European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E130059
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die beiden angefochtenen erstinstanzlichen Beschlüsse (5. 8. 2019: Bestellung eines Verlassenschaftskurators; 22. 10. 2019: verlassenschaftsgerichtliche Genehmigung eines Kaufvertrags) wurden den nunmehr erbantrittserklärten Erben ursprünglich nicht zugestellt.
[2] Das Rekursgericht hat die Rekurse der Erben gemäß § 46 Abs 2 AußStrG als verspätet zurückgewiesen. Es begründete dies damit, die Rekurswerber seien zur Zeit der jeweiligen Beschlussfassung nicht aktenkundig gewesen und hätten die Rechtsmittel erst nach Ablauf der einer aktenkundigen Partei für die Rekurserhebung offenstehenden Frist eingebracht.
[3] 2. Nach der zitierten Bestimmung kann eine nicht aktenkundige Partei, der der Beschluss nicht zugestellt worden ist, einen Rekurs bis zu jenem Zeitpunkt erheben, bis zu dem eine aktenkundige Partei einen Rekurs erheben oder eine Rekursbeantwortung erstatten kann.
[4] 3. Ob – wie das Rekursgericht meinte – die Rekurswerber (oder allenfalls auch nur einige von ihnen) im Zeitpunkt der Fassung der erstinstanzlichen Beschlüsse aktenkundig waren oder nicht, kann aus nachstehenden Erwägungen dahingestellt bleiben:
[5] 3.1. Nach ständiger Rechtsprechung wird der potenzielle Erbe grundsätzlich erst mit Abgabe seiner Erbantrittserklärung Partei des Verlassenschaftsverfahrens (2 Ob 32/19y; RS0006398 [T17] = RS0106608 [T18] = RS0007926 [T16]). Vorher hat er keinen Einfluss auf den Gang des Verlassenschaftsverfahrens und keine Rekurslegitimation (RS0006398 [T14] = RS0106608 [T16] = RS0007926 [T12]). Dem liegt der tragende Gedanke zugrunde, es könne nicht angehen, dass jemand einerseits die Erbantrittserklärung mit ihren weitreichenden Rechtsfolgen vorerst oder überhaupt unterlässt, andererseits aber Einfluss auf das Abhandlungsverfahren nehmen will (2 Ob 32/19y mwN; RS0106608 [T4, T10]). Erlangt der Erbe während des Verfahrens durch die Abgabe einer Erbantrittserklärung Parteistellung, berührt das die bereits eingetretene Rechtskraft der vor seiner Erbantrittserklärung ergangenen Beschlüsse nicht (2 Ob 45/15d).
[6] 3.2. Die Rechtsprechung erkennt Ausnahmen dieses Grundsatzes an, und zwar unter anderem den Fall, dass ein potenzieller Erbe sein aktives Interesse am Erbantritt bekundet hat und die Abgabe einer Erbantrittserklärung aus nicht in seiner Sphäre liegenden Gründen unterblieb (2 Ob 32/19y mwN). Als derartige Gründe wurden etwa Verfahrensfehler angesehen (2 Ob 53/18k; RS0006544; RS0006398 [T11]; RS0106608 [T5]), wie beispielsweise eine unrichtigerweise unterbliebene Aufforderung zur Abgabe einer Erbantrittserklärung oder keine entsprechende Belehrung durch den Gerichtskommissär (1 Ob 201/73 = SZ 46/117; 6 Ob 44/03v; 3 Ob 218/03k).
[7] Für die ausnahmsweise zu bejahende Parteistellung vor Erbantrittserklärung müssen demnach beide Voraussetzungen (Interessenbekundung und Unterbleiben der Erbantrittserklärung aus nicht in der Sphäre des potenziellen Erben liegenden Gründen) kumulativ vorliegen.
[8] 4. Hier hat bis zur Fassung des später bekämpften erstinstanzlichen Beschlüsse kein einziger Rechtsmittelwerber sein Interesse am Erbantritt bekundet. Schon deshalb mangelte den Rechtsmittelwerbern im Zeitpunkt der Fassung beider erstinstanzlicher Beschlüsse die Parteistellung, weshalb es auf ihre Aktenkundigkeit nicht ankommt. Im Zeitpunkt der Rekurserhebung der Erben war aber die zweiwöchige Rekursfrist der einzigen aktenkundigen Partei (des Verlassenschaftskurators) längst abgelaufen.
[9] 5. Die Beurteilung des Rekursgerichts, die Rekurse seien verspätet gewesen, ist somit nicht korrekturbedürftig. Die Beantwortung der in den Revisionsrekursen relevierten angeblich erheblichen Rechtsfragen ist somit nicht entscheidungserheblich. Die Revisionsrekurse sind daher zurückzuweisen.
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