OGH 9Ob26/20v

OGH9Ob26/20v29.7.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Walter Pirker, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I***** G*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere, Rechtsanwälte in St. Pölten, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. K***** GmbH, *****, und 2. I*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Hans‑Peter Pflügl, Rechtsanwalt in Herzogenburg, wegen 116.600 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen der beklagten Partei und der Erstnebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Februar 2020, GZ 14 R 7/20g‑18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0090OB00026.20V.0729.000

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. Zur außerordentlichen Revision des Beklagten:

1.  Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können, wenn in der Berufung nur in bestimmten Punkten eine Rechtsrüge ausgeführt wurde, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RS0041570 [T8, T12]). Da die Beklagte ihren in erster Instanz erhobenen – selbständigen – Einwand des Mitverschuldens der Klägerin an einem allfälligen Fehler der Vertragsgestaltung in der Berufung nicht aufgegriffen hat, ist dem Obersten Gerichtshof ein Eingehen auf diese Rechtsfrage (vgl RS0106185 [T3]) verwehrt. Insoweit kann auch eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RS0043111).

2.  Auf die vom Revisionswerber iSd § 502 Abs 1 ZPO relevierte Rechtsfrage, ob den Käufer bei einem offenkundigen Mangel des Kaufgegenstands, der in einem Rechtsmangel resultiert, eine Nachforschungspflicht (Untersuchungs- bzw Prüfungsobliegenheit) trifft, ist nicht näher einzugehen. Mit den dazu erstmals in der Revision vorgetragenen Behauptungen verstößt der Revisionswerber gegen das Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO.

3.  Soweit der Revisionswerber Rechtsprechung darüber vermisst, ob der im Kaufvertrag enthaltene Haftungsausschluss für die „Beschaffenheit des Kaufobjekts“ auch den Rechtsmangel der fehlenden Wohnungswidmung umfasst, zeigt er keine für die Entscheidung relevante Rechtsfrage auf. Nach herrschender Rechtsprechung erstreckt sich ein vertraglicher Gewährleistungsverzicht nicht auf das Fehlen ausdrücklich oder schlüssig zugesicherter Eigenschaften (RS0018564 [T7]). Die übereinstimmende Beurteilung der Vorinstanzen, dass sich die Streitteile mit dem Vertrag auf den Kauf einer Liegenschaft mit fünf als Wohnung nutzbare und daher auch als Wohnung vermietbare Einheiten geeinigt haben, zieht die Revision nicht (mehr) in Zweifel.

II. Zur außerordentlichen Revision der Erstnebenintervenientin:

1.  Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936). Das ist hier nicht der Fall. Da der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz, sondern als Rechtsinstanz ausschließlich zur Überprüfung von Rechtsfragen zuständig ist (RS0123663), können Feststellungen in dritter Instanz nicht mehr bekämpft und Ersatzfeststellungen begehrt werden. Wurden – wie hier – zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen, können auch keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (RS0053317 [T1]).

2.  Die in der außerordentlichen Revision der Erstnebenintervenientin zur Reichweite eines Haftungsausschlusses zitierten Entscheidungen beziehen sich nicht auf den hier vorliegenden Fall einer vertraglich vereinbarten Eigenschaft. Wenn die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang auf ihrem Standpunkt beharrt, die „Eigenschaft der gewerblichen Vermietbarkeit“ aller Einheiten sei der Klägerin nie zugesagt worden, so hat bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass es für die Lösung des Falls nur auf den Konsens über den Kauf einer Liegenschaft mit fünf jeweils als Wohnung nutzbare Wohneinheiten und die fehlende Wohnungswidmung ankommt, nicht aber darauf, ob diese Wohnungen von der Klägerin auch „gewerblich vermietbar“ seien. Darauf hat die Klägerin ihren Preisminderungsanspruch auch nicht gestützt.

Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO waren daher die außerordentlichen Revisionen des Beklagten und der Erstnebenintervenientin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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