OGH 1Ob172/20f

OGH1Ob172/20f27.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** KG, *****, vertreten durch die JEANNÉE Rechtsanwalt GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei A***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Alexandra Sedelmayer‑Pammesberger, Rechtsanwältin in Wien, wegen 36.418,61 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 13.698,63 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Juni 2020, GZ 1 R 104/19z‑20, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 4. Juni 2019, GZ 24 Cg 8/19w‑14, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00172.20F.1127.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.017,09 EUR (darin 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin erwarb mit Kaufvertrag vom 9. 5. 2018 vom Geschäftsführer der Beklagten eine Liegenschaft und von der Beklagten das darauf befindliche Superädifikat. In Punkt III.3. des Kaufvertrags findet sich unter der Überschrift „Verzinsung“ folgende Bestimmung: „ Bei Zahlungsverzug sind fällige Beträge mit 8 % jährlich zu verzinsen. Eine laufende Verzinsung, Wertsicherung oder grundbücherliche Sicherstellung des Kaufpreises bis zum Eintritt der Fälligkeit wird nicht vereinbart. Die Verkäufer verzichten auf einen Nachweis der Zahlungsfähigkeit der Käuferin.

[2] Die Klägerin erlegte den gesamten Kaufpreis in Höhe von 6.250.000 EUR am 30. 5. 2018 beim Treuhänder (Notar). Sie gab diesem aber erst am 21. 6. 2018 – nach mehreren Urgenzen – ihre Steuernummer bekannt, ohne die der Notar die im Zuge des Erwerbs der Liegenschaft und des Superädifikats anfallenden Steuern und Abgaben nicht selbst berechnen und kein Grundbuchsgesuch erstellen konnte. Nach Einverleibung des Eigentums der Klägerin im Grundbuch zahlte der Treuhänder den bei ihm erlegten Kaufpreis an die Beklagte aus.

[3] Da die Klägerin zunächst noch keine Hausverwaltung für die von ihr erworbene Liegenschaft bestellt hatte, führte vorerst die Beklagte die Verwaltung weiter und kassierte insbesondere die Mietzinse von den Mietern. Einen Teil der eingehobenen Beträge gab sie nicht an die Klägerin heraus, sondern behielt diesen unter Berufung auf ihr zustehende Gegenforderungen ein. Diese leitete sie neben einem Anspruch auf Abgeltung ihrer Verwaltungstätigkeit daraus ab, dass ihr wegen der pflichtwidrig verzögerten Bekanntgabe der Steuernummer der Klägerin und der dadurch bewirkten verspäteten Auszahlung des treuhändig erlegten Kaufpreises Verzugszinsen zustünden.

[4] Die Klägerin begehrt die Zahlung des von der Beklagten einbehaltenen Betrags und argumentiert, dass den behaupteten Gegenforderungen keine Berechtigung zukomme. Da die Klägerin die Beklagte nicht mit der Verwaltung der erworbenen Liegenschaft beauftragt habe, bestehe kein Anspruch auf Abgeltung allfälliger Verwaltungstätigkeiten der Beklagten. Den vereinbarten Kaufpreis habe die Klägerin innerhalb der vertraglichen Zahlungsfrist auf das Treuhandkonto erlegt, sodass keine Verzugszinsen zustünden.

[5] Die Beklagte berief sich im Wesentlichen darauf, mit den genannten Gegenforderungen vorprozessual aufgerechnet zu haben. Das ihr zustehende Verwaltungshonorar sei mit 3.647,78 EUR angemessen. Ihr Anspruch auf Verzugszinsen ergebe sich daraus, dass der Kaufpreis am 30. 5. 2018 auf das Treuhandkonto bezahlt worden sei und der Notar noch am selben Tag die Selbstberechnung der Steuern und Abgaben vornehmen und das Grundbuchsgesuch einbringen hätte können. Da die Klägerin dem Treuhänder erst am 21. 6. 2018 ihre Steuernummer mitgeteilt habe, sei dies jedoch erst an diesem Tag möglich gewesen. Der Beklagten stünden daher „kaufmännische Zinsen“ aus 6.250.000 EUR für den Zeitraum vom 31. 5. 2018 bis zum 21. 6. 2018 zu; sie habe auch mit 8,55 % pA verzinste Kredite nicht früher bedienen können. Hilfsweise hielt sie dem Klagebegehren eine (weitere) Gegenforderung in Höhe von 739,20 EUR entgegen, die sich aus für die Klägerin getragenen Verwaltungsaufwendungen ergebe.

[6] Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit 17.346,41 EUR (Anmerkung: dabei handelt es sich in Wahrheit um jenen Betrag, mit dem die Beklagte nach Ansicht des Erstgerichts zu Recht gegen die Klageforderung außergerichtlich aufgerechnet hat) und die im Prozess hilfsweise eingewandte Gegenforderung mit 266,20 EUR zu Recht bestehe und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 17.080,21 EUR samt Zinsen. Es ging davon aus, dass ihr ein Anspruch auf Abgeltung ihrer Verwaltungstätigkeit in Höhe von 3.647,78 EUR zugestanden sei und sie mit diesem Betrag vorprozessual wirksam gegen die Klageforderung aufgerechnet habe. Zur behaupteten außergerichtlichen Aufrechnung mit einer Verzugszinsenforderung lastete es der Klägerin als vertragliche (Neben‑)Pflichtverletzung an, dass sie dem Notar ihre Steuernummer erst nach mehrmaligen Urgenzen bekanntgegeben habe. Der Beklagten stünden daher gesetzliche Verzugszinsen in Höhe von 4 % aus 6.250.000 EUR für den Zeitraum vom 1. 6. 2018 bis zum 21. 6. 2018 (sohin ein Betrag von 13.698,63 EUR) zu. Mit dieser Zinsenforderung habe die Beklagte ebenfalls vorprozessual gegen die Klageforderung aufgerechnet. Ein über die gesetzlichen Verzugszinsen hinausgehender Zinsschaden sei zwar auch bei leichter Fahrlässigkeit zu ersetzen, einen solchen Schaden habe die Beklagte aber nicht nachgewiesen.

[7] Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es die Klageforderung mit 32.770,83 EUR und die Gegenforderung mit 266,20 EUR als zu Recht bestehend feststellte und die Beklagte zur Zahlung von 32.504,63 EUR samt Zinsen verpflichtete. Es ging – ebenso wie das Erstgericht – davon aus, dass sich die Klägerin mit der Erfüllung ihrer vertraglichen (Neben‑)Pflicht, dem Notar ihre zur Selbstberechnung der mit dem Erwerb der Liegenschaft und des Superädifikats zusammenhängenden Steuern und Abgaben erforderliche Steuernummer mitzuteilen, in Verzug befand. Daraus könne die Beklagte aber keinen Anspruch auf Verzugszinsen ableiten, weil die Klägerin ihrer Zahlungspflicht durch Erlag des Kaufpreises beim Treuhänder fristgerecht nachgekommen sei. Da sie sich nicht mit der Zahlung einer Geldschuld in Verzug befunden habe, stehe ihr kein Anspruch auf gesetzliche Verzugszinsen nach § 1333 ABGB zu. Einen durch die verspätete Bekanntgabe der Steuernummer konkret verursachten Schaden habe die Beklagte nicht nachgewiesen.

[8] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob dem Verkäufer gesetzliche Verzugszinsen nach § 1333 ABGB (allenfalls aufgrund einer analogen Anwendung dieser Bestimmung) zustehen, wenn der Käufer durch sein Verhalten die Auszahlung des von ihm (rechtzeitig) beim Treuhänder erlegten Kaufpreises an den Verkäufer verzögert, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe.

[9] Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[10] 1. Die Revisionswerberin wendet sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach ihr aufgrund der Verzögerung der Auszahlung des beim Treuhänder erlegten Kaufpreises durch die Klägerin keine Verzugszinsen zustünden. Sie stützt ihre Gegenforderung in dritter Instanz auf § 1333 Abs 1 ABGB und leitet daraus (bei 4 % Zinsen; vgl § 1000 Abs 1 ABGB) – nur mehr – eine Zinsenforderung in Höhe von 13.698,63 EUR für einen behaupteten Verzug von 20 Tagen mit der Auszahlung der 6.250.000 EUR ab.

[11] 2. Nach § 1333 Abs 1 ABGB wird der Schaden, den der Schuldner seinem Gläubiger durch die Verzögerung der Zahlung einer Geldforderung zugefügt hat, durch die gesetzlichen Zinsen (§ 1000 Abs 1 ABGB) vergütet. Der Anspruch auf gesetzliche Verzugszinsen erfordert zumindest das Vorliegen eines objektiven Verzugs (1 Ob 138/13w; Danzl in KBB 6 § 1333 ABGB Rz 3 mwN). Wann ein solcher vorliegt, regelt § 1334 Satz 1 ABGB. Demnach fällt dem Schuldner eine Verzögerung zur Last, wenn er den durch Gesetz oder Vertrag bestimmten Zahlungstag nicht einhält. Der Begriff „Verzögerung“ ist dabei rein objektiv als zeitliches Zurückbleiben der geschuldeten Leistung hinter dem Fälligkeitszeitpunkt zu verstehen ( Danzl aaO § 1334 ABGB Rz 1).

[12] 3. Der Oberste Gerichtshof erachtet die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, das eine auf § 1333 Abs 1 ABGB gestützte Gegenforderung der Beklagten mit der Begründung verneint hat, die Klägerin habe sich – was Voraussetzung für einen Anspruch auf Verzugszinsen nach dieser Bestimmung wäre – in keinem objektiven Verzug mit der Zahlung des Kaufpreises befunden, als zutreffend, zumal die Verzugsfolgen in dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrag (in Punkt III.3) an die Fälligkeit anknüpfen; nach Punkt III.2 („Fälligkeit“) dieses Vertrags, dessen unstrittiger Inhalt hier ohne weiteres zugrunde gelegt werden kann (RIS‑Justiz RS0121557 [T3]), war die Klägerin verpflichtet, den vereinbarten Kaufpreis innerhalb von drei Wochen nach beiderseitiger Vertragsunterfertigung beim Treuhänder zu erlegen. Da sie dem unstrittig nachkam, hat sie damit ihre vertragliche Zahlungspflicht bei Fälligkeit erfüllt. Somit lag aber keine „Verzögerung der Zahlung einer Geldforderung“ im Sinn des § 1333 Abs 1 ABGB vor.

[13] 4. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf den vorliegenden Fall kommt nicht in Betracht. Eine Analogie setzt ganz allgemein die – am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung zu messende (RS0008866 [T4]; jüngst etwa 5 Ob 80/17a; 7 Ob 241/18v; 4 Ob 80/20y) – planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (vgl RS0106092; RS0008866 [T2; T4; T11]; RS0008870). Eine solche kann hier schon deshalb nicht angenommen werden, weil eine pflichtwidrige Verhinderung der umgehenden Auszahlung des treuhändig erlegten Kaufpreises durch den Käufer keineswegs sanktionslos bliebe, stünde dem Verkäufer doch im Regelfall ein (verschuldensabhängiger) Anspruch auf Ersatz eines dadurch konkret verursachten Schadens nach den §§ 1295 ff ABGB zu, wobei das Verschulden vermutet (§ 1298 ABGB) würde (darauf, dass ihr durch die „verspätete“ Mitteilung der Steuernummer ein konkreter Schaden – etwa in Gestalt eigenen Kreditzinsenaufwands – entstanden wäre, beruft sich die Beklagte in dritter Instanz aber nicht mehr). Gegen eine analoge Anwendung des § 1333 Abs 1 ABGB spricht vor allem, dass das dort normierte „schadenersatzrechtliche Mindestpauschale“ (vgl 6 Ob 114/17h mwN) keinem marktüblichen Zinssatz entspricht, sodass der Anwendungsbereich dieser Bestimmung auch aus diesem Grund nicht im Wege der Analogie auf von seinem Wortlaut nicht umfasste Sachverhalte ausgedehnt werden sollte. Eine Regelung, die aus Vereinfachungserwägungen über den Ersatz des tatsächlich entstandenen Schadens hinausgehen kann, soll nach Auffassung des erkennenden Senats eng ausgelegt werden.

[14] 5. Dass der Beklagten – die der Klägerin nur das auf der Liegenschaft ihres Geschäftsführers errichtete Superädifikat übertrug – selbst nur 4,8 % des Gesamtkaufpreises zustanden und gänzlich unerörtert blieb, warum sie berechtigt sein sollte, auch Ansprüche ihres Geschäftsführers im eigenen Namen geltend zu machen, sei der Vollständigkeit halber erwähnt. Da der Revision bereits aus den genannten Gründen keine Berechtigung zukommt, muss darauf aber nicht eingegangen werden,

[15] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO, wobei der Klägerin Kostenersatz für ihre Revisionsbeantwortung nur auf Basis des im Revisionsverfahren strittigen Betrags von 13.698,63 EUR zuzusprechen ist.

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