OGH 14Os104/20f

OGH14Os104/20f3.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. November 2020 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter in Gegenwart des Schriftführers Dr. Koller in der Strafsache gegen S***** A***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 6. Juli 2020, GZ 151 Hv 21/20h‑55, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00104.20F.1103.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde S***** A***** (jeweils) der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (B./1./) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A./ und B./2./) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (C./) schuldig erkannt.

Danach hat er

A./ im Jahr 2011 in ***** an seiner 2000 geborenen, sohin zur Tatzeit unmündigen Tochter A***** A*****, außer dem Fall des § 206 StGB, eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er sie mit einer elektrischen Zahnbürste im Genitalbereich intensiv massierte;

B./ von Jänner 2016 bis November 2019 in ***** und in ***** (Kroatien) mit und an seiner 2006 geborenen, sohin zu den Tatzeiten unmündigen Tochter E***** A*****

1./ dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er sie in zwei Angriffen digital vaginal penetrierte;

2./ außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von dieser an sich vornehmen lassen, indem er, unabhängig von den zu B./1./ genannten Handlungen, in mehreren Angriffen sie teils mit einer elektrischen Zahnbürste, teils mit seinen Fingern im Genitalbereich intensiv massierte, ihre bereits in Entwicklung befindlichen Brüste intensiv betastete, teils seine Hand für mehrere Minuten auf ihren Genitalbereich legte und den Handverkehr von ihr an sich vornehmen ließ, wobei es hinsichtlich des Handverkehrs teils beim Versuch blieb;

C./ durch die zu A./ und B./ näher bezeichneten Tathandlungen an einer in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Der hinsichtlich der Taten zum Nachteil von E***** A***** vorgebrachten Kritik unvollständiger Begründung der subjektiven Tatseite zuwider (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) setzte sich das Erstgericht eingehend mit der einen Sexualbezug der Handlungen in Abrede stellenden Verantwortung des Angeklagten auseinander und beurteilte sie als bloße Schutzbehauptung (US 7 f).

Der Einwand, die Festellungen über die Taten zum Nachteil von A***** A***** würden sich auf eine unzulässige Scheinbegründung stützen, weil die DNA‑Spuren auf der elektrischen Zahnbürste aufgrund der bis zu deren Sicherstellung verstrichenen Zeit die Tatbegehung nicht beweisen würden (nominell Z 5a, der Sache nach Z 5 vierter Fall [zur Abgrenzung der Mängelrüge von der Tatsachenrüge siehe RIS‑Justiz RS0116733]), nimmt nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß (RIS‑Justiz RS0119370). Denn das Erstgericht gründete seine Beweiswürdigung auch auf die Aussage der Tatzeugin S***** A***** (US 10 f).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) die Glaubwürdigkeit der Zeugen S***** und E***** A***** in Zweifel zieht und (zu A./ und C./) den DNA‑Spuren an der elektrischen Zahnbürste den Beweiswert abspricht, beschränkt sie sich außerhalb des Anfechtungsrahmens des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes auf bloße Beweiswürdigungskritik (RIS‑Justiz RS0100555, RS0099649).

Mit der Behauptung fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite nimmt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht am festgestellten Sachverhalt Maß, wonach der Angeklagte wusste, dass es sich bei den Tatopfern um seine unmündigen Töchter handelte und sein bedingter Vorsatz das Unternehmen im Urteil dargestellter, dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen sowie die Vornahme näher bezeichneter geschlechtlicher Handlungen an ihnen und ihm selbst umfasste (US 6). Sie verfehlt damit den im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Dieses wird dem (ungerügt gebliebenen) Umstand Rechnung zu tragen haben (RIS‑Justiz RS0122140), dass die vom Schöffengericht vorgenommene erschwerende Gewichtung der Tatbegehung „gegen seine beiden unmündigen Töchter“ (US 14) eine dem Angeklagten zum Nachteil gereichende unrichtige Gesetzesanwendung (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) zufolge Doppelverwertung (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) begründet, weil die Unmündigkeit der Tatopfer für die Subsumtion unter §§ 206 Abs 1, 207 Abs 1 StGB sowie die Angehörigeneigenschaft für die Unterstellung unter § 212 Abs 1 Z 1 StGB essentiell ist (vgl 11 Os 13/20a, 11 Os 140/18z).

Die Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte