OGH 5Ob131/20f

OGH5Ob131/20f25.8.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. M*, Slowakei, vertreten durch Dr. Heribert Kirchmayer, Rechtsanwalt in Hainburg an der Donau, gegen die beklagte Partei Dr. R*, Slowakei, vertreten durch Dr. Karl Newole, Rechtsanwalt in Wien, wegen Realteilung (Streitwert 70.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. April 2020, GZ 12 R 1/20k‑23, mit dem das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 13. November 2019, GZ 4 Cg 55/19g‑19, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129272

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.286 EUR (darin enthalten 381 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind jeweils Hälfteeigentümer einer Liegenschaft in H*.

Der Kläger begehrt Realteilung der unbebauten Liegenschaft.

Der Beklagte beruft sich – soweit noch relevant – auf das Teilungshindernis der Unzeit. Der Kläger sei nur formell im Grundbuch als Hälfteeigentümer eingetragen, materiell jedoch nicht der Miteigentümer. Die Liegenschaft sei mit dem Plan gekauft worden, einen Zweit- oder Alterswohnsitz für die Mutter des Beklagten, deren Bruder (Kläger) und den Beklagten zu begründen. Der Beklagte und dessen Mutter hätten den Erwerb finanziert und dem Kläger den Kaufpreis zum Erwerb des Hälfteanteils kreditiert. Der Kläger habe sich verpflichtet, den zunächst kreditierten Betrag an den Beklagten oder an dessen Mutter zurückzuzahlen oder den Hälfteanteil dem Beklagten oder dessen Mutter unentgeltlich (rück‑)zuübertragen. Die unklare und strittige Rechtslage über die wahren Eigentumsrechte bewirke kein dauerndes, sondern ein zeitlich beschränktes Teilungshindernis. Der Kläger habe über Aufforderung seine Liegenschaftshälfte nicht übertragen, weshalb der Beklagte (nach Anhängigkeit des Teilungsverfahrens) die Herausgabe der Liegenschaftshälfte gerichtlich gefordert habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch Realteilung statt. In der rechtlichen Beurteilung verneinte es das Vorliegen von Unzeit. Der Beklagte habe den Anspruch auf Herausgabe des Hälfteanteils an der Liegenschaft erst nach Einleitung des Teilungsprozesses eingeklagt. Der Rückübertragungsanspruch sei rein obligatorisch.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies die Teilungsklage ab. Den bisherigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu zwischen den Parteien des Teilungsverfahrens anhängigen Prozessen als Teilungshindernis sei gemeinsam, dass die jeweils Beklagten im Fall ihres Obsiegens als Kläger in den Parallelprozessen Eigentum an der vom Teilungsverfahren betroffenen Liegenschaft und nicht bloß einen obligatorischen Anspruch erlangt hätten. Dadurch wäre die Grundlage für das Begehren der Teilungskläger weggefallen. Der Entscheidung 1 Ob 524/77 könne entnommen werden, dass die Einleitung des Parallelprozesses nicht vor Einbringung der Teilungsklage erfolgen müsse, um ein Teilungshindernis anzunehmen. Auch im Teilungsverfahren sei der für die Entscheidung maßgebliche Zeitpunkt der Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz. Zu diesem Zeitpunkt sei das Parallelverfahren bereits anhängig gewesen. Eine offenbare Mutwilligkeit oder Aussichtslosigkeit des Verfahrens werde nicht behauptet. Die Revision sei zulässig, weil die bisherige Rechtsprechung möglicherweise auf eine zwingende Anhängigkeit des Rechtsstreits über das Eigentumsrecht vor der Einleitung der Teilungsklage abstelle.

Rechtliche Beurteilung

Die – beantwortete – Revision des Klägers ist zur Klarstellung zulässig, aber nicht berechtigt.

Voranzustellen ist, dass weder die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts noch die Anwendung österreichischen Rechts jemals strittig war.

Beim Anspruch eines Teilhabers auf Aufhebung der Gemeinschaft handelt es sich um einen schuldrechtlichen Anspruch, der wegen seines unbedingten Charakters (RIS‑Justiz RS0013249) in der Regel keiner Begründung aus der Interessenlage des Klägers bedarf (RS0013247).

Dem Anspruch sind durch die nach Treu und Glauben bestehende Verpflichtung der Miteigentümer zur gegenseitigen Rücksichtnahme Grenzen gesetzt. Die Pflicht zur Rücksichtnahme wird durch die in § 830 ABGB vorgesehenen Teilungshindernisse der Unzeit und des Nachteils der Übrigen konkretisiert (RS0013246). Der Teilungswillige muss sich einen nach den Umständen des Einzelfalls angemessenen Aufschub gefallen lassen, nicht aber auf die Teilung überhaupt verzichten (RS0013287; RS0013321). Als Teilungshindernis kommen daher nur vorübergehende Umstände in Betracht, die bald wegfallen oder beseitigt werden können (RS0013287 [T13]).

Der Beklagte beruft sich auf Unzeit wegen eines zwischen den Streitteilen anhängigen Prozesses, der die Eigentumsverhältnisse klären soll.

Unzeit ist ein objektiver, für alle Beteiligten in gleicher Weise wirkender Umstand, der die Teilung zwar nicht verhindert, aber zur gegebenen Zeit unzweckmäßig und für beide Teile schädigend macht (RS0013287). Der beweispflichtige Teilungsgegner muss konkrete Umstände aufzeigen, die als Teilungshindernis der Unzeit in Betracht kommen (RS0013279 [T1]). Für die Beurteilung der Einwendung der Unzeit oder der Behauptung, dass es sich um einen vorübergehenden Zustand handelt, ist der Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz entscheidend. Später eingetretene Tatsachen können wegen des Neuerungsverbots nicht berücksichtigt werden (RS0013282; vgl RS0001184).

Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits mehrfach mit der Frage befasst, ob Rechtsstreitigkeiten über das strittige Miteigentumsrecht einer der Parteien des Teilungsverfahrens den Einwand der Unzeit rechtfertigen.

Bejaht wurde Unzeit während der Dauer eines anhängigen Prozesses gegen den Teilungskläger, mit dem ein Dritter das Grundgeschäft wegen §§ 870, 871, 879 ABGB anficht und damit das Eigentumsrecht an der Liegenschaft bestreitet (1 Ob 365/58; RS0013305), ebenso in solchen Rechtsstreitigkeiten, die das Eigentum des Beklagten betreffen, wie im Fall eines anhängigen Rückstellungsverfahrens (2 Ob 426/60). In beiden Varianten dürfen diese Rechtsstreitigkeiten nur nicht offenbar mutwillig oder aussichtslos sein (1 Ob 365/58). Dieser Grundsatz muss auch dann gelten, wenn ein diesbezüglicher Rechtsstreit zwischen den Parteien des Teilungsprozesses schon vor dessen Einleitung anhängig gemacht wurde, weil im Fall des Obsiegens des Beklagten im anderen Verfahren die Grundlage für das Teilungsbegehren wegfallen würde (6 Ob 589/82 = SZ 55/60; RS0013290).

Keinen Einfluss auf eine Teilungsklage haben hingegen Rechtsstreitigkeiten, die nur das Ausmaß der den Parteien des Teilungsprozesses zustehenden Miteigentumsanteile, nicht aber die Eigentümerstellung eines der Beteiligten betreffen (2 Ob 526/88 = RS0013319 = RS0013290 [T3]). Zu 6 Ob 143/97s (RS0013290 [T4 und T5]) nahm der Oberste Gerichtshof keine Unzeit an, wenn ein Dritter eine der Parteien eines Teilungsprozesses auf Abschluss eines Kaufvertrags über die Liegenschaftsanteile klagt und damit einen rein obligatorischen Anspruch geltend macht. Das rechtskräftige Urteil könnte den Klägern nämlich lediglich den Anspruch auf Abschluss eines formgültigen Kaufvertrags, nicht jedoch einen unmittelbaren Anspruch auf Einverleibung eines Eigentumsrechts verschaffen.

Nach der Rechtsprechung muss sich daher der (von einem Dritten oder vom Beklagten im Teilungsverfahren) in einem anderen Prozess erfolgreich verfolgte Anspruch derart auf das Eigentumsrecht der Partei im Teilungsverfahren auswirken, dass mit dem klagestattgebenden Urteil die Grundlage für das Teilungsbegehren wegfällt.

Das war bei einer Erbschaftsklage des Teilungsbeklagten gegen den Teilungskläger auf Herausgabe der Miteigentumsanteile der Fall (1 Ob 668/83 = JBl 1984, 431), bei der Klage des Teilungsbeklagten auf Herausgabe der Liegenschaftshälfte der – angeblich nur aus formellen Gründen im Grundbuch eingetragenen – Teilungsklägerin (6 Ob 589/82) ebenso wie bei einer auf Herausgabe gerichteten Klage des Teilungsbeklagten nach Widerruf der Schenkung eines Hälfteanteils an die Teilungsklägerin (1 Ob 524/77).

Einen derartigen Anspruch verfolgt der Teilungsbeklagte hier mit seiner Klage, in der er gestützt auf vertragliche Vereinbarungen vom Teilungskläger die Herausgabe dessen Hälfteanteils, in eventu die Einwilligung in die Einverleibung seines Hälfteeigentums begehrt.

Aus der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich nicht ableiten, dass eine Klage, deren Stattgebung die Grundlage für den Teilungsanspruch beseitigt, zwingend vor Streitanhängigkeit des Teilungsprozesses eingebracht werden muss, um das Teilungshindernis der Unzeit zu begründen.

In der Entscheidung 6 Ob 589/82, die Grundlage für den zu RS0013290 formulierten Rechtssatz war, stellte der Oberste Gerichtshof in der Begründung nur darauf ab, dass im Fall des Obsiegens des Teilungsbeklagten im Parallelprozess die Grundlage für das Teilungsbegehren wegfiele.

Der zu 1 Ob 524/77 entschiedene Fall betraf einen nach Streitanhängigkeit der Teilungsklage (angeblich) erfolgten Widerruf der Schenkung des Hälfteanteils an den Teilungskläger. Bereits der rechtsgestaltende Widerruf bewirkte nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs die Herausgabepflicht des nur mehr formellen Hälfteeigentümers und Teilungsklägers, weshalb dieses Teilungshindernis im Teilungsprozess geprüft werden müsse. Bei Stattgebung des auf den Widerruf gestützten Herausgabebegehrens entfiele die Grundlage für den Teilungsanspruch des Teilungsklägers.

In beiden Fallvarianten (Einbringung einer Herausgabeklage vor und nach Streitanhängigkeit des Teilungsprozesses) stellt der Oberste Gerichtshof daher darauf ab, ob das klagestattgebende Urteil die Eigentumsverhältnisse der Parteien des Teilungsprozesses – unabhängig von dem zum Zeitpunkt der Streitanhängigkeit der Teilungsklage noch bestehenden aufrechten Grundbuchsstand – klärt und bei künftiger Vereinigung des Eigentums in der Hand des oder der Teilungsbeklagten der Teilungsklage die Grundlage nimmt.

Eine Differenzierung ist auch nicht sachgerecht. Es kommt nur darauf an, ob das Teilungshindernis der Unzeit in absehbarer Zeit wegfallen wird. Für diese Beurteilung macht es nicht zwingend einen Unterschied, ob der Rechtsstreit vor Streitanhängigkeit des Teilungsprozesses oder (unter Umständen nur kurz) danach eingeleitet wird. Versuchen eines Teilungsbeklagten, ein Teilungshindernis durch Einbringung einer Herausgabeklage zu konstruieren, setzt die Rechtsprechung ohnehin Grenzen, indem sie fordert, dass das Verfahren weder offenbar mutwillig noch aussichtslos sein darf. Diese Voraussetzung ist im Teilungsprozess zu prüfen.

Im vorliegenden Fall stellt sich der Kläger nicht auf den Standpunkt, dass die nach Streitanhängigkeit des Teilungsprozesses eingebrachte Herausgabeklage mutwillig oder aussichtlos sei. In der Revision verweist er lediglich darauf, dass die Klage nach Durchführung eines Beweisverfahrens mittlerweile in zwei Instanzen abgewiesen worden sei.

Ergebnis: Das Teilungshindernis der Unzeit kann auch vorliegen, wenn der Teilungsbeklagte nach Streitanhängigkeit des Teilungsprozesses den Teilungskläger auf Herausgabe dessen Miteigentumsanteils und/oder auf Einwilligung in die Einverleibung des Miteigentumsrechts klagt und das allenfalls stattgebende Urteil dem Teilungsanspruch die Grundlage entzieht.

Der Revision ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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