OGH 3Ob202/20g

OGH3Ob202/20g20.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Wien 4, Prinz‑Eugen‑Straße 20–22, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei i***** GmbH, *****, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wr. Neustadt, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. August 2020, GZ 5 R 88/20b‑18, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 20. März 2020, GZ 43 Cg 52/19y‑12, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00202.20G.0120.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.197,80 EUR (hierin enthalten 366,20 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die klagende Kammer ist nach § 29 Abs 1 KSchG zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach § 28 Abs 1 KSchG berechtigt.

[2] Die Beklagte ist als Abrechnungsunternehmen mit Verbrauchern im rechtsgeschäftlichen Verkehr tätig, etwa wenn in Mehrparteienhäusern, in denen sich eine zentrale Heizungsanlage befindet, die Wärmekosten entsprechend der konkreten Nutzfläche bzw dem individuellen Verbrauch im Sinn des HeizKG auf die einzelnen Wärmeabnehmer aufgeteilt werden. Darüber hinaus ist die Beklagte in solchen Häusern zum Teil auch als Wärmelieferantin tätig.

[3] Im letzteren Fall wird den Wohnungseigentümern bzw Mietern eines Hauses (Einzelkunden) auf Grundlage der AGB der Beklagten der Abschluss eines zuvor mit der Hausverwaltung abgestimmten Einzelwärmeliefervertrags angeboten. Die Beklagte übernimmt laut Einzelwärmeliefervertrag die erzeugte Wärme und gibt sie im eigenen Namen an die jeweiligen Einzelkunden weiter. Dabei haftet sie den Kunden für die Wärmelieferung. Wenn die Beklagte für ein Objekt nur als Abrechnungsunternehmen tätig ist, haftet sie für die Wärmelieferung nicht. Die Beklagte verhandelt in regelmäßigen Abständen mit Energieversorgungsunternehmen die Preise und gibt den Vorteil ausverhandelter niedrigerer Energiepreise auch an ihre Einzelkunden weiter.

[4] Jene (potentiellen) Energieabnehmer, die den Vertrag mit der Beklagten nicht abschließen, werden von der Wärmeversorgungsanlage des Hauses abgetrennt und sind dann auf eine dezentrale Wärmeversorgung angewiesen (zB Stromheizung, E‑Boiler).

[5] Wenn die Beklagte Verträge über die Abwicklung der Wärmelieferung und Abrechnung der Wärmekosten schließt, verwendet sie österreichweit in ihren AGB bzw Vertragsformblättern zum Einzelwärmeliefervertrag unter anderem folgende Klausel:

„ […] 9. Entgelt, Kosten und Wertsicherung

[…] b. Das vereinbarte Entgelt dient der Abdeckung der Kosten des Wärmebezuges, die sich aus folgenden Komponenten zusammensetzen:

1. Kosten für die bezogenen Brennstoffe (Gas usw).

2. Kosten des für den Betrieb der Anlage erforderlichen Stromes.

3. Servicekosten für die Heizzentrale und das

sekundärseitige Verteilernetz.

4. Kosten für die Heizungsbetreuung und Überwachung.

5. Kosten für Kaltwasser und Kanal.

6. Kosten für sonstige von i***** aus diesem Vertrag geschuldete Leistungen, wie insbesondere Kosten der Ablesung der Erfassungsgeräte und der Erstellung der jährlichen Heizkostenabrechnung, welche im beiliegenden Preisblatt angeführt sind.“

 

[6] Im erwähnten Beiblatt „Preisblatt zum Einzelwärmeliefervertrag“ heißt es:

„Mit Stichtag 1. 7. 2018 gelten entsprechend Punkt 9b – Kosten, Entgelt und Wertsicherung – folgende Preise (exkl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer): ABLESE- UND ABRECHNUNGSKOSTEN Indexierung gemäß Punkt 9b

pro Wärmezähler und Jahr 8,94 €

pro Warmwasserzähler und Jahr 5,26 €

pro Kaltwasserzähler und Jahr 5,26 €

pro Anlagenmeßgerät und Jahr 15,92 €

Trennung der Heiz- und Warmwasserkosten laut § 9 19,40 € pro Abnehmer und Jahr Abwicklung Kaltmiete 27,98 € zuzüglich 3 % der abgerechneten Wärme- und Wasserkosten für Ausfallhaftung .“ (hier hervorgehoben, Anm)

 

[7] Mit der hervorgehobenen und hier streitgegenständlichen Klausel verlangt die Beklagte eine Pauschale für „Ausfallhaftung“ als Absicherung. Die Beklagte betreibt offene Kosten bei zahlungsunwilligen bzw -unfähigen Kunden mittels Mahnungen und Klagen. Der verrechnete „Ausfall“ beträgt in der Regel je nach vertraglicher Vereinbarung pro Kunde ca 2 % bis 3 % der abgerechneten Wärme- und Wasserkosten; in Einzelfällen wird für einzelne Wohnhäuser keine solche „Ausfallhaftung“ vereinbart. In der Jahresabrechnung wird der für die jeweilige Anlage errechnete Betrag für „Ausfallhaftung“ angeführt.

[8] Die Klägerin begehrt, der Beklagten zu verbieten, diese Klausel zu verwenden und sich darauf zu berufen. Weiters stellt sie ein Veröffentlichungsbegehren. Die Klausel sei nach § 6 Abs 3 KSchG intransparent. Zudem führe die Klausel zu einer gröblichen Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB. Es sei keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar, warum der Wärmeabnehmer Kosten übernehmen soll, denen keine Leistung seines Vertragspartners gegenüberstehe.

[9] Die Beklagte wandte ein, mit ihren Leistungen seien insbesondere die Zurverfügungstellung von Ablesegeräten, deren jährliche Ablesung und die Abrechnung der entsprechenden Kosten verbunden. Auf diese Weise könnten etwa in Mehrparteienhäusern, in denen sich eine zentrale Heizungsanlage befinde, die Wärmekosten entsprechend der konkreten Nutzfläche bzw dem individuellen Verbrauch im Sinn des HeizKG auf die einzelnen Wärmeabnehmer aufgeteilt werden. Die Beklagte sei selbst nicht Betreiberin der Wärmeversorgungsanlage oder für die Wärmelieferung notwendiger Energieversorger. Wenn sie den Verbrauchern Wärme liefere, trage sie typischerweise die entsprechenden Kosten für die Wärme bzw für die Wärmeerzeugung zunächst selbst und verrechne im eigenen Namen die tatsächlich bezahlten Kosten den Wärmeabnehmern weiter. Der Wärmeabnehmer, der bis zum Abrechnungszeitpunkt nur monatliche Akontozahlungen zu leisten habe, könne sämtliche Rechnungen der Beklagten für Wärme bzw Wärmeerzeugung im Zuge der jährlichen Belegeinsicht einsehen und prüfen. Da die Beklagte gegenüber ihren Wärmeabnehmern somit in Vorlage trete, ergebe sich für sie naturgemäß ein erhebliches Ausfallrisiko, weil nicht sämtliche Wärmeabnehmer ihre Schuld auch immer bezahlten. Damit die Beklagte dieses Risiko in vernünftiger Weise beherrschen könne, sei es für sie zwingend notwendig, sich für diese Ausfälle bereits im Vorhinein abzusichern. Dazu dienten die gegenständlichen „Kosten für Ausfallshaftung“, die grundsätzlich nichts anderes als eine unternehmerisch vernünftige Vorsorge für potenzielle Ausfälle seien. Bei den Kosten für die Ausfallhaftung handle es sich um einen Entgeltbestandteil für die Wärmelieferung durch die Beklagte, weshalb sie als Teil der Hauptleistung der Prüfung nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen seien. Davon abgesehen sei die Regelung auch nicht gröblich benachteiligend. Erstens stehe diesem Entgeltbestandteil eine Leistung in Gestalt der Wärmelieferung durch die Beklagte gegenüber. Zweitens könne es nicht gröblich benachteiligend sein, wenn sich ein Unternehmer gegenüber potenziellen Ausfällen seiner Kunden absichere und dies gegenüber den Kunden auch offenlege. Drittens treffe es nicht zu, dass jedem einzelnen Preisbestandteil auch eine konkrete abgrenzbare Leistung des Unternehmers und damit eine sachliche Rechtfertigung gegenüberstehen müsse. Eine Intransparenz iSd § 6 Abs 3 KSchG liege nicht vor. Für den Fall ihres Unterliegens wäre die Beklagte aufgrund der sie treffenden Unterlassungsverpflichtung zu umfangreichen aktiven Maßnahmen gezwungen. Aufgrund des langwierigen Änderungsprozederes und unter Berücksichtigung üblicher Vorlaufzeiten für Konzeption, Erstellung und Vervielfältigung der Verträge sei im konkreten Fall eine sechsmonatige Leistungsfrist angemessen.

[10] Das Erstgericht gab der Klage statt und erachtete die Klausel wegen § 879 Abs 3 ABGB und wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 6 Abs 3 KSchG) als unzulässig. Die Klausel sei deshalb gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, weil der Einzelkunde als Wärmeabnehmer anteilige Kosten übernehmen solle, denen keine Leistung der Beklagten gegenüberstehe. Es handle sich dabei nicht um ein Entgelt für eine Leistung im konkreten Austauschverhältnis. Vielmehr solle der einzelne Kunde den „Ausfall“ der Beklagten mittragen, den andere Kunden verursachen. Diese pauschalierte Überwälzung solcher „Ausfallkosten“ auf jeden Einzelkunden eines Vertragsobjekts erfolge selbst dann, wenn möglicherweise gar keine Ausfälle an dieser Adresse eingetreten seien. Darüber hinaus sei die Klausel nach § 6 Abs 3 KSchG intransparent. Eine Leistungsfrist von drei Monaten zur Umgestaltung des Klauselwerks sei hier angemessen, wobei das Erstgericht berücksichtigte, dass die hier in Rede stehende Klausel auch eine abrechnungsrelevante Entgeltbemessung betrifft, deren Außerachtlassen eine Systemanpassung erfordere.

[11] Das Berufungsgericht gab der Berufung keine Folge und schloss sich der Rechtsansicht des Erstgerichts an. Eine „Solidarhaftung“ aller Kunden eines Unternehmens für Einzelfälle zahlungsunwilliger oder zahlungsunfähiger Kunden sei im Gesetz nicht vorgesehen. Die Klausel benachteilige die Vertragspartner der Beklagten gröblich. Die Schaffung eines „Ausfallfonds“ durch vertragliche Vereinbarung von Zusatzkosten zur Wärmelieferung mit sämtlichen Kunden sei nicht mit § 14 WGG vergleichbar. Zudem sei die Klausel auch intransparent. Die dreimonatige Leistungfrist sei angemessen. Es sei nicht erkennbar, warum die Abänderung der AGB wegen dieser einen Klausel mehr als drei Monate in Anspruch nehmen sollte.

[12] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es handle sich um eine vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht beurteilte Klausel in Vertragsformblättern einer Branche, die regelmäßig für eine größere Anzahl von Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung ist.

[13] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im abweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[14] Die Beklagte argumentiert in ihrem Rechtsmittel damit, dass es sich bei den Kosten für Ausfallhaftung um einen Bestandteil des Entgelts für die (Energie‑)Leistungen der Beklagten handle, weshalb die Klausel einer Prüfung nach § 879 Abs 3 ABGB gar nicht zugänglich sei. Durch sie werde ein Teil der vereinbarten Hauptleistung festgelegt. Die Beklagte verrechne die Kosten für die Ausfallhaftung nur dann, wenn sie zur Wärmelieferung verpflichtet sei und das vertraglich vereinbarte Ausfallrisiko zu tragen habe. Es stehe der Beklagten frei, die Kosten der Ausfallhaftung in andere Entgeltbestandteile einzukalkulieren, sodass dann kein Zweifel mehr daran bestehen könnte, dass es sich dabei um einen Teil der Hauptleistung handle. Aus Gründen der Transparenz habe die Beklagte die Kosten für den Ausfall aber nicht in die Wärmekosten eingepreist, sondern die tatsächlichen Kosten so klar wie möglich aufgeschlüsselt.

[15] Die Klausel benachteilige die Verbraucher auch nicht gröblich. Bei Verwendung der Klausel trage die Beklagte die Kosten für die Energie zunächst selbst und verrechne diese von ihr tatsächlich bezahlten Kosten 1:1 an die Wärmeabnehmer weiter. Da die Beklagte gegenüber ihren Wärmeabnehmern in Vorlage trete, ergebe sich für sie ein erhebliches Ausfallrisiko, weil nicht sämtliche Schuldner ihre Schuld auch immer bezahlen. Damit die Beklagte dieses Risiko in vernünftiger Weise beherrschen könne, sei es für sie zwingend notwendig, sich für diese Ausfälle abzusichern. Jeder sorgsam agierende Unternehmer müsse für solche Zahlungsausfälle entsprechende Vorsorge treffen. Ein Risikoaufschlag sei nicht als gröblich benachteiligende „Verlustbeteiligung“ zu deuten, vielmehr handle es sich dabei um eine Selbstverständlichkeit der Preisgestaltung.

[16] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[17] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[18] 1. Zur Anwendung des § 879 Abs 3 ABGB:

[19] 1.1 Gemäß § 879 Abs 3 ABGB sind in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmungen, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegen, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligen. Nebenbestimmungen, nicht aber jene Bestimmungen, die die beiderseitigen Hauptleistungen betreffen, sind danach der Inhaltskontrolle des § 879 Abs 3 ABGB unterworfen. Die Ausnahme von der in § 879 Abs 3 ABGB verankerten Inhaltskontrolle ist nach ständiger Rechtsprechung möglichst eng zu verstehen (RIS‑Justiz RS0016908; RS0128209; Krejci in Rummel/Lukas ABGB 4 § 879 Rz 238). Unter die Ausnahme des § 879 Abs 3 ABGB fallen daher nur die in § 885 ABGB genannten „Hauptpunkte“, also diejenigen Bestandteile eines Vertrags, die die Parteien vereinbaren müssen, damit überhaupt ein hinreichend bestimmter Vertrag (§ 869 ABGB) zustande kommt. Nicht jede Vertragsbestimmung, die die Leistung oder das Entgelt betrifft, ist damit von der Inhaltskontrolle ausgenommen, sondern lediglich die individuelle ziffernmäßige Umschreibung der Hauptleistungen (RS0016908 [T5]). Kontrollfähig bleiben hingegen allgemeine Umschreibungen, welche zB weitere Details der Preisberechnung betreffen (RS0016908 [T32]; Graf in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.05 § 879 Rz 288 mwN) oder Bestimmungen, die die Preisberechnung in allgemeiner Form regeln (6 Ob 212/09h). Nach der Rechtsprechung sollen überdies Klauseln, die das eigentliche Leistungsversprechen einschränken, verändern oder aushöhlen, ebenfalls der Inhaltskontrolle unterliegen (RS0016908 [T6, T8]).

[20] 1.2 Die Vorinstanzen haben die referierten Grundsätze richtig angewandt und sind zutreffend davon ausgegangen, dass der 3%ige Zuschlag für „Ausfallhaftung“ nicht die eigentliche Hauptleistung betrifft. Die vom Endkunden zu erbringende Hauptleistung besteht in dem der Beklagten geschuldeten Entgelt für deren Tätigkeit im Zuge der Ablesung und Abrechnung bzw für die Energielieferung. Die von den Verbrauchern nach der Klausel zu übernehmenden (zusätzlichen) Kosten eines (allfälligen) Ausfalls gelten aber nicht die Leistungen der Beklagten im Verhältnis zu diesen Verbrauchern ab, sondern betreffen potenzielle Kosten, die der Beklagten im Verhältnis zu Dritten entstehen könnten.

[21] 1.3 Die Ausführungen der Beklagten, dass ein sorgsamer Unternehmer allfällige Ausfälle bereits in sein Entgelt einpreisen müsse und der beanstandete Zuschlag damit nur die Hauptleistung transparent darstelle, überzeugen nicht. Eine solche „Einpreisung“ ist im Anlassfall gerade nicht erfolgt. Der beanstandete Zuschlag gehört damit auch nicht zu den Hauptpunkten, die die Parteien vereinbaren müssen, damit überhaupt ein Vertrag zustande kommt (essentialia negotii, vgl dazu RS0016908 [T32]). Ebensowenig handelt es sich dabei um ein Zusatzentgelt, das für eine besondere Mehrleistung der Beklagten vorgesehen ist. Insoweit verfängt auch der Hinweis der Beklagten auf die Entscheidung 9 Ob 15/05d nicht, weil in dieser Entscheidung die Inhaltskontrolle nur für Zusatzentgelte zur Abgeltung bestimmter Mehrleistungen verweigert wurde.

[22] 1.4 Bei verständiger Würdigung kann der Zuschlag daher nicht als Teil des Energiepreises im Vertragsverhältnis zum jeweiligen Endkunden verstanden werden, betrifft er vielmehr eine Abgeltung des unternehmerischen Risikos, das die Beklagte bei anderen Verträgen eingeht. Die Vorinstanzen sind damit zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Zuschlag nicht um ein Entgelt im konkreten Austauschverhältnis handelt.

[23] 2. Zur gröblichen Benachteiligung:

[24] 2.1 Mit § 879 Abs 3 ABGB wurde ein bewegliches System geschaffen, in dem einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ berücksichtigt werden kann (RS0016914). Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, hat sich am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu orientieren (RS0014676 [T7, T43]). Weicht eine Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften ab, liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn es dafür keine sachliche Rechtfertigung gibt (RS0016914 [T3, T6]). Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (RS0016914 [T3, T4, T32]; RS0014676 [T21]). 

[25] 2.2 Nach dem dispositivem Recht haftet ein Verbraucher seinem Vertragspartner nicht für die Erfüllung der vertraglichen Pflichten Dritter gegenüber diesem Vertragspartner. Die in der Klausel vorgesehenen Abweichungen vom dispositiven Recht bedürfen daher – wie aufgezeigt – einer sachlichen Rechtfertigung. Eine solche liegt hier nicht vor. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Zuschlag pauschal verrechnet wird und die Beklagte davon auch dann profitiert, wenn sie keinen Ausfall erleidet. Dem Zuschlag für einen potentiellen Ausfall steht keine Gegenleistung der Beklagten gegenüber. Der (behauptete) Umstand, dass es der Beklagten wegen ihrer Marktposition möglich ist, ihren Kunden Energie zu verbilligten Preisen zu liefern, steht in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Zuschlag. Weiters ist zu beachten, dass die Verbraucher von der zentralen Wärmeanlage des Hauses abhängig sind. Schließen sie den Wärmeliefervertrag mit der Beklagten nicht ab, werden sie von der Wärmeversorgungsanlage abgetrennt und sind dann auf eine dezentrale Wärmeversorgung (zB Stromheizung, E‑Boiler) angewiesen. Es ist notorisch, dass damit Mehrkosten für diese Verbraucher verbunden sind. Die Vorinstanzen haben damit zutreffend die objektive Äquivalenzstörung (Zuschlag ohne Gegenleistung, vgl auch RS0131893) und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ der Verbraucher (Abhängigkeit von der zentralen Wärmeanlage) berücksichtigt.

[26] 2.3 Auch § 14 Abs 1 Z 8 WGG kann hier nicht für den Standpunkt der Beklagten nutzbar gemacht werden. Abgesehen von der Frage, ob die Wertungen des WGG auf die der Klausel zugrundeliegenden Vertragsverhältnisse überhaupt anwendbar sind, setzt die Einhebung einer Rücklage nach dem WGG eine Vereinbarung im Vertrag voraus ( Würth/Zingher/Kovanyi/Etzersdorfer , Miet- und Wohnrecht 23 WGG § 14 Rz 19 [Stand: 1. 5. 2016, rdb.at]). Nach dem dispositiven Recht besteht damit mangels Vereinbarung auch nach dem WGG kein Recht der gemeinnützigen Bauvereinigung auf Bildung einer Rücklage. Zudem weist die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend darauf hin, dass die mit § 14 Abs 1 Z 8 WGG vorgesehene Ausfallskomponente ausdrücklich nicht auf jene Entgeltposition nach § 14 Abs 1 Z 7 WGG anzuwenden ist, die Gemeinschaftsanlagen, also auch eine zentrale Heizungsanlage, betrifft.

[27] 2.4 Die Klägerin hat damit zutreffend die Unwirksamkeit der Klausel wegen des Verstoßes gegen § 879 Abs 3 ABGB geltend gemacht; auf die allfällige Intransparenz nach § 6 Abs 3 KSchG musste daher nicht mehr eingegangen werden.

[28] 3. Zur Leistungsfrist

[29] 3.1 Die Verpflichtung, die AGB zu ändern, ist keine reine Unterlassung, sodass das Gericht gemäß § 409 Abs 2 ZPO – von Amts wegen – eine angemessene Leistungsfrist zu setzen hat (RS0041265 [T3]). Zwischen den Tatbeständen des „Verwendens“ einer Klausel oder sinngleicher Klauseln in Neuverträgen und des „Sich‑Berufens“ auf den unzulässigen Inhalt der Klausel in Altverträgen ist dabei nicht zu unterscheiden (RS0041265 [T4]).

[30] 3.2 Die Beklagte argumentiert unter Hinweis auf die Entscheidungen 9 Ob 7/15t und 9 Ob 26/15m, dass im Anlassfall eine sechsmonatige Leistungsfrist angemessen sei. Aus den genannten Entscheidungen ist für die Beklagte hier aber nichts abzuleiten. Bei diesen Entscheidungen war bei der dort zu setzenden Leistungsfrist nämlich die Bestimmung des § 29 Abs 1 Z 1 ZaDiG zu berücksichtigen, wonach der Zahlungsdienstnutzer Änderungen des Rahmenvertrags spätestens zwei Monate vor dem geplanten Zeitpunkt ihrer Anwendung vorzuschlagen hat. Eine derartige Besonderheit liegt hier nicht vor.

[31] 3.3 Im Allgemeinen wird in der Rechtsprechung eine Leistungsfrist von drei Monaten zur Umgestaltung von Klauseln als grundsätzlich angemessen angesehen, weil man dem Unternehmer Zeit geben muss, in seiner Organisation die Voraussetzungen für die Umsetzung der Entscheidung zu schaffen (RS0041265 [T5]). Eine Leistungsfrist in diesem Ausmaß ist auch hier angemessen (jüngst 10 Ob 63/19s), zumal es sich nur um eine einzige zu ändernde Klausel handelt (vgl 4 Ob 107/17i mwN).

[32] 4. Der Revision der Beklagten war damit nicht Folge zu geben. Wegen der Erfolglosigkeit der Revision stellt sich die Frage nicht, ob dem Veröffentlichungsbegehren der Beklagten stattzugeben ist.

[33] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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