OGH 5Ob164/20h

OGH5Ob164/20h21.10.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers D*****, vertreten durch Dr. Hans Georg Mayer, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die Antragsgegner 1. B*****, 2. M*****, 3. M*****, 4. A*****, 5. I*****, 6. K*****, 7. C*****, 8. F*****, 9. M*****, 10. S*****, 11. D*****, 12. E*****, 13. D*****, 14. I*****, diese vertreten durch Dr. Karlheinz de Cillia, Mag. Michael Kalmann, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, 15. B*****, 16. D*****, 17. W*****, 18. S*****, 19. R*****, 20. M*****, 21. M*****, wegen § 52 Abs 1 Z 1 WEG iVm §§ 9, 10 WEG (Neufestsetzung der Nutzwerte) über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 28. Mai 2020, GZ 1 R 169/19a‑21, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 4. September 2019, GZ 14 MSch 13/19s‑16, – teils mit einer Maßgabe – bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00164.20H.1021.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist schuldig, der 14. Antragsgegnerin binnen 14 Tagen deren mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Streitteile sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Der Antragsteller ist Eigentümer der Anteile BLNr 30, 31 und 32, mit denen jeweils Wohnungseigentum an Garagen verbunden ist. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr sein Antrag auf Zusammenziehung seiner Anteile und der von ihm nach seinen Behauptungen gekauften vorgelagerten Zufahrt im Ausmaß von 45,45 m2, den er im Revisionsrekursverfahren auf eine Zusammenziehung seiner Anteile unter Ausklammerung der vorgelagerten Zufahrt „eingeschränkt“ hat.

Das Erstgericht wies den (ursprünglichen) Antrag mit der Begründung ab, die Garagenboxen 14, 15 und 16 stünden zwar im Eigentum des Antragstellers, die Zufahrt von 45,45 m2 sei aber Allgemeinfläche.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Es vertrat die Auffassung, der Antragsteller sei nicht Eigentümer der seinen Garagenboxen vorgelagerten „Zufahrt“ geworden, weil diese nach den Feststellungen nicht Gegenstand des Kaufvertrags gewesen sei. Diese Zufahrt sei daher als Allgemeinfläche zu werten. Ein Anteil, mit dem Wohnungseigentum verbunden sei, dürfe aber auch grundbücherlich nicht mit einem anderen verbunden werden, bei dem dies nicht der Fall sei.

Den Revisionsrekurs ließ es über Abänderungsantrag des Antragstellers zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, unter welchen Voraussetzungen die Zusammenziehung von gesonderten Wohnungseigentumsobjekten eines einzelnen Eigentümers – in nur teilweiser Stattgebung eines ursprünglich auch Teile der Allgemeinfläche einbeziehenden Antrags – möglich sei.

Im – nur von der 14. Antragsgegnerin beantworteten – Revisionsrekurs, in dem der Antragsteller seinen Antrag dahin „einschränkte“, dass er nicht mehr die Zusammenziehung der vorgelagerten Zufahrt im Ausmaß von 45,45 m 2 mit seinen Mindestanteilen BLNr 30, 31 und 32, sondern nur mehr die Zusammenziehung dieser Anteile selbst begehrte, strebt der Antragsteller die Abänderung im Sinn einer Stattgebung dieses eingeschränkten Antrags in dem Sinn an, dass ihm nur mehr ein Mindestanteil und eine Garage im Gesamtausmaß von 141/13.703‑Anteilen zukommen soll.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

1. Die vom Rekursgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage ist hier nicht zu beantworten, weil der Antragsteller seinen ursprünglich gestellten Antrag erst im Revisionsrekurs modifizierte und es sich dabei nicht um eine Einschränkung, sondern eine Änderung seines Antrags handelte, deren Behandlung das im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren geltende Neuerungsverbot (§ 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 14 MRG; RIS‑Justiz RS0070485; vgl auch G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I 2 § 11 Rz 78) entgegensteht.

2. Der Antragsteller strebt die Neufestsetzung der Nutzwerte ob der Liegenschaft an und bezieht sich inhaltlich damit auf § 9 Abs 2 WEG, der in seinen Z 1 bis 5 fünf unterschiedliche Sachverhalte bezeichnet, die jeweils einen Antrag auf Festsetzung bzw Neufestsetzung der Nutzwerte durch das Gericht rechtfertigen. Nach der Judikatur des Fachsenats (5 Ob 72/13v) bedarf es – obwohl das Nutzwertfestsetzungsverfahren eine Regelungsstreitigkeit ist, die nicht der Dispositionsmaxime der Parteien unterliegt, sondern in dem strenge Offizialmaxime herrscht (RS0083252) – zur Einleitung des Verfahrens eines Antrags auf Festsetzung der Nutzwerte, der hinreichend präzise erkennen lassen muss, welches Begehren aus welchem Sachverhalt abgeleitet wird (§ 9 Abs 1 AußStrG). Die zur Anspruchsbegründung herangezogene Behauptung eines Verstoßes gegen zwingende Berechnungsgrundsätze (§ 9 Abs 2 Z 1 WEG) ist daher von einem Begehren zu unterscheiden, das auf Neufestsetzung der Nutzwerte gerichtet ist, weil das der Ermittlung der Nutzwerte zugrundeliegende Gutachten bei einem Wohnungseigentumsobjekt um mehr als 3 % von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht (§ 9 Abs 2 Z 2 WEG).

3. Hier stützte sich der Antragsteller in seinem verbesserten ursprünglichen Antrag inhaltlich auf § 9 Abs 2 Z 1 WEG wegen angeblichen Verstoßes des Gutachtens gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung, auf § 9 Abs 1 Z 2 WEG wegen dessen Abweichung von mehr als 3 % von den tatsächlichen Gegebenheiten bei seinen Wohnungseigentumsobjekten und letztlich § 9 Abs 1 Z 3 WEG wegen abweichender Bauführung in diesem Ausmaß. Erstmals im Revisionsrekurs argumentiert er nun mit der Notwendigkeit und Zulässigkeit (nur) der Zusammenziehung seiner räumlich unmittelbar aneinandergrenzenden Wohnungseigentumsobjekte, daher mit dem Tatbestand nach § 9 Abs 2 Z 5 WEG.

4. Die Frage, ob ein Aliud oder ein Minus anzunehmen ist, ergibt sich aus dem Vergleich zwischen dem gestellten Begehren und dem unter Berücksichtigung der rechtserzeugenden Tatsachen für berechtigt erachteten Anspruch (RS0041023). Abzustellen ist auf das Begehren und den übrigen Inhalt des Antrags (vgl RS0041078; RS0037485 [T12]). Ein Aliud liegt dann vor, wenn die zugesprochene Rechtsfolge eine andere ist als die begehrte, dazu sind auch die zur Begründung der Rechtsfrage vorgetragenen und zur Entscheidung herangezogenen Tatsachen miteinander zu vergleichen (RS0041027). Ein quantitativer Minderzuspruch ist ein Minus, ein qualitativer Minderzuspruch ein Aliud (RS0037485 [T4, T15]).

5. Nach diesen Grundsätzen ist das modifizierte Begehren auf Zusammenziehung nur der drei bereits im Wohnungseigentum des Antragstellers stehenden Anteile gegenüber demjenigen auf Zusammenziehung dieser Anteile mit dem nach den Verfahrensergebnissen als Allgemeinfläche qualifizierten Vorplatz nicht ein bloßes Minus, sondern ein Aliud. Damit soll ein völlig anderes, vom ursprünglichen Begehren abweichendes und rechtlich anders zu beurteilendes Wohnungseigentumsobjekt geschaffen werden. Der objektive Erklärungswert des ursprünglichen Antrags ging eindeutig dahin, die Fläche vor den Garagenboxen des Antragstellers mit diesen dreien zu einem gemeinsamen Wohnungseigentumsobjekt zu vereinigen. Die Zusammenlegung nur der drei bereits bestehenden Objekte des Antragstellers hat er nicht begehrt. Es wäre daher Sache des Antragstellers gewesen, für den Fall, dass sich herausstellt, dass die von ihm reklamierte Fläche vor seinen Garagenboxen tatsächlich nicht in seinem Eigentum stehen sollte, ein entsprechendes Eventualbegehren mit passendem Tatsachenvorbringen zu erheben, was er nicht getan hat. Eine auf § 9 Abs 1 Z 5 WEG gestützte (vgl zur Zulässigkeit 5 Ob 227/01w; RS0083199) Zusammenlegung nur der bereits existierenden Wohnungseigentumsobjekte nach § 9 Abs 1 Z 5 WEG sprach der ursprüngliche Antrag nicht an.

6. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

7. Die 14. Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, weshalb sie Anspruch auf Ersatz der tarifgemäß verzeichneten Rechtsmittelbeantwortungskosten hat.

Stichworte