OGH 9Ob67/20y

OGH9Ob67/20y24.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. G***** S*****, vertreten durch Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei C***** GmbH *****, vertreten durch Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 187.387,23 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2020, GZ 1 R 92/20m‑93, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00067.20Y.0224.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Vorinstanzen gaben (soweit für das Revisionsverfahren noch relevant) dem Schadenersatzbegehren des Klägers, gestützt auf eine Aufklärungspflichtverletzung der beklagten Bank hinsichtlich der Innenprovision der dem Kläger vermittelten Kommanditbeteiligungen an geschlossenen Fonds, statt. Die Berücksichtigung der von der Beklagten im Rahmen eines Vorteilsausgleichs einzubeziehenden Gewinne des Klägers aus nicht mehr klagsgegenständlichen Beteiligungen sowie weiteren Veranlagungen in Wertpapieren lehnte es ab. Eine Zusammenrechnung der einzelnen Veranlagungen sei nicht vorzunehmen. Die Parteien hätten keinen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen. Vielmehr sei im Falle einer Beraterhaftung jede Veranlagung einzeln zu beurteilen, seien sie doch auch jeweils aufgrund getrennter Beratungsgespräche vorgenommen worden. Die einzelnen Erwerbsvorgänge beruhten hier auf einzelnen Beratungsgesprächen ohne inneren kausalen Zusammenhang im Rahmen eines Gesamtkonzepts.

[2] Diese Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Vorteilsausgleich. Danach sind bei der Berechnung eines Vermögensschadens auch jene Vorteile des Geschädigten, die ohne das schädigende Ereignis nicht entstanden wären, zu beachten und grundsätzlich zugunsten des Schädigers anzurechnen (vgl RS0022834). Voraussetzung für einen solchen Vorteilsausgleich ist aber ganz allgemein die Kausalität des haftbar machenden Ereignisses sowohl für den Nachteil als auch den entstandenen Vorteil (RS0118820). Es sind nicht alle Vorteile des Geschädigten anrechenbar, sondern nur solche, die mit dem Schadenersatzanspruch in einem besonderen Zusammenhang stehen. Vor‑ und Nachteile müssen zwar nicht im selben Ereignis, aber im selben Tatsachenkomplex wurzeln (RS0022824).

[3] In der von der Revisionswerberin für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Anlegerentscheidung 1 Ob 159/19t (Pkt 3.3.) wurde dazu ausgeführt, dass sich im Hinblick auf diese Rechtsprechung eine „Anrechnung“ der Gewinne aus anderen von der beklagten Bank vermittelten Veranlagungen verbiete, würden diese doch gerade nicht im schädigenden Ereignis wurzeln. Es ist zwar richtig, dass der Kläger bei einer Aufklärung über die Innenprovisionen keine Beteiligungen erworben und damit auch keine Gewinne an einzelnen Fonds erzielt hätte. Das Vorliegen desselben Beratungsfehlers bei den nach den Feststellungen für den Erwerb jeder einzelnen Kommanditbeteiligung (im Zeitraum September 2003 bis Oktober 2007) gesondert geführten Beratungsgespräche hat hier aber nicht zu einem einheitlichen Schadensereignis geführt. Da der Kläger aufgrund des jeweiligen fehlerhaften Beratungsgesprächs eine jeweils gesonderte Anlageentscheidung traf, war das konkret schädigende Ereignis jeweils ein anderes.

[4] Soweit die Beklagte mit der Behauptung, es sei ein „einheitlicher Beratungsvertrag“ vorgelegen (und damit auch Erträge des Klägers aus mehreren bei ihr angelegten Wertpapierdepots im Wege des Vorteilsausgleichs angerechnet haben möchte), übergeht sie die Unterscheidung zwischen Anlageberatung und Vermögensverwaltung. Während der Anlageberater eine fachkundige Beratung schuldet, ist die Vermögensverwaltung auf die Verwaltung eines Kundenportfolios mit Verfügungsmacht im Namen und im Auftrag des Kunden – und im Regelfall ohne vorherige Rücksprache(‑pflicht) – gerichtet. Die Haftung des Anlageberaters knüpft somit an die Verletzung einer Aufklärungs‑ bzw Informationspflicht an, weshalb der falsch beratene Anleger so zu stellen ist, wie er ohne diesen Beratungsfehler stünde. Der Vorwurf einer pflichtwidrigen Vermögensverwaltung bezieht sich hingegen auf deren Durchführung, sodass der Schadenersatzanspruch in diesem Fall nicht die Wurzel des Geschäfts, sondern dessen Abwicklung betrifft. Der pflichtwidrig (nicht im Interesse des Anlegers) handelnde Vermögensverwalter hat daher jenen Zustand herzustellen, der im Vermögen des Geschädigten bei gehöriger Erfüllung des (einheitlichen) (Verwaltungs‑)Vertrags bestünde (positives Erfüllungsinteresse) (1 Ob 159/19t Pkt 3.4.).

[5] Das Berufungsgericht ist vertretbar davon ausgegangen, dass die Beratungstätigkeit der Beklagten hier über die „isolierte“ Vermittlung einzelner Anlageprodukte nicht hinausgegangen ist. Dass der Kläger in Beteiligungen zur Streuung seines Vermögens veranlagte und sich die Beratungsgespräche von (ähnlichen) Folgebeteiligungen – naturgemäß – oberflächlicher gestalteten als zuvor, lässt den Schluss der Revision auf das Vorliegen eines „einheitlichen“ Beratungsvertrags nicht zwingend zu. Die einzelnen Erwerbsvorgänge des Klägers beruhten nach Lage des Falls auf gesonderten Beratungsgesprächen ohne inneren kausalen Zusammenhang im Rahmen eines Gesamtkonzepts. Sie sind daher auch im Rahmen des Vorteilsausgleichs und damit unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten einer Einzel- und nicht einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen (vgl Parallelfall 7 Ob 106/19t Pkt II. 5.).

[6] Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Stichworte