OGH 3Ob211/20f

OGH3Ob211/20f20.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Verein *****, vertreten durch Dr. David M. Suntinger, Rechtsanwalt in St. Veit an der Glan, gegen die verpflichtete Partei C***** e.U., *****, vertreten durch Mag. Hanno Stromberger, Rechtsanwalt in Villach, wegen Unterlassung, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 14. Oktober 2020, GZ 2 R 103/20d‑15, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 2. März 2020, GZ 12 E 4564/19m‑5, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00211.20F.0120.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die verpflichtete Partei hat es aufgrund eines vollstreckbaren Vergleichs vom 17. September 2019 im geschäftlichen Verkehr insbesondere „zu unterlassen, Website-Elemente, Fanseiten und/oder Dienste der Informationsgesellschaft von Drittanbietern (beispielsweise Facebook und/oder Google) auf ihrer Website oder Facebook-Fanseite zu verwenden, wenn dadurch personenbezogene Daten, insbesondere IT-Adresse, Browserstring und/oder eindeutige Benutzer‑ID an diese Drittanbieter übermittelt werden“, außer sie ist ihren von der DSGVO vorgegebenen Informationspflichten gegenüber dem Besucher nachgekommen und der Besucher hat seine Einwilligung im Sinn der DSGVO zur Verarbeitung der Daten nachweislich erteilt.

[2] Der betreibende Verein machte in seinem Exekutionsantrag und weiteren Strafanträgen im Wesentlichen geltend, der Verpflichtete habe seit Abschluss des Vergleichs laufend bis 13. Dezember 2019 sowie am 16., 17. und 18. Dezember 2019 gegen diese Unterlassungsverpflichtung verstoßen, indem er eine näher bezeichnete, von überall her in Österreich abrufbare Facebook-Fanseite verwendet habe; der Aufruf dieser Fanseite habe zum Aufruf der Domains des Drittanbieters Facebook und zum Setzen von Cookies geführt; der Verpflichtete habe durch diesen Vorgang bestimmte personenbezogene Daten von Besuchern (IP‑Adresse, Browserstring, eindeutige Geräte‑ID und eindeutige Benutzer‑ID) erhoben und an Facebook übermittelt, wobei der Verpflichtete die Besucher an keinem dieser Tage vor oder nach den Datenübermittlungen darüber informiert und auch keine nachweisliche Zustimmung der Besucher zu diesen Datenübermittlungen eingeholt habe.

[3] Das Erstgericht wies den Exekutionsantrag und die weiteren Strafanträge ab.

[4] Das Rekursgericht bewilligte dem Betreibenden antragsgemäß (ua) die Exekution gemäß § 355 EO und verhängte über den Verpflichteten wegen der im Exekutionsantrag und den Strafanträgen beanstandeten Verstöße gegen den Unterlassungstitel Geldstrafen von insgesamt 7.500 EUR. Der Betreibende habe die Titelverstöße hinreichend konkret und schlüssig behauptet.

[5] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich der einzelnen behaupteten Verstöße jeweils 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob Facebook bezogen auf Übermittlung personenbezogener Daten eines Besuchers bei Aufruf einer Facebook-Fanseite als Drittanbieter anzusehen sei.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Revisionsrekurs des Verpflichteten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[7] 1. Der betreibende Gläubiger muss bei der Unterlassungsexekution sowohl im Exekutionsantrag als auch in jedem weiteren Strafantrag konkret und schlüssig behaupten, dass der Verpflichtete dem Exekutionstitel zuwiderhandelte (RIS‑Justiz RS0113988 [T3]). Die Behauptung über das Zuwiderhandeln des Verpflichteten ist also nicht auf ihre inhaltliche Richtigkeit, das heißt ob der behauptete Verstoß tatsächlich gesetzt wurde, zu überprüfen (RS0113988 [T7]; 3 Ob 226/10x = RS0000709 [T15]). Den Einwand, dass er den behaupteten Verstoß nicht oder nicht schuldhaft begangen habe, kann der Verpflichtete erfolgversprechend nicht mit Rekurs, sondern nur mit Impugnationsklage erheben (RS0107694 [T1]; RS0123123 [T2]). Auf das Vorbringen des Revisionsrekurswerbers, wonach es technisch nicht richtig sei, dass durch den Aufruf der Facebook‑Fanseite personenbezogene Daten an Facebook und Google übermittelt werden, ist daher im Exekutionsverfahren nicht näher einzugehen.

[8] 2.1. Das Bewilligungsgericht hat sich bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag an den Wortlaut des Titels zu halten und kann nur aus diesem selbst schließen, was die Parteien oder das Gericht dabei in Wirklichkeit gemeint haben. Besteht der Titel – wie im hier vorliegenden Fall eines Vergleichs – nur aus Parteienerklärungen, kommt es auf den objektiven Sinn an, der sich aus der Verpflichtungserklärung im Zusammenhang mit dem sonstigen Inhalt des Titels ergibt, nicht aber darauf, was die Partei im Einzelfall gewollt hat (RS0000207 [T13]). Die Auslegung des Exekutionstitels im Einzelfall und die Frage, ob ein aus dem Vorbringen der betreibenden Partei entnehmbares konkretes Verhalten der verpflichteten Partei gegen den Exekutionstitel verstößt, gehen in der Regel nicht über den konkreten Einzelfall hinaus und werfen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO auf (RS0004662 [T4]).

[9] 2.2. Soweit der Verpflichtete vorbringt, der Betreibende habe einen Titelverstoß nicht schlüssig behauptet, weil der klare Wortlaut des Vergleichs voraussetze, dass es beim Aufruf der Seite des einen zu einer Datenübermittlung an einen anderen komme und sich die Definition von Facebook als Drittanbieter naturgemäß nur auf eine Konstellation beziehen könne, in der Daten von einer anderen Internetseite an Facebook übermittelt würden, während eine Facebook-Fanseite nichts anderes sei als eine Unterseite von Facebook, wobei Facebook nicht in Bezug auf sich selbst „Dritter“ sein könne, gelingt es ihm nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Dass das Rekursgericht den Vergleich erkennbar – der Rechtsansicht des Betreibenden folgend – dahin auslegte, dass sich die Wortfolge „auf seiner Website oder Facebook-Fanseite“ nur auf die dritte angeführte Alternative – „Dienste der Informationsgesellschaft von Drittanbietern (beispielsweise Facebook und/oder Google)“ – bezieht und nicht auch auf die zweite Alternative („Fanseiten“), stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Wollte man den Vergleich nämlich im Sinn des Revisionsrekurswerbers so verstehen, dass sich die genannte Wortfolge auf jede der drei Alternativen beziehe, hätte sich der Verpflichtete nicht (ua) zur Unterlassung der Verwendung von Fanseiten unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, sondern insoweit nur zur Unterlassung der – allerdings (wie auch der Revisionsrekurs zugesteht) von vornherein nicht in Betracht kommenden – Verwendung von Fanseiten von Drittanbietern (beispielsweise Facebook und/oder Google) auf seiner Facebook-Fanseite.

[10] 3. Bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag ist nur zu untersuchen, wozu der Verpflichtete im Titel verpflichtet wurde (RS0000217). Bei einem Titelverständnis im Sinn des Rekursgerichts ist es belanglos, ob Facebook in technischer Sicht in Bezug auf eine Facebook-Fanseite als „Dritter“ zu qualifizieren ist oder nicht; relevant ist vielmehr nur, dass (ua) Facebook im Vergleich ausdrücklich als „Drittanbieter“ definiert wurde, an den personenbezogenen Daten nur unter den genannten Voraussetzungen übermittelt werden dürfen.

[11] 4. Die Bemessung von Geldstrafen im Rahmen der Unterlassungsexekution wirft schon wegen der in dieser Bestimmung angeordneten Bedachtnahme auf Art und Schwere des jeweiligen Zuwiderhandelns gegen den Exekutionstitel, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und das Ausmaß von dessen Beteiligung an dem Zuwiderhandeln, also auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO auf (RS0012388 [T1]). Die bloße Behauptung, die verhängten Geldstrafen von insgesamt 7.500 EUR seien „gerade aufgrund der Corona‑Situation und den damit verbundenen allgemein bekannten Umsatzeinbrüchen ruinös“, ist von vornherein nicht geeignet, eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts darzulegen.

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