European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00090.20X.1215.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** S***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen mehrerer Verbrechen nach § 3g VG (I./) und des Verbrechens nach § 12 dritter Fall StGB, § 3d VG (II./) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Danach hat er in W***** und andernorts
I./ sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, indem er
1./ „am 28. November 2015 auf Facebook einen Link zu einem nicht mehr abrufbaren Beitrag auf google+ mit dem Titel 'Wunderbar! ***5*** Vergleicht man heute die Epochen vom Jesus und Hitler, kommt ... (man zu dem Schluss, dass es sich bei beiden um Sendboten des Weltgeistes gehandelt haben muss. Jesus, der Mann aus dem arischen Galiläa, bekämpfte mit der Macht des Wortes die Lügen der Pharisäer wie Adolf Hitler 2000 Jahre später.)' [zu ergänzen: gesetzt hat], wobei auch ein Bild mit teilweise verdeckten Hakenkreuzfahnen und Reichsstandarten ersichtlich ist“;
2./ am 28. Jänner 2016 auf Facebook einen Link zu einem angeblichen Text der Schwester Adolf Hitlers (Paula Hitler) [zu ergänzen:] gesetzt hat, worin Adolf Hitler ua als Mann, der sich für Deutschland aufgeopfert habe und dessen Name leuchten und lodern werde, verherrlicht wird;
3./ sich am 8. Mai 2019 im Rahmen seiner zweiten Beschuldigtenvernehmung durch das LVT‑OÖ zu den Tatvorwürfen unter anderem äußerte wie folgt: „Was ich jedoch sagen möchte ist, dass ich mich sehr geehrt fühle, anstelle aller geknechteten, entehrten, des Rechts und der Ehre beraubten und ermordeten deutschen Vorahnen, zur Zeit der Alliierten 'Befreiung', sprechen zu dürfen. Die Sache des Rechts ist keine Angelegenheit, die die Alliierten Parteien für alle Zeit ohne Rücksicht auf die HLKO (Haager Landkriegsordnung 1907) einseitig und ohne Rücksicht auf geltendes Völkerrecht festzulegen haben. Dies ist ein Prozess der alle Menschen angeht und gleichermaßen betrifft. Deswegen sollten sich alle Menschen eingehend mit der wahren Geschichte befassen.“ und „diese“ (gemeint: das darüber aufgenommene Protokoll) mit dem SS‑Symbol der doppelten Siegrune unterzeichnete;
4./ am 10. Mai 2019 im Rahmen seiner Vernehmung durch die Haft- und Rechtsschutzrichterin des Landesgerichts Wels unter anderem ausführte wie folgt: „Ich führe dazu aus, dass die Vorwürfe dem internationalen Völkerrecht und insbesondere der Haager Landkriegsordnung von 1907 widersprechen. Außerdem weise ich darauf hin, dass die Vorgehensweise und Vorwürfe einen groben Verstoß gegen die Verfassung des deutschen Reiches, Stand 7. Mai 1945, darstellen. Die Verfassung des deutschen Reiches ist nach wie vor gültig und ist auch u.a. vom Bundesverfassungsgericht 1973 bestätigt worden.“;
5./ im Rahmen der Hauptverhandlung am 10. März 2020 sinngemäß behauptete, dass das Deutsche Reich nach wie vor existieren würde, insbesondere durch seine Aussagen „Ich bin Angehöriger des Deutschen Reichs!“ und „Ich bin der provisorische Stellvertreter des Deutschen Reichs für die Ostmark!“, weiters indem er die Existenz Österreichs und anderer Staaten in Frage stellte und dabei ua von „fremdverwalteten ostdeutschen Gebieten“ und einer „erforderlichen völkerrechtlichen Richtigstellung“ sprach und indem er die „Pauschalverurteilung der Wiederherstellung nationalsozialistischer Strukturen“ beklagte;
6./ im Rahmen der Hauptverhandlung am 9. Juni 2020 sinngemäß behauptete, dass das einzige Reich, das sich bisher Gott unterstellt hat, das Großdeutsche Reich gewesen sei, Österreich erneut als Ostmark bezeichnete, Österreich jegliche Souveränität absprach sowie forderte, dass sämtliche Steuern und Gebühren seit 1947 an das Volk zurückzuzahlen seien;
II./ von 3. Jänner bis 17. April 2019 dadurch zum Betrieb und zur Aufrechterhaltung der Internetseite „https://f *****.com“ durch einen bislang unbekannten Täter beigetragen, „dass er zu diesem Zweck am 3. Jänner 2019 bei der R***** in W***** das auf seinen Namen lautende Bankkonto mit der IBAN‑Nummer ***** eröffnete und in weiterer Folge über dieses Konto von (…) unbekannten Tätern 'Spenden' iHv insgesamt 704 Euro einsammelte und größtenteils an die Betreiber der Internetseite weiterleitete, wobei im Rahmen des Betriebs dieser Internetseite laufend öffentlich zu nach § 3 Verbotsgesetz 1947 verbotenen Handlungen – etwa zu Spenden für nationalsozialistische Tätigkeiten oder zur 'Endlösung' – aufgefordert wird und zu diesem Zweck die Ziele der NSDAP, ihre Einrichtungen und Maßnahmen laufend verherrlicht werden“.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 11 lit a, Z 12 und Z 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
Unter Berufung auf Z 11 lit a und Z 12 des § 345 Abs 1 StPO behauptet die zu II./ erhobene Beschwerde (der Sache nach nur Z 12), aus dem Wahrspruch sei „nicht ersichtlich, ob die eingesammelten Spenden und das Weiterleiten dieser geringen Spendensumme an den Betreiber der Internetseite überhaupt einen kausalen Zusammenhang mit dem Betrieb dieser Internetseite“ aufweise. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre lediglich ein Schuldspruch nach § 3g VG zu fällen gewesen.
Sie nimmt dabei nicht die Gesamtheit des Wahrspruchs in den Blick (vgl RIS‑Justiz RS0101016), demzufolge der Angeklagte „dadurch zum Betrieb und zur Aufrechterhaltung der Internetseite“ (auf der „laufend öffentlich zu nach § 3 VG verbotenen Handlungen – etwa zu Spenden für nationalsozialistische Tätigkeiten oder zur 'Endlösung' – aufgefordert wird und zu diesem Zweck die Ziele der NSDAP, ihre Einrichtungen und Maßnahmen laufend verherrlicht werden“) beigetragen hat, dass er „zu diesem Zweck“ Spenden einsammelte und größtenteils an den Betreiber der Internetseite weiterleitete. Warum diese – dem Wahrspruch zufolge – die Tatbestandsverwirklichung fördernde Hilfestellung kein kausaler Beitrag sein soll (vgl dazu RIS‑Justiz RS0090508, RS0089238; Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 82 ff), sondern die Internetseite „aufgrund der Spenden betrieben werden“ hätte müssen, leitet die Beschwerde nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116569).
Die gegen die Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB gerichtete Sanktionsrüge (Z 13 zweiter Fall) behauptet, die vom Erstgericht angenommenen Prognosetaten, nämlich „weitere Straftaten nach dem Verbotsgesetz 1947, analog zu jenen, deretwegen er verurteilt wurde“ (US 8), seien verfehlt als solche mit schweren Folgen beurteilt worden. Denn bei den zu I./ umschriebenen Taten handle es sich „ausschließlich um ideologisch absonderliche, allerdings trotzdem bloße Meinungsäußerungen des Angeklagten im Internet“, vor Gericht und vor der Polizei, während sich zu II./ der Beitrag des Angeklagten auf das Sammeln und Weiterleiten von Spenden in Höhe von 704 Euro beschränke.
Sie vernachlässigt zunächst, dass bei der Beurteilung einer (einzelnen [vgl RIS‑Justiz RS0119762]) Prognosetat als solche mit schweren Folgen nicht nur die tatbestandsmäßigen Folgen, sondern auch alle konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu berücksichtigen sind, also auch Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile für den betroffenen Einzelnen und die Gesellschaft im Ganzen sowie der gesellschaftliche Störwert einschließlich der Eignung, umfangreiche und kostspielige Abwehrmaßnahmen auszulösen und weitreichende Beunruhigung und Besorgnisse herbeizuführen (vgl RIS‑Justiz RS0108487; Ratz in WK 2 StGB § 21 Rz 27; Kirchbacher/Rami , WK‑StPO § 173 Rz 43).
Zur Befürchtung des Schöffengerichts, der Angeklagte werde dazu beitragen, dass im Internet zu Spenden für nationalsozialistische Tätigkeiten oder zur „Endlösung“ (gemeint: „Endlösung der Judenfrage“ iSd nationalsozialistischen Völkermordes an den Juden) aufgefordert und zu diesem Zweck die Ziele der NSDAP, ihre Einrichtungen und Maßnahmen laufend verherrlicht werden, wird darüber hinaus die – auch bei Beurteilung der Folgen einer Prognosetat maßgebliche – rechtliche Gleichwertigkeit aller Täterschaftsformen (vgl RIS‑Justiz RS0089433 [T3], RS0086958 [T5 bis T9 und T13]; Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 16) übersehen, weshalb nicht nur die vom Angeklagten unmittelbar herbeigeführten Folgen zu berücksichtigen sind.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß §§ 344, 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die Strafe und (insoweit bei der Rechtsmittelanmeldung verfehlt [vgl § 435 Abs 2 StPO] als Beschwerde bezeichnet [ON 71 S 19 f]) die Anordnung der vorbeugenden Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft (§§ 344, 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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