European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129156
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
I. Die außerordentliche Revision der zu AZ 24 Cg 15/17i (wider‑)beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
II. Im Übrigen (in Ansehung des Verfahrens AZ 24 Cg 72/15v) werden die Akten dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Frage der Zulässigkeit der Revision ist bei Klage und Widerklage grundsätzlich getrennt zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0037252 [T13]); die gemeinsame Entscheidung des Berufungsgerichts über verbundene Rechtssachen ist für die Rechtsmittelzulässigkeit ohne Bedeutung (RS0037252; RS0037173; RS0036717 [T2, T17, T19 bis T23]).
Zu I.: Der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts übersteigt im Verfahren über die auf Feststellung der Haftung der Werkunternehmerin (die im führenden Verfahren ihren Werklohn begehrt) gerichteten Widerklage der Werkbestellerin nach dessen Bewertungsausspruch 30.000 EUR, der Werkunternehmerin gelingt es in ihrer außerordentlichen Revision aber nicht, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO anzusprechen.
1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens des Berufungsgerichts wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Auslegung der Feststellungen des Erstgerichts durch das Berufungsgericht im Einzelfall wirft regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0118891). Mit den Beweisrügen der Werkunternehmerin hat sich das Berufungsgericht auseinandergesetzt, es kommt nur nicht zu dem von ihr gewünschten Ergebnis.
2. So wie die Auslegung der Feststellungen des Erstgerichts der Beurteilung im Einzelfall unterliegt, ist auch die Auslegung des Sinngehalts und der Reichweite einer Entscheidung von den Umständen des Einzelfalls geprägt. Auch solche Auslegungsfragen entziehen sich im Allgemeinen generellen Aussagen. Ihnen kann daher keine Bedeutung als erhebliche Rechtsfrage zukommen, es sei denn, es läge eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung vor (RS0118891 [T5]). Dies ist hier nicht der Fall:
Schon das Erstgericht stellte zu seinem – wegen der verwendeten Formulierung „im Zusammenhang mit“ für sich betrachtet nicht eindeutigen – Spruch in den Entscheidungsgründen seines Urteils klar, dass die Werkunternehmerin als Sachverständige auf die technische Unmöglichkeit der beauftragten Installation (separate Abrechnung des genauen Warmwasserverbrauchs pro Wohnung durch jeweils eigene Wasserzähler bei gleichzeitig sofort verfügbarem Warmwasser aufgrund einer Zirkulationsleitung) hätte hinweisen müssen und sie der Werkbestellerin aufgrund dieses Versäumnisses für „allfällige daraus resultierende Vertrauensschäden“ hafte. Das Berufungsgericht teilte diese (von der Klägerin auch nicht kritisierte) Beurteilung und führte (ebenso wie das Erstgericht) in den Entscheidungsgründen erklärend aus, dass der Werkunternehmerin (nach dem Spruch) „im Zusammenhang mit der mangelhaften Leistungserbringung der Zirkulationswasserleitung“ eine Warnpflichtverletzung anzulasten sei und ihr dafür der „Ersatz des Vertrauensschadens“ – zustehe. Dass die Haftung also nur für allfällige Vertrauensschäden aufgrund dieser Warnpflichtverletzung besteht, ergibt sich damit hinreichend deutlich aus beiden Vorentscheidungen, ist doch die Auslegung einer gerichtlichen Entscheidung aufgrund des Wortlauts des Spruchs und der Gründe der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung in Verbindung mit dem dadurch angewandten Gesetz vorzunehmen (1 Ob 74/19t; RS0008802; zur Heranziehung der Entscheidungsgründe für die Auslegung der Tragweite des Spruchs, wenn dieser nicht völlig eindeutig ist, vgl auch RS0000300).
3. Nach ihrem Vorbringen in der Klage strebte die Werkbestellerin die Feststellung der Haftung (ausdrücklich) für zukünftige Schäden an. Wenn sie es unterließ, auch in ihrem Urteilsantrag das Wort „zukünftige“ zu verwenden, und das Berufungsgericht im Spruch daher vor „Schäden“ das Wort „künftigen“ einfügte, hat es damit nur eine Klarstellung vorgenommen. Der Urteilsspruch des Berufungsgerichts weicht also vom Begehren der Widerklägerin nicht ab, sondern verdeutlicht nur das von ihr tatsächlich Angestrebte (vgl RS0039357; zur Einfügung des Worts „zukünftige“ in einem auf die Haftung für weitere Schäden gerichteten Feststellungsbegehren s etwas Fucik in Fasching/Konecny 3 III/2 § 405 ZPO Rz 11 mwN).
Auch ein von der Revisionswerberin gesehener Widerspruch zwischen dem Ersatz „künftiger Schäden“ und dem der – im Urteilsantrag im Übrigen nur beispielhaft („insbesondere“) erwähnten – „Begrifflichkeit 'erzielter Mindererlös'“ liegt in Wahrheit nicht vor. Sie meint, es könne sprachlich ein Mindererlös nur dann „erzielt“ sein, wenn er schon bestehe. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird aber auch der erst in Zukunft entstehende Mindererlös (ungenau) mit den Worten (– in Zukunft –) erzielter Mindererlös umschrieben und darunter durchaus einer verstanden, der noch nicht entstanden ist, sondern erst in Hinkunft entstehen, also erzielt (werden) wird. Dass eine Feststellung der Haftung für einen Schaden wegen eines bereits entstandenen Mindererlöses nicht erfolgte, sondern (ausdrücklich) nur der für einen künftigen Schaden, also den wegen eines drohenden Mindererlöses, ist nicht zweifelhaft. Selbst, wenn man darin eine implizite Teilabweisung sehen sollte, wäre die Werkunternehmerin dadurch nicht beschwert.
Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
II.:
1. In der Entscheidung über die Werklohnklage hatte das Erstgericht der Werkunternehmerin nach Feststellung des Bestehens der Werklohnforderung in Höhe von 50.494,52 EUR und der Gegenforderungen in Höhe von 25.180 EUR einen Betrag von 34.314,52 EUR sA zugesprochen. Sie beantragte in der (in diesem Verfahren allein von ihr als Klägerin erhobenen) Berufung, ihrem Leistungsbegehren zur Gänze, das heißt auch mit dem 34.314,52 EUR sA übersteigenden Teil von (weiteren) 25.180 EUR sA, stattzugeben. Der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts überstieg damit im Verfahren über die Werklohnklage zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR.
2. In einem solchen Fall ist, wenn das Berufungsgericht – wie hier – die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt, gemäß § 502 Abs 3 ZPO die Revision, außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO, jedenfalls unzulässig. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei nur gemäß § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungsurteils den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz keinen formellen Antrag im Sinne des § 508 Abs 1 ZPO gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO einer Verbesserung zugänglich ist (RS0109620).
3. Das Rechtsmittel der Werkbestellerin wäre demnach – auch wenn es insgesamt als „außerordentliches“ bezeichnet wird – dem Berufungsgericht vorzulegen gewesen. Dies wird das Erstgericht nunmehr nachzuholen haben. Ob der Schriftsatz den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RS0109501 [T12]; RS0109623 [T5]).
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