.

[3] Die Antragsgegnerin begehrte nach § 37 Abs 3 Z 11 MRG die Feststellung, dass das Mietrechtsgesetz auf das gegenständliche Mietverhältnis nicht anwendbar sei.

[4] Das Erstgericht stellte – nach Auslegung und Umformulierung des Zwischenantrags auf Feststellung – fest, dass „auf die Betriebskostenabrechnung und die Erhaltungsarbeiten die mietrechtlichen Bestimmungen der §§ 3, 21 bis 24 MRG anzuwenden sind“. Nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung sei die liegenschaftsübergreifende Wohnanlage ein Gebäude mit mehr als zwei Bestandobjekten.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs zu. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts, dass im vorliegenden Fall nicht jedes auf einer EZ gelegene Reihenhaus selbständig zu beurteilen, sondern die gesamte Wohnanlage als Einheit zu werten sei. Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründete es mit fehlender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit bei liegenschaftsübergreifenden Bauten im Zusammenhang mit Baurechtseinlagen Mietobjekte nach § 1 Abs 2 Z 5 MRG „zusammenzuzählen“ seien.

[6] Aus Anlass des – beantworteten – Revisionsrekurses der Antragsgegnerin sind die Entscheidungen der Vorinstanzen über den Zwischenantrag auf Feststellung aufzuheben und der Zwischenfeststellungsantrag zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1. Jede Partei kann nach § 37 Abs 3 Z 11 MRG während des Verfahrens erster Instanz beantragen, dass ein im Verfahren strittiges Rechtsverhältnis oder Recht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über den Antrag ganz oder zum Teil abhängt, in dem über den Hauptantrag ergehenden Sachbeschluss oder in einem demselben vorausgehenden Zwischensachbeschluss festgestellt werde, sofern die Wirkung einer solchen Feststellungsentscheidung über jene der Entscheidung über den Hauptantrag hinausgeht und auch für die beantragte Feststellung das Verfahren nach § 37 MRG zulässig ist.

[8] 2. Die Zulässigkeit des Zwischenantrags nach § 37 Abs 3 Z 11 MRG setzt kumulativ voraus, dass a) Präjudizialität für den Hauptanspruch vorliegt, b) die Rechtskraftwirkung der über den Zwischenantrag ergehenden Entscheidung über jene hinausgeht, die den Hauptantrag erledigt, c) ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis oder Recht geklärt werden soll und d) das Verfahren nach § 37 MRG für die Feststellung zulässig ist. Die Zulässigkeit eines Zwischenantrags auf Feststellung ist von Amts wegen auch noch im Rechtsmittelstadium zu prüfen. Fehlt nur eine Voraussetzung für die Zulässigkeit, ist der Zwischenantrag auf Feststellung unter Aufhebung der meritorischen Entscheidungen der Vorinstanzen mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen (5 Ob 147/16b; 5 Ob 99/17w). Entscheidend ist nicht allein die Formulierung des Begehrens, sondern das dieses begründende Vorbringen (Würth/Zingher/Kovanyi I23 § 37 MRG Rz 45).

[9] 3. Im vorliegenden Fall fehlt die Voraussetzung, dass für die begehrte Feststellung das Außerstreitverfahren nach § 37 MRG zulässig ist.

[10] 3.1 Die Feststellung, dass ein konkretes Bestandverhältnis dem MRG (nicht) unterliegt, fällt nicht unter den Katalog der in § 37 Abs 1 MRG geregelten Angelegenheiten (5 Ob 146/00g mwN = RIS‑Justiz RS0078985 [T1]).

[11] 3.2 Die Klärung dieser Vorfrage, ob das Mietobjekt dem MRG unterliegt oder nicht, bezweckt die Antragsgegnerin mit ihrem Antrag auf Zwischenfeststellung, den sie entgegen der Auslegung durch das Erstgericht im Revisionsrekursantrag noch so formuliert: „... festzustellen, dass bei dem zu beurteilenden Mietverhältnis des Antragstellers der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG vorliegt“. An dieser Zielsetzung, dass das MRG aufgrund der genannten Vollausnahme auf das Mietobjekt des Antragstellers (und damit alle anderen Mietobjekte der Wohnanlage) nicht anzuwenden ist, ändert die Umformulierung des Zwischenfeststellungsantrags und die Fassung des Zwischensachbeschlusses durch das Erstgericht nichts. In den Auslegungsvarianten, die im für die Zulässigkeit des Antrags entscheidenden Vorbringen Deckung finden, steht das Verfahren nach § 37 MRG nicht zur Verfügung.

[12] 4. Der Zwischenantrag auf Feststellung ist aus diesen Erwägungen nicht zulässig und zurückzuweisen.

[13] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die Antragstellerin hat nicht auf die Unzulässigkeit des Zwischenantrags auf Feststellung hingewiesen. Es entspricht der Billigkeit, dass sie – sowie die Antragsgegnerin – die Kosten ihrer Rechtsmittelschriftsätze selbst zu tragen hat.

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