OGH 12Os137/20v

OGH12Os137/20v11.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Jänner 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Haslwanter in der Strafsache gegen Wojciech S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. August 2020, GZ 16 Hv 9/20p‑63, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00137.20V.0111.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wojciech S***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 20. Mai 2020 in W***** Monika T***** mit Gewalt zur Vornahme und Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie an den Oberarmen packte, auf das Bett warf, ihre Hose auszog, sie schlug und gegen ihren Willen vaginal und anal mit seinem Penis in sie eindrang und sie zur Vornahme von Oralverkehr an ihm zwang.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 3) verkennt, dass es aus dem Blickwinkel des § 260 Abs 1 Z 1 StPO nicht von Bedeutung ist, ob die Tat auf einem Bett oder auf einer am Boden liegenden Matratze stattgefunden hat, weil dies zur Individualisierung des dem Schuldspruch zugrunde liegenden Sachverhalts nicht erforderlich ist (RIS‑Justiz RS0117435; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 277).

[5] Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) ist nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt, indem sie sich gegen die Feststellung wendet, das Opfer sei zur Tatzeit bei erheblicher Alkoholisierung einsichts‑ und handlungsfähig gewesen (US 7). Nützt der Täter nämlich zur intendierten Effektuierung des sexuellen Angriffs zusätzlich zur Gewaltanwendung den in § 205 Abs 1 zweite Deliktsvariante StGB beschriebenen Zustand des Tatopfers aus, so ist echte Idealkonkurrenz der Tatbestände des § 201 Abs 1 StGB und des § 205 Abs 1 zweite Deliktsvariante anzunehmen (RIS‑Justiz RS0120167).

[6] Die Aufklärungsrüge (Z 5a) behauptet eine Verletzung der richterlichen Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit, weil ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Klärung des Alkoholisierungsgrades des Opfers nicht eingeholt wurde, legt aber nicht dar, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechts, Beweisaufnahmen in der Hauptverhandlung zu beantragen, gehindert war (RIS‑Justiz RS0114036, RS0115823). Mit einer Durchbrechung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung hat dies entgegen dem Rechtsmittelvorbringen nichts zu tun.

[7] Außerdem ist die Nichtigkeitsbeschwerde auch in diesem Punkt aus dem zur Mängelrüge bereits angeführten Grund nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt.

[8] Das gilt auch für das Vorbringen der Subsumtionsrüge (Z 10). Der Rechtsmittelwerber legt nämlich nicht dar, weshalb im Fall eines – von ihm angestrebten – Schuldspruchs wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB bei der vorliegend festgestellten Gewaltanwendung nicht zusätzlich auch ein Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB geboten sein sollte.

[9] Im Übrigen kann entgegen dem Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde schon deswegen kein Feststellungsmangel vorliegen, weil das Schöffengericht betreffend den Zustand des Opfers aufgrund der Alkoholisierung zur Tatzeit Feststellungen getroffen hat (US 4; RIS‑Justiz RS0118580 [T24]).

[10] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) wurde durch die erschwerende Wertung des ungeschützten Geschlechtsverkehrs bei der Strafzumessung nicht gegen das Doppelverwertungsverbot nach § 32 Abs 2 StGB verstoßen (12 Os 133/17a).

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte