OGH 15Os82/20b

OGH15Os82/20b3.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Dezember 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Medienrechtssache der Antragstellerin Verlassenschaft nach C***** F***** gegen die Antragsgegnerin M***** GmbH wegen § 7a MedienG, AZ 112 Hv 10/19i des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der M***** GmbH auf Erneuerung des Verfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00082.20B.1203.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

In der Medienrechtssache der Antragstellerin Verlassenschaft nach C***** F***** gegen die Antragsgegnerin M***** GmbH wegen § 7a MedienG wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. Juli 2019, GZ 112 Hv 10/19i‑8, ausgesprochen, dass durch die Veröffentlichung der Anzeige mit der Überschrift „Österreichischer Starregisseur unter Betrugsverdacht“ am 13. Februar 2019 in der Tageszeitung „*****“, in den für iPhone und iPad verbreiteten elektronischen Ausgaben des periodischen Druckwerks „*****“ sowie auf der über die Website http://www *****.at/ verbreiteten elektronischen Ausgabe des periodischen Druckwerks „*****“ der Tatbestand nach § 7a Abs 1 Z 2 MedienG verwirklicht wurde. Die Antragsgegnerin wurde zur Zahlung von Entschädigungen verpflichtet.

Der dagegen erhobenen Berufung der M***** GmbH gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 30. Jänner 2020, AZ 18 Bs 292/19a, nicht Folge.

Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung die – im Erneuerungsantrag nicht in Frage gestellten – erstgerichtlichen Feststellungen zugrunde:

Demnach borgte sich C***** F*****, ein österreichischer Regisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent, von Prof. R***** 110.000 Euro aus. Weil es bei der Rückzahlung dieses Darlehens zu Verzögerungen kam, brachte Prof. R***** bei der Staatsanwaltschaft Wien eine Sachverhaltsdarstellung gegen den Antragsteller wegen des Verdachts der Begehung des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB ein. Bei der Staatsanwaltschaft Wien wurde das gegen den Antragsteller wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB geführte Strafverfahren am 29. März 2019 gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestand.

Am 13. Februar 2019 veröffentlichte die Antragsgegnerin als Medieninhaberin der genannten Medien an den bezeichneten Stellen jeweils eine idente bezahlte Anzeige mit dem Titel „Österreichischer Starregisseur unter Betrugsverdacht“. Der angesprochene Leserkreis verstand diese Anzeige so, dass Prof. R***** den Antragsteller bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts der Begehung des Betruges anzeigte, weil der Antragsteller 110.000 Euro von Prof. R***** betrügerisch herausgelockt habe. Weiters verstand der angesprochene Leserkreis die Veröffentlichung so, dass mittlerweile ein Teil der 110.000 Euro zurückgezahlt wurde, der Antragsteller aber nunmehr untergetaucht und nicht mehr erreichbar ist und der Antragsteller wegen des von Prof. R***** erlangten Geldbetrags im Verdacht steht, das Vergehen des schweren Betrugs begangen zu haben. Die inkriminierte bezahlte Anzeige wurde weiters so verstanden, dass der Antragsteller auch bei einer weiteren Person Geldschulden aus einem Investment hat und auch für diese Person nicht mehr erreichbar ist. Die Leser verstanden die bezahlte Anzeige aber nicht so, dass auch dem Investment in das Filmprojekt eine strafbare Handlung zugrunde liegt. Die angesprochenen Leser erkannten, dass es sich bei dem inkriminierten Artikel um eine bezahlte Anzeige handelte.

Im inkriminierten Artikel waren der Vor‑ und der Nachname des Antragstellers abgedruckt sowie sein Alter, dass er gebürtiger Steirer ist, sein Wohnort und sein Beruf, samt einer exemplarischen Aufzählung seiner Werke. Der Antragsteller war für einen nicht bereits über den Verdacht eines strafrechtlich relevanten Verhaltens des Antragstellers vorinformierten, größeren Personenkreis, nämlich für alle Leser und daher jedenfalls für mehr als zehn Personen, als Verdächtiger der Begehung einer strafbaren Handlung, nämlich des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB in Bezug auf die von Prof. R***** übergebenen 110.000 Euro, erkennbar.

Ausgehend von diesen Feststellungen erwog das Oberlandesgericht, dass die für den Tatbestand des § 7a MedienG verlangte Verletzung schutzwürdiger Anonymitätsinteressen vorliege, wobei ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung nicht bestanden habe (US 7 ff, insbesondere 10 ff).

Gegen diese Urteile richtet sich der Antrag der M***** GmbH gemäß § 363a StPO per analogiam iVm § 41 Abs 1 MedienG (RIS‑Justiz RS0122228), mit welchem sie eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 MRK geltend macht.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich der Erneuerungsantrag gegen das – auch tatsächlich mit Berufung bekämpfte – Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. Juli 2019 richtet, war er zurückzuweisen, weil Erneuerungsanträge nur gegen letztinstanzliche Entscheidungen nach Ausschöpfung des (vertikalen und horizontalen) Instanzenzugs möglich sind (vgl RS0122737).

Der gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 30. Jänner 2020 gerichtete Erneuerungsantrag ist offenbar unbegründet (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG):

Für einen – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag, bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 MRK sinngemäß (RIS‑Justiz RS0122737). Dabei hat ein Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine behauptete – vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende – Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei. Er muss sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinandersetzen (RIS‑Justiz RS0124359, RS0128393).

Diesen Anforderungen wird der Erneuerungsantrag nicht gerecht.

Die Erneuerungswerberin behauptet nämlich bloß  – unter Zitierung nicht auf die österreichische Rechtslage abstellender Lehrmeinungen (vgl aber zur Notwendigkeit methodengerechter Ableitung RIS‑Justiz RS0128393) – die inkriminierte Veröffentlichung sei eine Anzeige im Sinn des § 26 MedienG, deren angebliche Rechtswidrigkeit keineswegs evident wäre, sodass sie dafür nicht hafte, und dass weiters eine Äußerung von Prof. R***** vorliege, an deren Kenntnis ein öffentliches Interesse bestehe, weshalb (auch) ein „zulässiges Zitat“ vorliege.

Der Erneuerungsantrag lässt jedoch die Argumentation des Oberlandesgerichts außer Acht, wonach der nach der EMRK gebotene faire Ausgleich der konfligierenden Grundrechte nach Art 8 und 10 EMRK im Bereich des § 7a MedienG über die in Abs 1 und Abs 2 leg cit verankerte Interessenabwägung gewährleistet wird (US 12). In diesem Sinn erwog das Berufungsgericht, dass der Prominenz des Antragstellers als Regisseur und der behaupteten Notwendigkeit einer Warnung potentieller Investoren vor diesem gegenüber zu stellen sei, dass sich der öffentlich gemachte Tatverdacht lediglich auf ein Vergehen bezog, das Verfahren sich erst im Anfangsstadium befand und kurz darauf von der Anklagebehörde auch wieder eingestellt wurde, sowie, dass der erhobene Vorwurf nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Antragstellers stand (US 10 f).

Der Erneuerungsantrag war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen.

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